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Zeichnung von M. Stauf

Das Testament

Die Leidenschaften werden kälter.
Wird erst der Mensch allmählich älter,-
Nur eine wächst noch immerzu:

Der Geiz — denn der gibt keine Ruh'.
Dies zeigte auch Tobias Schleifer.
Mit jedem Jahre stieg sein Eifer,

AuS seinen wohlgefüllten Kassen
Nicht einen Pfennig 'rauSzulassen.

Er lebte, unfern von Hannover,

Als Junggeselle schändlich power.
WaS WarmeS aß er beinah' nie,
Trank Wasser wie das liebe Vieh,
Und wenn einmal ein Schmerz ihn plagte,
Cr jedes Mittel sich versagte:
»Umsonst Hab' lieber ich das Leid,

Als daß mich schönes Geld befreit!"

Ja, einen Anzug braucht ein jeder.
Doch seiner war von Pferdeleder —
Solch Anzug hält ein Leben aus.
Kein Hund bewachte ihm das Haus,
Obgleich dort seine Schätze lagen,
Doch stieg er, Diebe zu verjagen.

Oft nachtS aus seinem Bette schlau
Und bellte selber laut: Wauwau!

Er hatte ziemlich viel Verwandle,

Die er durchaus von sich verbannte.
»Gastfrei bin ich," sprach er dabei,-
»Das heißt, hihi: von Gästen frei!"
Doch jene, an die Erbschaft denkend,
Erschienen stets, ihn reich beschenkend
Mit Gutem, was sich essen läßt,

Zum Weihnachts- und GeburtStagsfeft.

Der Doktor Poppe zeigt
Geschick, o!

Schnell löst den Kork er von der
Cliquot,

Doch hört man nicht den muntern
Knall,

Der eintritt sonst in solchem Fall,

Auch perlt es nicht im Glase
lieblich,

Wie eS erforderlich und üblich,
»pfui Deiwel!" Poppe probt
und schmeckt,

»Das ist ja Wasser und nicht
Sekt!'

Und so ist es mit allen Flaschen.

»Ich würde niemals davon naschen —
Das wußtest du, o Mon'h, wohl,-
Du hast verschwendet nicht ftivol!"
Ruft nun Tobias, ganz begeistert.

Hier ist der Mann, der's Sparen meistert!
Der Moritz erbt als Spargenie —
Herr Doktor, bitte, schreiben Sie!"

Tobias Schleifer ist verblichen.
Die ganze Erbschaft ein-
gestrichen

Hat Moritz, und er lebte froh
Wie jener Mops im Paletot.
Bei ihm war echter Sekt
vorhanden,-

Auch war er nett zu den
Verwandten
Und manchen, der so an-
geschmiert,

Hat er mit einem Scheck
Peter Robinson

Fünf Flaschen aber mit Champagner
Bracht' stets der Neffe Moritz. .Mancher,"
So sprach er lieb, »schätzt diesen Trank —
Er macht des Menschen Leben lang." —
TobiaS könnt' kn zwanzig Jahren
Zweihundert Flaschen fest verwahren
Und dachte sich im Herzensgrund:
»Solch ein verschwenderischer Hund!"

Der Mensch muß schließlich einmal sterben.

Tobias dachte ans Vererben
Und rief, ob's ihm auch gräßlich war,
Sich Doktor Poppe, den Notar.
»Mein liebes Geld, an drei Millionen,
Wer wird am weisesten eS schonen?
Des Geldes Zweck ist, da zu sein,-
Wer's ausgibt, kann nicht Erbe sein!

pah, die Verwandten! Sie verschwendeten,
Damit sie mir Geschenke spendeten!

Der Moritz trieb's besonders toll,-
Mit Sekt Hab' ich den Keller voll,
Von dem ich nie mir was bescherte, —
Denn jede Flasche ist von Werte." —
»Mal her damit!" rief der Notar,

Ich laß' was nach vom Honorar."

Der Studienkommiffar

Von Alfred Manns

Bei der Schulbehörde der Großstadt X erschien eines
Tages hoher Besuch.

Mister Wetbrain aus Washington USA. stellte sich
vor und präsentierte gewichtige Empfehlungsschreiben des
Anterrichtsministers der Vereinigten Staaten sowie der
Kultusbehördeu von Staat. Stadt und County Washington.

Man sah Mister Wetbrain seinen hohen Berus nicht
ohne weiteres an, da im allgemeinen die Meinung ver-
breitet ist, daß nur magere Menschen auf hohe Geistigkeit
Anspruch erheben dürfen.

Mager war der Lerr nicht, der zu Studienzwecken
deutscher Schuleinrichtungen in die Großstadt X entsandt
wurde.

Knapp waren die Einführungsbriefe verfaßt, aber die
Unterschriften waren nicht nur die allerhöchster Verwal-
tungsspitzen, sondern auch ohne alle Frage echt.

Einige Schwierigkeit bot der Umstand, daß der ameri-
kanische Lerr nur sehr dürftige Kenntnisse in der deutschen
Sprache hatte und auch sonst recht wortkarg war.

Der Schulrat Wiedehopf ging mit dem Amerikaner
frühstücken; aber eine gründliche Aussprache hinsichtlich der
besonderen Wünsche des angesehenen Gastes kam nicht
zustande, da Lerr Schulrat Wiedehopf von Laus aus
Altphilologe (Lehrberechtigung Griechisch und Lebräisch)
war. Von neueren Sprachen verstand er wenig, und auch
eine Unterhaltung auf dem Umwege über das Lateinische
kam nicht in Fluß.

Deshalb schmeckten aber doch die Bachforellen und
nachfolgende ungarische Pularde beim guten Rauentaler
ausgezeichnet, und wenn auch der Amerikaner bei dieser
Gelegenheit seine deutschen Sprachkenntnisse nicht über-
mäßig ergänzte, was „Prosit" bedeutet, das wußte er nach
der dritten Stunde.

Inzwischen hatte die Schulbehörde darüber berat-
schlagt, in welcher Weise dem fremden Schulmanne am
besten und imponierendsten Lehrmethoden und Klassenziele
praktisch vor Augen geführt werden könnten.

So beschloß man denn, dem Lerrn in einigen Fächern
die Musterklasse — derzeit die Oberprima des humanisti-
schen Gymnasiums — vorzuführen.

Der Schulrat Wiedehopf war bei dieser Sitzung nicht
zugegen, da er ausgiebige Frühstücke nicht so gewöhnt war,
wie das bei dem angesehenen Manne aus dem Lande der
Prohibition offenbar der Fall war; denn dieser Lerr be-
fand sich am Nachmittage noch so wohl wie die genossenen
Bachforellen zu deren Lebzeiten.

Ein Diener der ilnterrichtskanzlei
brachte Mister Wetbrain vor das
Sofa, auf dem er verdauend ruhte
und ruhend verdaute, die Mitteilung,
daß der Magistrat sich beehre, ihn ein-
zuladen, beim griechischen Unterricht
der humanistischen Oberprima am
nächsten Vormittage zugegen zu sein.

Die Einladung war entgegen-
kommenderweise in englischer Sprache
verfaßt worden.

Der amerikanische Schulmann
rieb sich die Augen, las das Schrei-
ben zweimal und sagte zum Boten,
indem er ihm die Land schüttelte:
„öltucki obligecl. O yes."

(Sortierung Sette 342)

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Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Das Testament"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Claus, Martin
Entstehungsdatum
um 1932
Entstehungsdatum (normiert)
1927 - 1937
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 176.1932, Nr. 4531, S. 340

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