Preisangabe: Preise 200 - Mark
Die „Fliegenden Blätter“ bringen jede zweite Woche für ihre Leser eine lustige Aufgabe,
deren beste Lösung mit KM 00.—, zweite mit KM 30.— und dritte mit KM 20.— belohnt
wird; außerdem kommen noch 30 Trostpreise in Büchern im Werte von je KM 3. an
weitere 30 Einsender von Lösungen zur Verteilung. Mit der Entscheidung durch die Schrift-
leitung erklärt sich jeder Teilnehmer einverstanden. Korrespondenzen können wegen der
Preisaufgaben nicht geführt, Einsendungen nicht zurückgeschickt werden.
Preisaufgabe 230: „Neisepoesie"
Reisen und Wandern befreit den geplagten Menschen aus den Fesseln des Alltags. Unter
wegs ist mancher ein ganz anderer als zu Lause, wo er vielleicht gebückt und unscheinbar eine
graue Straße entlang trottet; in der Fremde fühlt er sich frei und unabhängig, und in dieser
gehobenen Stimmung treibt es ihn, zum Füllhalter oder Bleistift zu greifen und ein paar
Verse zu stammeln. Fremdenbücher verdanken diesem Triebe manche Reimerei, Gestein oder
Bretterwände an bekannten Aussichtsstätten allerhand Kritzeleien, aber meist bleibt das Wollen
weit hinter dem Können zurück. Romantisches Schwärmen findet nur einen banalen, oft un-
freiwillig komischen Ausdruck, und dann fühlt sich ein später Gekommener gereizt, eine kleine
kritische Ergänzung anzuhängen. Davon gibt es ja so viele Beispiele.
In der Sächsischen Schweiz, nicht weit von Schandau, liegt der Kuhstall, eine natürliche
hohe Felshalle, die ihren Namen davon haben mag, daß dort während des dreißigjährigen
Krieges hin und wieder die Bauern ihr von herumstreifender Soldateska gefährdetes Vieh
unterstellten. Der Kuhstall ist wirklich schön, und deshalb schrieb einmal — es ist lange her;
in den siebziger Jahren mag es gewesen sein, der Großvater hat es uns erzählt - ein
schwärmerischer Tourist an die Felswand:
Ich Hab' ihn gesehn, ich Hab' ihn gesehn,
Ich habe den herrlichen Kuhstall gesehn!
Ein anderer aber, der das lächerlich fand, setzte darunter:
Ich habe gelesen, ich habe gelesen,
Daß hier ist ein Ochse im Kuhstall gewesen.
Dann aber kam gar ein dritter, dem beide Reimprodukte und ihr Zusammenhang nicht
gefielen, und er schrieb einfach und ohne Geist:
Ich habe gelesen, ich habe gelesen,
Daß hier sind zwei Ochsen im Kuhstall gewesen.
Damit bewies er freilich wenig Selbsterkenntnis, und vielleicht hätte ein vierter Wanderer
das zum Gegenstände eines Verschens gemacht, wenn nicht die Kritzeleien danit sortgewischt
worden wären.
Etwas Echtes, Vortreffliches bezeichnet der Berliner als „Kien", und darum schrieb ein
Berliner in das Fremdenalbum aus dem Kynast:
Die Aussicht hier ist reiner Kien!
Dies sagt ein Kenner, der Berlin
Selbst von des Kreuzbergs schroffen Löh'n
Im Nebel schöner nicht gesehn.
Aber selbst angesichts der schönsten Natur melden sich manchmal doch die heute so begreif-
lichen Sorgen, und so finden wir an der Wand eines Aussichtsturms bei Oliva, von dem aus
man auf die von Alexander von Lumboldt, der das ja wissen mußte, als einen der herrlichsten
Punkte der Erde gepriesene Danziger Bucht schaut, die Verse:
Lier ist eilt wahres Paradies!
Doch länger kann ich hier nicht sitzen.
Und wer das Paradies verließ.
Muß schuften, mühen sich und schwitzen.
Denken wir dann noch an jene schwärmende Auguste, die in ein Thüringer Fremdenbuch schrieb:
Unter diesen grünen Bäumen
Möcht' mein Leben ich verträumen. Auguste.
Aber ein realistisch Denkender setzte darunter:
Ansinn, Auguste!
Leiraten mußte!
And zum Schluß noch die keineswegs verbürgten, aber sehr gut möglichen Verse auf dem
Kickelhahn bei Ilmenau: Lier hat Goethe ausgedacht
Verse, welche Trübsal blasen.
Sowas Hab' ich auch gemacht.
Adam Buttgereit, Rogasen.
Wollen Sie uns auch ein Beispiel solcher Reisepoesie Mitteilen? Vielleicht haben Sie gerade
eine Reise gemacht, vielleicht sind Sie noch auf einer Wanderung begriffen, und am Ende haben
Sie bei solcher Gelegenheit selber etwas gedichtet, oder Sie hätten es doch tun können, und es fällt
Ihnen jetzt nachträglich ein — — nur her damit! Lustige Verse werden uns willkommen sein!
Einsendungen, denen keine anderen Mitteilungen beigesügt sein dürfen, bis I. September 1932
an Schriftleitung der Fliegenden Blätter (Preisaufgabe), München 27, Möhlstraße 34.—
Briefumschläge müssen die Aufschrift „Preisaufgabe" tragen. — Werden Lösungen mehrerer
Preisaufgaben zu einer Sendung vereinigt, so ist für jede ein besonderes Blatt mit Angabe
des Absenders zu verwenden. Entscheidung in Nummer 4548.
28
Ping-Pong
Drahtgitter davon ab und konnte
zeigen, wie von unsichtbarer Land
ein Knoten in dasTaschentuch geknüpft
wurde. Er will jetzt seine Experimente
in Amerika vorführen.
Wenn er ausder Bremen hinüber-
fährt, braucht er gar kein Taschentuch
mitzunehmen und kommt doch mit
25 Knoten hinüber.
Freilich-aber
Freilich: er gleicht nicht Apollen;
Dazu schleppt erzu viel Schmeer,
Und sein Antlitz, rund gequollen,
Ist so schrecklich ordinär.
Aber: groß ist sein Vermögen,
Ja, Las größte in der Stadt,
Und Respekt bringt ihm entgegen,
Wer mit ihm die Ehre hat.
Freilich: schlimm wirkt seine Glatze,
Grade» weil als Widerpart
An dem Kinne die Matratze
Bammelt, der fatale Bart.
Aber: als Geschäftsmann findet
Er Bewunderung der Welt;
Alles, sagt man, was er gründet,
Bringt ihm Riesenströme Geld.
Freilich: ihm fehlt's an Manieren:
Er hat keine Spur von Takt:
Scherze, die ihn amüsieren,
Sind nur roh und abgeschmackt.
Aber: seine Villa, mitten
Im feudalen Park, ist doch
Rings die schönste unbestritten.
Auch ein Landgut hat er noch.
Freilich: er will gar nicht wissen.
Wie man auch das Schöne such':
Nie hat Kunst ihn hingerissen,
Niemals liest er wohl ein Buch.
Aber: dieser Luxuswagen-
Ach, wer darin fahren kann!
Jedes Jahr, hört' ich ihn sagen,
Schafft er einen neuen an.
Freilich: an die Fünfzig ist er.
Ich bin zwanzig Jahre kaum.
Die „Fliegenden Blätter“ bringen jede zweite Woche für ihre Leser eine lustige Aufgabe,
deren beste Lösung mit KM 00.—, zweite mit KM 30.— und dritte mit KM 20.— belohnt
wird; außerdem kommen noch 30 Trostpreise in Büchern im Werte von je KM 3. an
weitere 30 Einsender von Lösungen zur Verteilung. Mit der Entscheidung durch die Schrift-
leitung erklärt sich jeder Teilnehmer einverstanden. Korrespondenzen können wegen der
Preisaufgaben nicht geführt, Einsendungen nicht zurückgeschickt werden.
Preisaufgabe 230: „Neisepoesie"
Reisen und Wandern befreit den geplagten Menschen aus den Fesseln des Alltags. Unter
wegs ist mancher ein ganz anderer als zu Lause, wo er vielleicht gebückt und unscheinbar eine
graue Straße entlang trottet; in der Fremde fühlt er sich frei und unabhängig, und in dieser
gehobenen Stimmung treibt es ihn, zum Füllhalter oder Bleistift zu greifen und ein paar
Verse zu stammeln. Fremdenbücher verdanken diesem Triebe manche Reimerei, Gestein oder
Bretterwände an bekannten Aussichtsstätten allerhand Kritzeleien, aber meist bleibt das Wollen
weit hinter dem Können zurück. Romantisches Schwärmen findet nur einen banalen, oft un-
freiwillig komischen Ausdruck, und dann fühlt sich ein später Gekommener gereizt, eine kleine
kritische Ergänzung anzuhängen. Davon gibt es ja so viele Beispiele.
In der Sächsischen Schweiz, nicht weit von Schandau, liegt der Kuhstall, eine natürliche
hohe Felshalle, die ihren Namen davon haben mag, daß dort während des dreißigjährigen
Krieges hin und wieder die Bauern ihr von herumstreifender Soldateska gefährdetes Vieh
unterstellten. Der Kuhstall ist wirklich schön, und deshalb schrieb einmal — es ist lange her;
in den siebziger Jahren mag es gewesen sein, der Großvater hat es uns erzählt - ein
schwärmerischer Tourist an die Felswand:
Ich Hab' ihn gesehn, ich Hab' ihn gesehn,
Ich habe den herrlichen Kuhstall gesehn!
Ein anderer aber, der das lächerlich fand, setzte darunter:
Ich habe gelesen, ich habe gelesen,
Daß hier ist ein Ochse im Kuhstall gewesen.
Dann aber kam gar ein dritter, dem beide Reimprodukte und ihr Zusammenhang nicht
gefielen, und er schrieb einfach und ohne Geist:
Ich habe gelesen, ich habe gelesen,
Daß hier sind zwei Ochsen im Kuhstall gewesen.
Damit bewies er freilich wenig Selbsterkenntnis, und vielleicht hätte ein vierter Wanderer
das zum Gegenstände eines Verschens gemacht, wenn nicht die Kritzeleien danit sortgewischt
worden wären.
Etwas Echtes, Vortreffliches bezeichnet der Berliner als „Kien", und darum schrieb ein
Berliner in das Fremdenalbum aus dem Kynast:
Die Aussicht hier ist reiner Kien!
Dies sagt ein Kenner, der Berlin
Selbst von des Kreuzbergs schroffen Löh'n
Im Nebel schöner nicht gesehn.
Aber selbst angesichts der schönsten Natur melden sich manchmal doch die heute so begreif-
lichen Sorgen, und so finden wir an der Wand eines Aussichtsturms bei Oliva, von dem aus
man auf die von Alexander von Lumboldt, der das ja wissen mußte, als einen der herrlichsten
Punkte der Erde gepriesene Danziger Bucht schaut, die Verse:
Lier ist eilt wahres Paradies!
Doch länger kann ich hier nicht sitzen.
Und wer das Paradies verließ.
Muß schuften, mühen sich und schwitzen.
Denken wir dann noch an jene schwärmende Auguste, die in ein Thüringer Fremdenbuch schrieb:
Unter diesen grünen Bäumen
Möcht' mein Leben ich verträumen. Auguste.
Aber ein realistisch Denkender setzte darunter:
Ansinn, Auguste!
Leiraten mußte!
And zum Schluß noch die keineswegs verbürgten, aber sehr gut möglichen Verse auf dem
Kickelhahn bei Ilmenau: Lier hat Goethe ausgedacht
Verse, welche Trübsal blasen.
Sowas Hab' ich auch gemacht.
Adam Buttgereit, Rogasen.
Wollen Sie uns auch ein Beispiel solcher Reisepoesie Mitteilen? Vielleicht haben Sie gerade
eine Reise gemacht, vielleicht sind Sie noch auf einer Wanderung begriffen, und am Ende haben
Sie bei solcher Gelegenheit selber etwas gedichtet, oder Sie hätten es doch tun können, und es fällt
Ihnen jetzt nachträglich ein — — nur her damit! Lustige Verse werden uns willkommen sein!
Einsendungen, denen keine anderen Mitteilungen beigesügt sein dürfen, bis I. September 1932
an Schriftleitung der Fliegenden Blätter (Preisaufgabe), München 27, Möhlstraße 34.—
Briefumschläge müssen die Aufschrift „Preisaufgabe" tragen. — Werden Lösungen mehrerer
Preisaufgaben zu einer Sendung vereinigt, so ist für jede ein besonderes Blatt mit Angabe
des Absenders zu verwenden. Entscheidung in Nummer 4548.
28
Ping-Pong
Drahtgitter davon ab und konnte
zeigen, wie von unsichtbarer Land
ein Knoten in dasTaschentuch geknüpft
wurde. Er will jetzt seine Experimente
in Amerika vorführen.
Wenn er ausder Bremen hinüber-
fährt, braucht er gar kein Taschentuch
mitzunehmen und kommt doch mit
25 Knoten hinüber.
Freilich-aber
Freilich: er gleicht nicht Apollen;
Dazu schleppt erzu viel Schmeer,
Und sein Antlitz, rund gequollen,
Ist so schrecklich ordinär.
Aber: groß ist sein Vermögen,
Ja, Las größte in der Stadt,
Und Respekt bringt ihm entgegen,
Wer mit ihm die Ehre hat.
Freilich: schlimm wirkt seine Glatze,
Grade» weil als Widerpart
An dem Kinne die Matratze
Bammelt, der fatale Bart.
Aber: als Geschäftsmann findet
Er Bewunderung der Welt;
Alles, sagt man, was er gründet,
Bringt ihm Riesenströme Geld.
Freilich: ihm fehlt's an Manieren:
Er hat keine Spur von Takt:
Scherze, die ihn amüsieren,
Sind nur roh und abgeschmackt.
Aber: seine Villa, mitten
Im feudalen Park, ist doch
Rings die schönste unbestritten.
Auch ein Landgut hat er noch.
Freilich: er will gar nicht wissen.
Wie man auch das Schöne such':
Nie hat Kunst ihn hingerissen,
Niemals liest er wohl ein Buch.
Aber: dieser Luxuswagen-
Ach, wer darin fahren kann!
Jedes Jahr, hört' ich ihn sagen,
Schafft er einen neuen an.
Freilich: an die Fünfzig ist er.
Ich bin zwanzig Jahre kaum.
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Freilich - - aber"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Entstehungsdatum
um 1932
Entstehungsdatum (normiert)
1927 - 1937
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 177.1932, Nr. 4537, S. 28
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg