„So, mein Junge, hier hast du eine sehr gute silberne Taschen-
uhrl Damit du anständig damit umgehst, hast du hier noch
eine für eine Mark suffzig — die kannst du auseinanderpolken."
An Getrösteter
es ist seine Schuld. Er hätte es ja besser haben können, wenn er
entschlossener gewesen wäre und damals, vor fast zwanzig Jahren,
die muntere Lulda um ihre durchaus entgegenkommend ausge-
streckte Land gebeten hätte. Doch er hat sich nicht getraut, und
ein halbes Jahr später hat sie der Vetter Albert, der das Glück
hatte, als Braut heimgeführt. Ja, das sind quälende Gedanken;
sie nagen wie Würmer am bekümmerten Lerzen, und Knollert
möchte beinahe weinen.
Da klingelt der Fernsprecher. Mühsam erhebtsich Knollert, flucht
vor Schmerzen und schlorrt an den
Apparat. „Ja, was ist denn los?"
Ah, der Vetter Albert meldet sich.
„Fröhliche Weihnacht, lieber Vetter!
Warum bist du nicht zu uns gekommen?
Wie geht's dir denn?"
„Dreckig geht's mir. Rheumatismus
Hab ich zum Brüllen, und dabei bin ich
ganz allein; meiner Auguste Hab ich Ur-
laub geben müssen," jammert Knollert.
„Ich kann dir sagen: solch einen Weih-
nachtsabend Hab ich noch nie gehabt.
Aber was macht ihr denn?"
„O, bei uns ist allerhand los. Lulda
ist böse — ich Habs mit dem Weihnachts-
geschenk nicht getroffen. Unsere Lore
heult, weil der Referendar, den wir ein-
geladen hatten, abgeschrieben hat. Fritz
hat vorhin mit der Windbüchse, die er
durchaus haben mußte, den Papagei
erschossen, den wir von Tante Brigitte
gekriegt haben. Aus Versehen natür-
lich, aber Tante Brigitte hat uns doch
allesamt verflucht und ist abgezogen.
Und die Köchin hat eben das halbe Ge-
schirr fallen lassen; wahrscheinlich ist sie
nicht zufrieden gewesen, und dabei hat
sie doch Stoff zu einem Kleide und noch
20 Mark bar gekriegt. And wegen Läns-
chen, der schon die Lälfte von seinem
bunten Teller aufgefressen hat, werde
ich wohl den Arzt rufen müssen. Ich
kann dir sagen: solch einen Weihnachts-
388
Weihnachtsbescherung bei Artisten
abend habe ich noch nie gehabt. Na, dann
also gute Besserung, mein Lieber!"
„Schon geschehen!" ruft da Knollert
zurück. „Schon geschehen!" And dann
springt er ohne Rücksicht auf seinen Rheu-
matismus ans Büffet und holt sich, gleich-
falls ohne Rücksicht auf jenes Leiden, eine
Flasche mit gutem alten Portwein. Und
das erste Glas trinkt er auf das Wohl des
guten Vetters Albert, der ihm so schönen
Trost gespendet hat. Gedanenns
Kleine Weihnachtsgeschichten
Von Peter Robinson
Wenn Lappes könnten, wie sie möchten
o, da würden sie ihrem Einzigen, dem
leider sehr verzogenen elfjährigen Lerbert,
alles schenken, was er sich wünscht. Ja, da
würde ein Gebirge von Geschenken nicht
unter dem Weihnachtsbaum liegen, sondern
ihn umtürmen. Aber in diesem Jahre kön-
nen auch Lappes nicht mehr so, wie sie gern
möchten, und wenn man auch noch ganz nett eingekauft hat —
manches, was Lerbertchen kühn verlangend ausgeschrieben hat, ist
doch zum Kummer der weichen Mutter von dem etwas härteren
Vater abgelehnt worden. „Nee, Betty, allzu verrückt wollen wir
denn doch nicht sein!" hat Bruno Lappe gesagt. And natürlich hat
der Mann damit recht.
Immerhin kriegt der Junge noch genug. Frau Betty hat alles
hübsch aufgebaut und meint: „Er wird schon zufrieden sein. Bloß
seinen Wunschzettel werde ich jetzt verbrennen. Dann merkt er
am Ende gar nicht, daß allerlei fehlt."
Aber der Gatte belehrt sie: „Du hast
'ne Ahnung! Sieh dir doch das Papier
an-der Bengel hat ja mit Durch-
schlag geschrieben."
Mauschulz kommt gerade aus einer
Leihbibliothek, als er auf Zange stößt.
„Ah, bildungsbeflissen?" meckert Zange.
„Lab ich doch nicht nötig," brummt
Mauschulz. „Aber meine Frau hat sich
zu Weihnachten ein schönes Buch ge-
wünscht."
„Nanu? Doch nicht aus einer Leih-
bibliothek?"
„Das gerade nicht, aber so ist die
Sache am einfachsten: sie tauscht ja doch
immer alles zehnmal um, was sie kriegt."
Eine Stunde vor der Bescherung
macht Frau Dippel, die gute Mutter,
die bunten Teller mit den Süßigkeiten
zurecht: einen für Mäxchen, einen für
Lenchen, einen für Rudichen-und
außerdem eine große, eine ganz große
Schüssel für das Elternpaar.
Darüber wundert sich Lerr Dippel.
„Aber Berta — warum müssen wir denn
solch einen Laufen von dem Kram
haben?"
„Aber Papachen — die Kinderchen
nehmen doch immer heimlich davon, da-
mit ihres nicht so schnell alle wird."
uhrl Damit du anständig damit umgehst, hast du hier noch
eine für eine Mark suffzig — die kannst du auseinanderpolken."
An Getrösteter
es ist seine Schuld. Er hätte es ja besser haben können, wenn er
entschlossener gewesen wäre und damals, vor fast zwanzig Jahren,
die muntere Lulda um ihre durchaus entgegenkommend ausge-
streckte Land gebeten hätte. Doch er hat sich nicht getraut, und
ein halbes Jahr später hat sie der Vetter Albert, der das Glück
hatte, als Braut heimgeführt. Ja, das sind quälende Gedanken;
sie nagen wie Würmer am bekümmerten Lerzen, und Knollert
möchte beinahe weinen.
Da klingelt der Fernsprecher. Mühsam erhebtsich Knollert, flucht
vor Schmerzen und schlorrt an den
Apparat. „Ja, was ist denn los?"
Ah, der Vetter Albert meldet sich.
„Fröhliche Weihnacht, lieber Vetter!
Warum bist du nicht zu uns gekommen?
Wie geht's dir denn?"
„Dreckig geht's mir. Rheumatismus
Hab ich zum Brüllen, und dabei bin ich
ganz allein; meiner Auguste Hab ich Ur-
laub geben müssen," jammert Knollert.
„Ich kann dir sagen: solch einen Weih-
nachtsabend Hab ich noch nie gehabt.
Aber was macht ihr denn?"
„O, bei uns ist allerhand los. Lulda
ist böse — ich Habs mit dem Weihnachts-
geschenk nicht getroffen. Unsere Lore
heult, weil der Referendar, den wir ein-
geladen hatten, abgeschrieben hat. Fritz
hat vorhin mit der Windbüchse, die er
durchaus haben mußte, den Papagei
erschossen, den wir von Tante Brigitte
gekriegt haben. Aus Versehen natür-
lich, aber Tante Brigitte hat uns doch
allesamt verflucht und ist abgezogen.
Und die Köchin hat eben das halbe Ge-
schirr fallen lassen; wahrscheinlich ist sie
nicht zufrieden gewesen, und dabei hat
sie doch Stoff zu einem Kleide und noch
20 Mark bar gekriegt. And wegen Läns-
chen, der schon die Lälfte von seinem
bunten Teller aufgefressen hat, werde
ich wohl den Arzt rufen müssen. Ich
kann dir sagen: solch einen Weihnachts-
388
Weihnachtsbescherung bei Artisten
abend habe ich noch nie gehabt. Na, dann
also gute Besserung, mein Lieber!"
„Schon geschehen!" ruft da Knollert
zurück. „Schon geschehen!" And dann
springt er ohne Rücksicht auf seinen Rheu-
matismus ans Büffet und holt sich, gleich-
falls ohne Rücksicht auf jenes Leiden, eine
Flasche mit gutem alten Portwein. Und
das erste Glas trinkt er auf das Wohl des
guten Vetters Albert, der ihm so schönen
Trost gespendet hat. Gedanenns
Kleine Weihnachtsgeschichten
Von Peter Robinson
Wenn Lappes könnten, wie sie möchten
o, da würden sie ihrem Einzigen, dem
leider sehr verzogenen elfjährigen Lerbert,
alles schenken, was er sich wünscht. Ja, da
würde ein Gebirge von Geschenken nicht
unter dem Weihnachtsbaum liegen, sondern
ihn umtürmen. Aber in diesem Jahre kön-
nen auch Lappes nicht mehr so, wie sie gern
möchten, und wenn man auch noch ganz nett eingekauft hat —
manches, was Lerbertchen kühn verlangend ausgeschrieben hat, ist
doch zum Kummer der weichen Mutter von dem etwas härteren
Vater abgelehnt worden. „Nee, Betty, allzu verrückt wollen wir
denn doch nicht sein!" hat Bruno Lappe gesagt. And natürlich hat
der Mann damit recht.
Immerhin kriegt der Junge noch genug. Frau Betty hat alles
hübsch aufgebaut und meint: „Er wird schon zufrieden sein. Bloß
seinen Wunschzettel werde ich jetzt verbrennen. Dann merkt er
am Ende gar nicht, daß allerlei fehlt."
Aber der Gatte belehrt sie: „Du hast
'ne Ahnung! Sieh dir doch das Papier
an-der Bengel hat ja mit Durch-
schlag geschrieben."
Mauschulz kommt gerade aus einer
Leihbibliothek, als er auf Zange stößt.
„Ah, bildungsbeflissen?" meckert Zange.
„Lab ich doch nicht nötig," brummt
Mauschulz. „Aber meine Frau hat sich
zu Weihnachten ein schönes Buch ge-
wünscht."
„Nanu? Doch nicht aus einer Leih-
bibliothek?"
„Das gerade nicht, aber so ist die
Sache am einfachsten: sie tauscht ja doch
immer alles zehnmal um, was sie kriegt."
Eine Stunde vor der Bescherung
macht Frau Dippel, die gute Mutter,
die bunten Teller mit den Süßigkeiten
zurecht: einen für Mäxchen, einen für
Lenchen, einen für Rudichen-und
außerdem eine große, eine ganz große
Schüssel für das Elternpaar.
Darüber wundert sich Lerr Dippel.
„Aber Berta — warum müssen wir denn
solch einen Laufen von dem Kram
haben?"
„Aber Papachen — die Kinderchen
nehmen doch immer heimlich davon, da-
mit ihres nicht so schnell alle wird."
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"So, mein Junge, hier hast du eine sehr gute silberne Taschenuhr!" "Weihnachtsbescherung bei Artisten"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1932
Entstehungsdatum (normiert)
1927 - 1937
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 177.1932, Nr. 4560, S. 388
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg