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Ein Weihnachtsgast

Von Peter Robinson

Schon im November hatte der alte
Lorenz Pahmel zu seinem Freunde, dem
Direktor Zeidler, gesagt: „Zum Weih-
nachtsabend mußt du mir einen Gast
mitbringen, dem ich einen frohen Abend
bereiten kann, einen von den Gebildeten
unter deinen Pensionären. Am besten
einen, der vor der Entlassung steht.

Dem kann dann der Weihnachtsabend
bei mir doch etwas ausrichtende Freude
geben und das Vertrauen auf verstehen-
de Mitmenschen, das er bei seinem
Wiedereintritt in die menschliche Ge-
sellschaft doch recht nötig haben wird/'

Der alte Pahmel war also, wie
hieraus zu entnehmen, Menschenfreund
mit praktischer Betätigung. In der
kleinen Stadt, die ihn als einen ihrer
wohlhabenden Bürger schätzte, spielte
er eine bedeutende Rolle als Förderer
der verschiedenen, leider so notwendigen,
aber meist ungenügenden Wohlfahrts-
einrichtungen, aber lieber waren ihm
noch die allein von ihm aufgespürten
Einzelfälle, und er hatte auch schon
hübsche Erfolge erzielt bei Trunken-
bolden, Lühnerdieben und anderen leicht
entgleisten Leuten. Sein Freund Zeidler
war der Direktor des wichtigsten Staats-
instituts im Städtchen, der Provinzial-
Strafanstalt, deren Insassen er, wie
schon angedeutet, seine Pensionäre zu
nennen pflegte. And von diesen Pen-
sionären nun hatte sich Pahmel einen
als Weihnachtsgast erbeten, zwecks
philanthropischer Behandlung. Zeidler
aber hatte sich nicht darauf einlassen
wollen; er als Direktor könnte doch nicht
einfach einen der Kerle sich herausholen und einen Weihnachtsaus-
flug mit ihm machen, hatte er gemeint. Pahmel hatte das nicht
einsehen wollen; er hatte sein Anliegen noch einige Male wieder-
holt, und noch am 23. Dezember rief er Zeidler an und erkundigte
sich dringend, ob seine Haushälterin nicht doch ein Weihnachts-
essen für drei Leute bereit halten sollte. Er war ordentlich böse,
als der Direktor auf sein Versprechen strengster Diskretion ihm
entgegnete, ob er denn den gewünschten Patron etwa heimlich in
der Tasche aus der Anstalt hinausbringen sollte; nun könnte er
sich gar nicht aus das Weihnachtsfest freuen, meinte er.

Am Vormittag des 24. Dezember nun erhielt der Direktor
Zeidler den Besuch eines jüngeren Herrn namens Oskar Klappe,
der sein an diesem schon fast festlichen Tage nicht mehr recht an-
gebrachtes Erscheinen mit einer durch einen Schaden an seinem
Wagen begründeten Verspätung entschuldigte. Klappe fuhr näm-
lich mit einem Kleinauto in der Provinz herum, als Vertreter
einer Fouragehandlung, die auch an das Staatspensionat Zeidlers
lieferte, hauptsächlich Erbsen. Die letzte Erbsenlieferung war von
der Anstaltsküche beanstandet worden; Klappe kam, die Sache in
Ordnung zu bringen, versicherte erst, bessere Erbsen hätten sogar
im Paradiese nicht wachsen können, gab dann nach Prüfung zu,
sie hätten vielleicht durch schlechtes Lagern doch etwas von ihrer
ursprünglich paradiesischen Beschaffenheit verloren, und war end-
lich, wenn auch mit einigem Seufzen, mit einem Amtausch einver-
standen. Dann, schon im Ausbrechen dem Herrn Direktor ein ange-
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nehmes Fest wünschend, gestattete er
sich noch, jetzt nicht Geschäfts-, sondern
Privatmann, zu erwähnen, daß er selber
die Weihnachtstage auch hier im Städt-
chen verbringen werde,da starker Schnee-
fall eingesetzt habe, und er sich deshalb
mit seiner maroden Karre nicht weiter
traue. Aber er habe ja nichts zu ver-
säumen während der Feiertage, sei auch
ein ganz alleinstehender Mann, und so
werde er sich einfach im Gasthof einen
tüchtigen Punsch brauen lassen und
dann mal gehörig ausschlafen — rund
um die Ahr!

Oskar Klappe sagte das wirklich
ganz ohne Absicht, nur, um nach seiner
Erbsenniederlage einen gefälligen Ab-
schied zu finden, aber der Direktor Zeid-
ler hatte dabei einen Einfall: er lud
Klappe für den Abend ein. „Ich bin
bei einem alten Freunde, der gern noch
einen weiteren Gast sehen wird," er-
klärte er, und Klappe sagte mit Ver-
gnügen zu. Er fühle sich außerordentlich
geehrt, versicherte er.

Darauf rief Zeidler den alten Pah-
mel an: „Höre mal — ich möchte dir
heute abend einen Gast mitbringen."

„Also doch!" frohlockte der Philan-
throp. „Was für ein Mensch ist es?
Weshalb sitzt er? Wie lange hat er?
Wann wird er entlassen?"

Aber die Entgegnung kam: „Du
irrst dich! Ich habe dir doch gesagt, daß
ich sowas nicht mache, und dabei bleibt
es. Wenn ich dir nun heute einen net-
ten jungen Mann mitbringe, der durch
ein Mißgeschick hier festgehalten wird,
und dem ich einen angenehmen Weih-
nachtsabend bereiten möchte, dann
darfst du ja nicht denken, es sei einer
von meinen Pensionären."

„Aha, ich versiehe! Keine Sorge, ich werde den Schein
wahren."

„Ansinn! Von Schein kann keine Rede sein."

„Gut, ich sage ja nichts mehr. Rur eine Frage noch: Da es
sich um einen Weihnachtsgast handelt, möchte ich ihm ein kleines
Präsent bereit halten — raucht er?"

„Ich nehme es an. In meiner Gegenwart hat er allerdings
noch nie geraucht."

„Laha, natürlich nicht! Das wäre ja noch schöner, wenn in

Gegenwart des Direktors einer von den-ja, ich schweige

schon. Aber jedenfalls danke ich dir für die Freude, die du mir
mit dem Gaste machst."

Lorenz Pahmel war entzückt. Er war vollkommen überzeugt,
daß Zeidler ihm einen seiner eingesperrten Vögel mitbringen
werde, und nahm sich vor, Scharfsinn aufzubieten und die Natur
des Vogels und die Amstände, die ihn in den Käfig gebracht
hatten, zu ergründen. Aber ohne daß der mit Liebe und Güte
zu behandelnde Vogel das spürte, denn scheu durfte er nicht
werden.

Oskar Klappe führte sich weltmännisch ein. „Ich schätze den
Vorzug, hier erscheinen zu dürfen. Der Herr Direktor war so
gütig, mich mitzunehmen; sein freundliches Zureden ermutigte
mich, und nun bin ich glücklich, daß ich hier gegen meinen Willen
festgehalten worden bin."

„Dein Weihnachtsbaum ist großartig, Eusebius!
Aber warum hast du die oberen Kerzenflammen
so zackig gemacht?"

„Schafskopf! Wegen des Luftzugs-weil

doch von den unteren Wärme aufsteigt."
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Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Dein Weihnachtsbaum ist großartig, Eusebius!"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Croissant, Eugen
Entstehungsdatum
um 1932
Entstehungsdatum (normiert)
1927 - 1937
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift
Weihnachten <Motiv>
Weihnachtsbaum <Motiv>
Künstler <Motiv>

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Fliegende Blätter, 177.1932, Nr. 4560, S. 390
 
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