o
Eine gute Organisation
„Nur die ersten zwei, drei Tage kosten einige Aeberwindung.
Aber dann werden Sie bereits den Segen der veränderten Lebens-
weise spüren, dann wird Ihnen die neue Kost schon prächtig
munden, dann werden Sie gar kein Verlangen mehr tragen nach
Braten und Schinken und Wurst und all dem andern üblen Zeug,
das die menschliche Gesundheit allmählich zu untergraben in hohem
Maße geeignet ist. Ja, dann werden Sie froh sein und nur eins
bedauern: daß Sie nämlich nicht länger als sechs Wochen bei
uns bleiben können. Aber vielleicht können Sie sich doch auf acht
Wochen einrichten. Sehen Sie zu, daß es sich machen läßt; ich
möchte es Ihnen dringend empfehlen."
So hatte Sanitätsrat Plepper zu mir gesprochen, als ich in
sein berühmtes Sanatorium gekommen war, — nach Winselheim
an der Winsel. Aber er hatte die besagten Kosten an Aeberwin-
dung doch zu niedrig kalkuliert, — sie schienen mir verdammt hoch
zu werden. Denn früh morgens mit rohen Mohrrüben anzufangen,
zu Mittag mit geriebenen Nüssen und rohen Äaferflocken in einem
Brei aus zermatschten Aepfeln sich zu füllen und abends mit
saurer Milch aufzuhören-das ist nicht so einfach; das will
gelernt sein. Und für manchen ist es sehr die Frage, ob er es
überhaupt wird lernen können.
Am zweiten Tage ging ich, schwach und hungrig, ein bißchen
spazieren, ins Städtchen hinein. Winselheim ist ein freundlicher
Ort von etwa zweitausend Seelen, in dem man aber doch als
Fremder nicht besonders auffällt. Die Leute sind dort an Fremde
gewöhnt; dafür hat der Sanitätsrat Plepper mit seinem Sana-
torium gesorgt. Viel zu sehen gab es nicht. Das Schönste war
der Laden eines Lerrn Anton Wohlfahrt, der in seinem Schau-
fenster köstlich lockende Fleischerzeugnisse ausgestellt hatte: kleine
Schinken, stramme Dauerwürste usw. Ein kurzer Kampf mit der
Stimme des Gewissens,-und schon war ich in diesem präch-
tigen Lade».
Anton Wohlfahrt wußte Bescheid; er bot seine Produkte
mit diskretem Lächeln an. „Dauerwurst, nicht wahr? Vielleicht
auch diese kleine Kalbsleberwurst. Sie ist gut angeräuchert; die
können Sie, auch wenn sie angeschnitten
ist, ruhig in Ihrem Koffer verstecken —
die hält sich ein paar Tage. And vielleicht
etwas Schinken? Er ist ganz schwach ge-
salzen. Selbstverständlich! Was sollten die
Herrschaften sonst machen, wenn sie auf
die Nacht Durst bekämen? Sie können doch
nicht nach Bier klingeln, nicht wahr? Das
gibt es da doch nicht."
Ich kaufte für elf Mark sechzig Pfennige.
„So, und nun möchte ich Sie bitten, mir
ein festes, nicht auffallendes Paket zu
machen, ohne Aufdruck Ihrer Firma."
Da hauchte Anton Wohlfahrt ganz dis-
kret: „Vielleicht ein Karton gefällig? Für
die Herrschaften aus dem Sanatorium
nehme ich immer Kartons, — selbstver-
ständlich ungebrauchte. Wäre ein Schuh-
karton mit entsprechendem Ausdruck ge-
fällig? Oder einer für Kragen?" —vn.
Passiv
„Kann ich Mitglied Ihrer angelsport-
lichcn Vereinigung werden?"
„Nur passives!"
„Da darf ich nicht mitangeln?"
„Nein, nur Würm' suchen!"
„Fräulein, warum habe» Sie keinen Winker?"
„Das geht Sie gar nichts an. Aber wenn Sie es durchaus wissen wollen: mein
Bräutigam hat mehr zu tun, als immer mit mir zu fahren und den Arm rechts oder
links rauszustrecken."
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Eine gute Organisation
„Nur die ersten zwei, drei Tage kosten einige Aeberwindung.
Aber dann werden Sie bereits den Segen der veränderten Lebens-
weise spüren, dann wird Ihnen die neue Kost schon prächtig
munden, dann werden Sie gar kein Verlangen mehr tragen nach
Braten und Schinken und Wurst und all dem andern üblen Zeug,
das die menschliche Gesundheit allmählich zu untergraben in hohem
Maße geeignet ist. Ja, dann werden Sie froh sein und nur eins
bedauern: daß Sie nämlich nicht länger als sechs Wochen bei
uns bleiben können. Aber vielleicht können Sie sich doch auf acht
Wochen einrichten. Sehen Sie zu, daß es sich machen läßt; ich
möchte es Ihnen dringend empfehlen."
So hatte Sanitätsrat Plepper zu mir gesprochen, als ich in
sein berühmtes Sanatorium gekommen war, — nach Winselheim
an der Winsel. Aber er hatte die besagten Kosten an Aeberwin-
dung doch zu niedrig kalkuliert, — sie schienen mir verdammt hoch
zu werden. Denn früh morgens mit rohen Mohrrüben anzufangen,
zu Mittag mit geriebenen Nüssen und rohen Äaferflocken in einem
Brei aus zermatschten Aepfeln sich zu füllen und abends mit
saurer Milch aufzuhören-das ist nicht so einfach; das will
gelernt sein. Und für manchen ist es sehr die Frage, ob er es
überhaupt wird lernen können.
Am zweiten Tage ging ich, schwach und hungrig, ein bißchen
spazieren, ins Städtchen hinein. Winselheim ist ein freundlicher
Ort von etwa zweitausend Seelen, in dem man aber doch als
Fremder nicht besonders auffällt. Die Leute sind dort an Fremde
gewöhnt; dafür hat der Sanitätsrat Plepper mit seinem Sana-
torium gesorgt. Viel zu sehen gab es nicht. Das Schönste war
der Laden eines Lerrn Anton Wohlfahrt, der in seinem Schau-
fenster köstlich lockende Fleischerzeugnisse ausgestellt hatte: kleine
Schinken, stramme Dauerwürste usw. Ein kurzer Kampf mit der
Stimme des Gewissens,-und schon war ich in diesem präch-
tigen Lade».
Anton Wohlfahrt wußte Bescheid; er bot seine Produkte
mit diskretem Lächeln an. „Dauerwurst, nicht wahr? Vielleicht
auch diese kleine Kalbsleberwurst. Sie ist gut angeräuchert; die
können Sie, auch wenn sie angeschnitten
ist, ruhig in Ihrem Koffer verstecken —
die hält sich ein paar Tage. And vielleicht
etwas Schinken? Er ist ganz schwach ge-
salzen. Selbstverständlich! Was sollten die
Herrschaften sonst machen, wenn sie auf
die Nacht Durst bekämen? Sie können doch
nicht nach Bier klingeln, nicht wahr? Das
gibt es da doch nicht."
Ich kaufte für elf Mark sechzig Pfennige.
„So, und nun möchte ich Sie bitten, mir
ein festes, nicht auffallendes Paket zu
machen, ohne Aufdruck Ihrer Firma."
Da hauchte Anton Wohlfahrt ganz dis-
kret: „Vielleicht ein Karton gefällig? Für
die Herrschaften aus dem Sanatorium
nehme ich immer Kartons, — selbstver-
ständlich ungebrauchte. Wäre ein Schuh-
karton mit entsprechendem Ausdruck ge-
fällig? Oder einer für Kragen?" —vn.
Passiv
„Kann ich Mitglied Ihrer angelsport-
lichcn Vereinigung werden?"
„Nur passives!"
„Da darf ich nicht mitangeln?"
„Nein, nur Würm' suchen!"
„Fräulein, warum habe» Sie keinen Winker?"
„Das geht Sie gar nichts an. Aber wenn Sie es durchaus wissen wollen: mein
Bräutigam hat mehr zu tun, als immer mit mir zu fahren und den Arm rechts oder
links rauszustrecken."
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Fräulein, warum haben Sie keinen Winker?"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1932
Entstehungsdatum (normiert)
1927 - 1937
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 176.1932, Nr. 4530, S. 322
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg