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„Welch' ein kolossal langer Matrose! Ist das der neue Ozeanriese,
von dem heute in der Zeitung stand, Vater?"

Der Mann ohne Post

Zum mindesten müssen doch Mahnungen eingelaufen sein." And
kein Essen und Trank schmeckte ihm, auch nicht die Zigarren, die
er zur Beruhigung rauchte.

Am Freitag machte der Postagent, der nun den Lerrn
Äoppensack schon gut kannte, wieder ein bedauerndes Gesicht,
und darauf sprach Loppensack zwei Sätze aus, die im Zusammen-
hang nur als blödsinnig oder als gespenstisch gedeutet werden
konnten. Loppensack sagte: „Der Mann muß tot sein. Ich werde
ihm telegraphieren." Das machte er auch sofort, und eigentlich
hätte er es schon längst tun sollen. Sehr schnell müßte es gehen,
sagte er dem Postagenten, und dieser meinte, das könnte es auch,
denn bis Berlin wäre es ja nicht weit. Der Mann war eben nur
Postagent und über das Wesen der Telegraphie nicht eingehend
unterrichtet.

Aber er hatte recht gehabt. Loppensack saß noch beim Mittag-
essen, da kam schon ein Telegramm für ihn. Er riß es auf, blickte
eine Sekunde darauf — und dann haute er sich vor den Kopf,
daß es wie eine Ohrfeige klatschte. Er zog seine Börse heraus,
einen großen Behälter mit vielen Fächern, und aus einem davon,
das wohl diese Sonderbestimmung hatte, holte er einen kleinen
Schlüssel, den er auf den Tisch feuerte. „Da — der Schlüssel zu
meinem Postfach! Ich habe ihn ganz in Gedanken behalten. So
ein Rindvieh! Meinen jungen Mann meine ich; der Schafskopf
hätte mir das doch gleich auf einer Postkarte mitteilen können.
Aber nein — gefreut hat er sich natürlich, daß er nichts zu tun
brauchte. Ich werde ihm mal was geigen. Jetzt gleich — in dem
Brief, in dem ich ihm den Schlüssel schicke." ■

Loppensack kaufte sich einen besonders dicken Briefumschlag,
schrieb einige jedenfalls sehr leidenschaftliche Schmähungen nieder
und schickte sie mit dem Schlüssel ab. „Ra, bis Sonntag muß ich
nun noch warten", meinte er dann etwas erleichtert. „Aber dann
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wird's ja klappen, dann wird der ganze Mist auf einmal
kommen. Ausgerechnet zum Sonntag!"

Das anerkennenswerter Weise auch am Sonntag er-
scheinende Postauto stellte sich ein, aber es brachte keinen
Mist mit, wenigstens nicht für Loppensack. Er tobte; er wolle
die Staatsanwaltschaft gegen seinen jungen Mann mobil
machen und ihn vor das Gericht zerren lassen. Oder nein:
er wollte einen Stock nehmen und ihn verhauen, was ja
die Gerichte nicht tun, wenn es auch in manchen Fällen
sehr angebracht wäre.

Endlich wurde an Loppensack, der mit seinen Klagen
viel Interesse erregte, was aber in diesem Fall nicht mit
Teilnahme übersetzt werden kann, die Frage gerichtet:
„Wie haben Sie denn den Brief adressiert?"

„Wie soll ich ihn adressiert haben? Wie alle Briefe
an mein Geschäft: Lorenz Äoppensack, Berlin — —"
Äoppensack unterbrach sich. „Limmeldonnerwetter! Da soll
doch gleich der Deiwel dreinschlagen! Jetzt liegt der Brief
mit dem Schlüssel natürlich auch in dem verdammten
Postfach!"

And dann ging Loppensack und packte seinen Koffer.

Personalunion in Mieshagen

Schniepels stiegen in Kleinmieshagen aus der Lokal-
bahn, um das dort in der Nähe gelegene kleine Moorbad
Buschheide aufzusuchen. Auf dem sonnigen Bahnsteig war
niemand als der Stationsvorsteher mit der rot-roten Mütze
und der Schaffner, der das Gepäck in den Stalionssand
zerrte. Dann schaukelte der Zug weiter.

Schniepel richtete sich straff auf und rief: „Äerr Vor-
sicher, wo ist das Auto vom Kurhaus, und gibt es hier
keinen Gepäckträger?"

„Einen Augenblick," sagte der und verschwand hinter
dem Stationshäuschen. Gleich darauf kam um die andre
Äausecke ein Mann mit einer Gepäckträgermütze, lud die Koffer
wortlos auf einen Landwagen und fuhr, ohne zu fragen, los.

„Nanu," sagte Schniepel, „ist denn das nicht derselbe Mann?
Guck doch mal genau hin, Amalie, er hat sich nur ne andre
Mütze aufgestülpt."

Fünf Minuten wunderten sie hinter dem Karren drein, bis
zu einem Wirtshaus an der Landstraße. Da stand ein Wägelchen,
und das Pferd davor knabberte verträumt an einer Taxushecke.
Der Gepäckträger lud seine Fracht in das Wägelchen ab.

Der Mann verlangte 5 Mark, nahm sie in Empfang und
entfernte sich in das Wirtshausinnere.

„Zum Donnerwetter, schicken Sie mir den Kutscher her!"
rief Schniepel aufgebracht.

„Sofort I"

Eine Minute danach trat der Kutscher aus dem Laus. Er
trug eine blaue Lotelmütze. Daraus stand: Kurhaus.

Schniepel fuhr sich mit der Land über die Augen.

„Der Schlag soll mich treffen, Amalie," sagte er, „wenn das
nicht wieder der Stationsvorsteher ist."

Das Wägelchen schuckelte eine halbe Stunde durch grüne
Wiesen. Am Kurhaus machte es Lalt. Wieder verlangte der
Mann Geld. Diesmal 10 Mark.

Frau Schniepel stieß den Gatten in die Seite. „Zu teuer!"
hieß das. „Warte nur," raunte Schniepel, „ich kriege den Kerl schon."

„Kutscher," fuhr er dann freundlich fort, „nicht wahr, Ge-
päck- und Personenbeförderung sind hier bahnamtlich?"

„Jawohl."

„And die maßgebende Persönlichkeit ist der Stationsvorsteher?"

„Gewiß."

„Gut, dann fahren Sie mich sofort zur Station zurück. Ich
will mich beim Vorsteher über die Preise des Gepäckträgers und
des Kutschers beschweren." Kong
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Welch' ein kolossal langer Matrose!"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Claus, Martin
Entstehungsdatum
um 1932
Entstehungsdatum (normiert)
1927 - 1937
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Fliegende Blätter, 177.1932, Nr. 4542, S. 110
 
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