Ä''-Ä
D i e Platte
Von Peter Robinson
Rumpel hat sich vor einem halben Jahre — wir dürfen ruhig
davon sprechen, denn Rumpel ist kein eitler Tropf, und es ist ja
auch eine ganz natürliche, bei tausend andern Leuten zu findende
Sache — also Rumpel hat sich vom Zahnarzt Netteboom ein
sogenanntes Oberstück machen lassen, eine Platte, die aus Gold
sein mußte, weil Rumpel erklärte, Kautschuk auf keinen Fall ver-
tragen zu können. And er hat ja auch recht: eine Kautschukplatte
muß viel dicker sein, belästigt also mehr; sie ist ein schlechter
Wärmeleiter, wirkt also erhitzend im Munde, und hat sonst noch
mancherlei Nachteile. Kautschukplatten sind eben für Leute, die
sich keine aus Gold leisten können.
Rumpel aber ist durchaus der Meinung gewesen, sich sowas
leisten zu können. Freilich nicht auf Grund entsprechender finan-
zieller Verhältnisse, sondern weil er ein unbekümmertes Gemüt
unter einer dicken Pelle hat.
Rumpel hat nämlich das Stück
ganz einfach nicht bezahlt. Von
den 300 Mark, die der Zahn-
arzt Retteboom — das war gar
nicht teuer dafür vor einem
halben Jahre liquidiert hat, hat
er noch nicht einen Pfennig be-
kommen. And der Mann hat
doch Auslagen gehabt — für
das Gold und die Zähne! And
Mühe und Arbeit hat er gehabt.
Aber bei Rumpel ist nichts zu
wollen. Netteboom knirscht mit
den eigenen Zähnen, wenn er
an die falschen in Rumpels
Munde denkt. —
Leute nun spaziert Rumpel
im Stadtpark, da begegnet ihm
der Zahnarzt Netteboom. Das
ist Rumpel aber gar nicht pein-
lich, denn er hat ja, wie ge-
sagt, ein unbekümmertes Ge-
müt unter einer dicken Pelle.
„Morgen, Lerr Doktor!" grüßt
er fröhlich und schaut dabei
Netteboom ein bißchen höhnisch
ins Gesicht. Das ist häßlich
von Rumpel, aber von dem
Mann ist eben nichts anderes
zu erwarten.
356
Der Zahnarzt Netteboom hat auch wirklich nichts anderes
erwartet. Aber er hält sich zurück; er nimmt sich ganz gewaltig
zusammen, denn ein großartiger Gedanke ist ihm gekommen, als
er Rumpel austauchen sah. Die Durchführung dieses Gedankens
erfordert Diplomatie, allerfeinste Diplomatie.
Deshalb lächelt Netteboom liebenswürdig. „Guten Morgen,
Lerr Rumpel! Auch ein bißchen unterwegs? Schöner Tag, nicht
wahr?"
„Köstlich!" bestätigt Rumpel. „Ja, man muß den schönen
Sonnenschein genießen."
„Den schönen Sonnenschein — —" wiederholt der Zahnarzt
Netteboom. „Lm, hm mir ist da eben etwas ausgefallen, Lerr
Rumpel. Bitte, sagen Sie doch einmal recht laut: Schön scheinen-
der Sonnenschein."
„Schön scheinender Sonnen-
schein," sagt Rumpel, denn er
ist neugierig, wo hinaus Nette-
boom will.
„Merkwürdig!" sagt Nette-
boom und lächelt immer noch
liebenswürdig. „Bitte, Lerr
Rumpel, seien Sie so gut und
sagen Sie dreimal hintereinan-
der: Pschorr!"
„Pschorr! Pschorr! Pschorr!"
ruft Rumpel, als wenn er großen
Durst hätte. Er ist noch neu-
gieriger geworden.
„Auffallend!"meint der Zahn-
arzt Netteboom. „Sollte da die
Adhäsion nachgelassen habe»?
An Ihrer Platte nämlich, Lerr
Rumpel. Bitte, machen Sie doch
mal den Mund auf!"
Rumpel macht den Mund
weit auf; er ist wirklich durch
Nettebooms Diplomatie einge-
lullt worden. Der Zahnarzt sieht
in diesen geöffneten Mund hin-
ein,seine kunstgeübte rechte Land
schnellt heran, und da — —
ritsch: Retteboom hält die von
Rumpels Oberkiefer mit siche-
rem Griff abgehobene Platte
triumphierend in der Land, läßt
D i e Platte
Von Peter Robinson
Rumpel hat sich vor einem halben Jahre — wir dürfen ruhig
davon sprechen, denn Rumpel ist kein eitler Tropf, und es ist ja
auch eine ganz natürliche, bei tausend andern Leuten zu findende
Sache — also Rumpel hat sich vom Zahnarzt Netteboom ein
sogenanntes Oberstück machen lassen, eine Platte, die aus Gold
sein mußte, weil Rumpel erklärte, Kautschuk auf keinen Fall ver-
tragen zu können. And er hat ja auch recht: eine Kautschukplatte
muß viel dicker sein, belästigt also mehr; sie ist ein schlechter
Wärmeleiter, wirkt also erhitzend im Munde, und hat sonst noch
mancherlei Nachteile. Kautschukplatten sind eben für Leute, die
sich keine aus Gold leisten können.
Rumpel aber ist durchaus der Meinung gewesen, sich sowas
leisten zu können. Freilich nicht auf Grund entsprechender finan-
zieller Verhältnisse, sondern weil er ein unbekümmertes Gemüt
unter einer dicken Pelle hat.
Rumpel hat nämlich das Stück
ganz einfach nicht bezahlt. Von
den 300 Mark, die der Zahn-
arzt Retteboom — das war gar
nicht teuer dafür vor einem
halben Jahre liquidiert hat, hat
er noch nicht einen Pfennig be-
kommen. And der Mann hat
doch Auslagen gehabt — für
das Gold und die Zähne! And
Mühe und Arbeit hat er gehabt.
Aber bei Rumpel ist nichts zu
wollen. Netteboom knirscht mit
den eigenen Zähnen, wenn er
an die falschen in Rumpels
Munde denkt. —
Leute nun spaziert Rumpel
im Stadtpark, da begegnet ihm
der Zahnarzt Netteboom. Das
ist Rumpel aber gar nicht pein-
lich, denn er hat ja, wie ge-
sagt, ein unbekümmertes Ge-
müt unter einer dicken Pelle.
„Morgen, Lerr Doktor!" grüßt
er fröhlich und schaut dabei
Netteboom ein bißchen höhnisch
ins Gesicht. Das ist häßlich
von Rumpel, aber von dem
Mann ist eben nichts anderes
zu erwarten.
356
Der Zahnarzt Netteboom hat auch wirklich nichts anderes
erwartet. Aber er hält sich zurück; er nimmt sich ganz gewaltig
zusammen, denn ein großartiger Gedanke ist ihm gekommen, als
er Rumpel austauchen sah. Die Durchführung dieses Gedankens
erfordert Diplomatie, allerfeinste Diplomatie.
Deshalb lächelt Netteboom liebenswürdig. „Guten Morgen,
Lerr Rumpel! Auch ein bißchen unterwegs? Schöner Tag, nicht
wahr?"
„Köstlich!" bestätigt Rumpel. „Ja, man muß den schönen
Sonnenschein genießen."
„Den schönen Sonnenschein — —" wiederholt der Zahnarzt
Netteboom. „Lm, hm mir ist da eben etwas ausgefallen, Lerr
Rumpel. Bitte, sagen Sie doch einmal recht laut: Schön scheinen-
der Sonnenschein."
„Schön scheinender Sonnen-
schein," sagt Rumpel, denn er
ist neugierig, wo hinaus Nette-
boom will.
„Merkwürdig!" sagt Nette-
boom und lächelt immer noch
liebenswürdig. „Bitte, Lerr
Rumpel, seien Sie so gut und
sagen Sie dreimal hintereinan-
der: Pschorr!"
„Pschorr! Pschorr! Pschorr!"
ruft Rumpel, als wenn er großen
Durst hätte. Er ist noch neu-
gieriger geworden.
„Auffallend!"meint der Zahn-
arzt Netteboom. „Sollte da die
Adhäsion nachgelassen habe»?
An Ihrer Platte nämlich, Lerr
Rumpel. Bitte, machen Sie doch
mal den Mund auf!"
Rumpel macht den Mund
weit auf; er ist wirklich durch
Nettebooms Diplomatie einge-
lullt worden. Der Zahnarzt sieht
in diesen geöffneten Mund hin-
ein,seine kunstgeübte rechte Land
schnellt heran, und da — —
ritsch: Retteboom hält die von
Rumpels Oberkiefer mit siche-
rem Griff abgehobene Platte
triumphierend in der Land, läßt
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Das Büro geht baden" "Guck mal, wie hübsch sich das Wasser ondulieren läßt!"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1932
Entstehungsdatum (normiert)
1927 - 1937
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 176.1932, Nr. 4532, S. 356
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg