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Seeräuberei

alle Fälle die Brettchen von einem Zigarrenkistchen mitnehmen.
Es soll mir niemand nachsagen können, daß ich leichtsinnig in
See gegangen bin. Ich blickte ans das träge dahinströmende
Wasser. Künftig würde ich also Sonntags ein Seeräuberlebe»
führen, während meiner Arlaubswochen vielleicht sogar einmal
Deutschland auf dem Wasserwege durchqueren. Da ließ mich die
kräftige Stimme meines alten Seebären auffahren. Mit kurzem
„morgen" begrüßte er mich, tippte an seine Mütze und griff grin-
send nach meinem „Sigismund Rüstig". „Aha, alte Iugend-
erinnerungen!" „Ja," sagte ich, „aber man kann auch nebenbei
eine ganze Menge daraus lernen." „Na, Sie werden bestimmt
mal ein tüchtiger Seemann. Aebrigens, wie steht es denn damit... ?"
Ich verstand die betreffende Geste, holte die säuberlich zurecht ge-
legten Scheine aus meiner Brieftasche und sah sie nicht ohne leichte
Beklemmung auf Nimmerwiedersehen im Jackett meines Gegen-
übers verschwinde». Immerhin, nun war ich unbestrittener Lerr
über mein eigenes Schiff! „Sind Sie wohl so freundlich und
tragen mein Boot mit ins Wasser?" „Können wir machen!"
Wir hatten beide ordentlich zu schleppen, aber ich war begeistert,
wie ich sah, daß der „Seeräuber" schwamm. Das war ja seine
selbstverständliche Pflicht, aber es war doch ein erhebendes Gefühl,
ihn ebenso sicher und ruhig auf dem Waffer liegen zu sehen, wie
jedes Schlachtschiff und jeden Ozeanriesen. „Nun, wie wäre es mit
einem kleinen Seemannstrunk, so zur
Einweihung ?" Der alte Kapitän war
anscheinend weniger sentimental, aber
vielleicht dachte er seemännischer als
ich. Ich ging also mit ins Bootshaus,
und der kleine Seemannstrunkdauerte
wohl zwei Stunden. Endlich zahlte
ich kurzer Land die ganze Zeche, da-
mit wir nur wieder ans Boot kamen.

„Ich fahre jetzt los!" sagte ich und
ging schneller voran, blieb aber wie
angewurzelt stehen, als ich meinen
„Seeräuber" im Wasser liegen sah,
ja, im Wasser, nicht mehr auf dem
Wasser wie vorhin! Vielleicht 10 cm
mochten gerade noch hervorragen, und
das war das Boot, in das ich mich

eben sehen wollte! Ich sah mich nach meinem Begleiter
um und stammelte: „Da, Wasser!" „Ja," sagte er, „Wasser,
leider nur reines Wasser, Alkohol ist es leider nicht!" „Wie
kommt das? Lat da einer Wasser reingegossen, oder ist das
Boot gar gesunken?" „Wie das kommt? Vielleicht ist das
Boot gar nicht gesunken. Vielleicht ist nur das Wasser ge-
stiegen. Also, passen Sie mal auf I Das ist gar nicht ängst-
lich. Das ist bei jedem Boot so. Im Frühjahr, wenn es
zum erstenmal wieder ins Wasser kommt, da muß es erst
mal wieder ordentlich aufquellen. Deshalb keine Bange
nicht! Wenn Sie nächsten Sonntag wieder kommen, ist das
bloß noch halb so schlimm." „Also, kann ich erst nächsten
Sonntag fahren?" „Nächsten Sonntag schon? Ich würde
noch etwas warten! And wenn Sie dem Boot etwas Gutes
tun wollen, dann lackieren Sie's doch erst noch mal. Das
macht man im Frühjahr gern." „Lackieren?" „Ja, lackieren.
Aber natürlich müssen Sie erst mal den alten Lack runter-
kratzen. Eine ganz schöne Arbeit! Aber Sie sollen auch mal
sehen, wie dankbar Ihnen das Boot ist. Also, machen Sie
sich nächsten Sonntag mal den Spaß. And nun Lals- und
Beinbruch! Leben Sie wohl!" Ich habe ihn nie wieder zu
sehe» bekommen.

Am nächsten Sonntag war ich der erste Mann im Schup-
pen, zog meinen „Seeräuber" ins Freie und begann zu
schaben und zu kratzen. Kein Gramm von der alten Lack-
schicht sollte mir entgehen. Ich rieb mit Sandpapier, ich trug ätzende
Streichmassen auf, der Lack fing langsam an sich zu lösen. Gegen
Mittag glaubte ich noch, daß ich vielleicht bis zum Abend fertig
werden könnte, als ich aber in der vierten Stunde mit von der
Streichmasse angefressenen Fingern schmerzvoll meine Thermos-
flasche aufschraubte, sagte ich zu mir selbst: „Mach dir nichts vor!
Du hast mindestens noch zwei Sonntage zu tun. Im Anfang ging
es flotter, aber jetzt an den kleinen winkligen Ecken kommst du ja
überhaupt nicht mehr weiter." Am dritten Sonntag schien mir's,
daß ich das nächstemal bestimmt fertig werden müßte, es war
aber wieder nichts, ich kam kaum merklich vorwärts und war froh,
daß ich gegen abend wenigstens die vom Lack befreiten kantigen
Sitzlehnen in das Boot wieder einsetzen konnte. Eine Menge
Menschen standen dabei interessiert um mich herum, denn ich war
beinahe schon eine populäre Figur geworden. „Der Mann, der
sein Boot lackiert!" hörte ich ab und zu flüstern, und selbst aus
der weiteren Gegend kamen Paddler und Paddlerinnen herbei,
um mich bei meiner Arbeit zu besichtigen. Im Laufe der Zeit
wurde ich mit mehreren von ihnen ganz gut bekannt, zumal sie
mir in liebenswürdiger Weise kleine Stärkungen und Erfrischungen
anzubieten pflegten, ehe sie in ihr Boot stiegen, oder wenn sie
abends zurückkamen. Eines Tages sagte ich aber doch voll Stolz:
„Nächsten Sonntag wird lackiert!" und packte meine Schaber und
Spachtel zusammen. „Schon?" frug skeptisch ein tiefbraun ge-

Der Herr Professor

„Dumme Gesellschaft, was gibts da schon zum
lachen, wenn unsereins auch mal baden geht?"

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Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Motordefekt" "Der Herr Professor"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Mauder, Josef
Entstehungsdatum
um 1932
Entstehungsdatum (normiert)
1927 - 1937
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 176.1932, Nr. 4533, S. 375

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Erschließung

Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
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