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Bockelbergs merlwürdtgcs Benehmen

Denn jetzt kann ich Bockelberg wirklich nicht mehr für zurech-
nungsfähig ansehen; er ist ein bedauernswerter Geisteskranker,
boshaft, aber weiter nicht gefährlich. Jedenfalls brauche ich mich
nicht mehr über die mir widerfahrene Behandlung zu ärgern; es
war gar keine Kränkung, denn ein Irrsinniger kann einen nicht
kränken. Angehörig hat sich freilich die Laushälterin benommen;
sie hätte mich über die Verrücktheit ihres Lerrn belehren müssen.

Lustig komme ich an diesem Tage nach Lause und setze mich
mit einem Buch ans Fenster. Da, nach sechs Ahr, schrillt ein
trillernder Pfiff über den Platz. Ich sehe hinaus: Bockelberg
steht aus seiner Altane und winkt. Aber nicht mit der Land, son-
dern mit einem Gegenstand, den er in der Rechten hält. Es ist
ein dunkelfarbiger, langer Gegenstand, in dem ich zuerst eine Lunde-
peitsche vermute, mit der mir der verrückte Oberforstrat drohen
will. Aber nein — dazu ist der Gegenstand zu dick. Ich spähe
so scharf hin, wie es mir möglich ist: Nanu, das ist ja eine
Schlange! Eine leblose allerdings, denn sie windet sich nicht. Der
Oberforstrat mag sie mal im Walde erlegt haben und ausstopfen
lassen. Aber was soll das? Warum zeigt mir der Wahnsinnige
eine Schlange? Will er damit auf meinen Versuch eines Besuches
anspielen? Soll das heißen, daß ihm Besucher wie, Schlangen Vor-
kommen, die sich an seinem Busen nähren wollen? Ich hatte wahr-
haftig nicht den Wunsch gehabt, bei ihm zu einer Mahlzeit zu bleiben.

Schluß! Mit Wahnsinnigen soll man sich nicht cinlassen. Ich
schmeiße das Fenster zu, daß die Scheiben beinahe kaputt gehen,
und ziehe den Vorhang zu. Aber dann spähe ich doch hinaus:
Aha, Bockelberg verschwindet mit seiner Schlange. So, jetzt wird
er wohl Ruhe geben. Wenn man sich um die Lerausforderuugen
eines Wahnsinnigen gar nicht kümmert, wird man ihm langweilig;
dann läßt er einen in Ruhe.

Das war gestern abend. Aber heute früh-o weh, o

weh! Einen entsetzlichen Schrecken habe ich gehabt. Stelle dir

vor: Erquickt nach einem sorglosen Schlummer treteich an mein
Fenster, da erscheint auch Bockelberg. Wieder hält er was in

der Land, aber keine Lundepeitsche oder Schlange-nein,

eine Flinte hat der Wahnsinnige. Er schwenkt sie, er legt die
Waffe an, zunächst spielerisch gegen den Limmel sie richtend,
aber gleich wird er sie senken, um Rache zu nehmen für die
gestern seiner Schlange bewiesene Nichtachtung, gegen mein
Fenster wird er sie senke» — — aber ehe es soweit ist, habe ich
mich schon zu Boden geworfen und Deckung hinter der Mauer
gesucht. Eine ganze Viertelstunde habe ich da gelegen. Als ich
dann mit äußerster Vorsicht hinausschiele, ist der entsetzliche
Oberforstrat verschwunden. Es hat ihm wohl zu lange gedauert,
auf das Ziel seiner Mordlust zu warten — — Wahnsinnige
haben ja wenig Geduld.

Jetzt muß gehandelt werden! sage ich mir, mache mich schnell
fertig und laufe auf das zuständige Revieramt der Polizei, wo
mich ein sehr liebenswürdiger, außerordentlich um das Wohl
aller Bewohner des Viertels besorgter Polizeileutnant empfängt
— aller jener Bewohner wenigstens, die nichts Böses anstellen.
„Lerr Polizeileutnant," sage ich, „am Baltischen Platz wohnt
der Oberforstrat a. D. Bockelberg. Der alte Lerr ist leider wahn-
sinnig. Erst schien er mir harmlos, aber heute hat er sich gemein-
gefährlich gezeigt. Ich wohne ihm nämlich gegenüber. Erst hat
er nur Schindluder mit mir gespielt, indem er mit freundlichem
Winken mich dazu verführte, bei ihm Besuch zu machen, dann
aber in der schimpflichsten Art von seiner Tür weisen ließ. Dann
hat er mir mit einer Schlange gedroht-"

„Nanu, mit einer Giftschlange?" fragt der Polizeileutnant.

„Das weiß ich nicht. Aber, wenn es auch eine Giftschlange
gewesen wäre, dann hätte es auch nichts geinacht, denn die Bestie
lebte nicht mehr. Ich erwähne die Schlange auch nur als Bei-
spiel von Bockelbergs Verrücktheit. Leute aber hat er ein Gewehr
gehabt, und ich habe Deckung suchen müssen. Das darf doch nicht

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