„Ja, man lebt so dahin, und ganz unvermerkt wird man alt."
„Ach nee, Onkelchen — — die andern merken das schon."
Lübsches bescheren, mir ein kleines, aber gut be-
zahltes Amt geben, eine nette, zu keiner Arbeit
verpflichtende Sinekure, der vollkommen gerecht
zu werden ich nicht ermangeln würde. Ich wurde
also sehr höflich, ersuchte den Besucher, sich hinein
zu bemühen, und bat ihn, doch gefälligst Platz
zu nehmen.
Gleich aber kam die Enttäuschung; der Mann
fing an: „Wie ich schon sagte-ich komme
gerade vom Kultusministerium-"
Nein, das stimmte nicht; das hatte er nicht
gesagt. Das erst jetzt eingeschobene Wort ,gerade'
gab ja seinen Worten einen anderen Sinn. Er
war also nicht zu mir geschickt, entsandt, entboten.
Wo er aber gerade herkam, das konnte mir gleich-
gültig sein, denn jedenfalls dienten seine Wege
doch nur seinen eigenen Zwecken. And richtig, er
sprach weiter: „-vom Kultusministerium, wo
man mir das größte Interesse entgegengebracht
hat. Löchstwahrscheinlich habe ich dort, wenn sich
bei näherer Prüfung die Notwendigkeit ergeben
sollte, was sicher der Fall sein wird, bedeutende
Bestellungen zu erwarten. And deshalb gebe ich
mich der Loffnung hin, daß auch Sie — —"
Ich unterbrach ihn. „Bitte, geben Sie sich
weiter keine Mühe! Ich weiß nicht, was das
Kultusministerium bei Ihnen bestellen soll, aber
ich werde das jedenfalls nicht brauchen. Tinte
und Papier habe ich noch auf lange Zeit hinaus
genug, und Spucknäpfe, die ja in Amtsstuben sehr
beliebt sind, finde ich gräßlich. Ich spucke auch nie."
„Aber, aber-dergleichen kommt ja gar
nicht in Frage!" In seinem Blick lag ein leichter
Vorwurf, daß ich ihm ein solches Angebot zu-
getraut hatte. „Es handelt sich vielmehr um die be-
deutsame, längst vermutete und seit einige» Jahren
(Fortsetzung Seite 6)
Die gefährlichen Erdstrahlen
Von Peter Robinson
Ich war ganz allein zu Lause, und es hatte schon öfter
geklingelt, ohne daß ich mich gerührt hatte, denn heutzutage
läuft man ja nicht gleich bei jedem Klingelzeichen an die
Tür; es ist ja doch nie etwas Erfreuliches, Nützliches oder
sonstwie Beachtenswertes, was sich da meldet. Da aber
klingelte es zweimal: kurz — lang. Das ist ein Privatsignal
für mich und meine Familie, und deshalb ging ich nun und
öffnete. Aber nein — es stand doch ein Fremder da, dem
wohl sein erstes bescheidenes Klingelzeichen leid getan hatte,
weshalb er eine nachdrücklichere Ergänzung hatte folgen
lassen. Es war ein jüngerer, recht gut angezogener Mann,
dem anzusehen war, daß er nun gleich flott und gewandt
auftreten würde; er lächelte mich auch bereits verbindlich
und sicher an. Ich ärgerte mich über den doppelten Klingel-
alarm und wollte ihm erklären, daß ich ihm in keiner Be-
ziehung förderlich sein könnte, daß ich nichts bei ihm kaufen
oder bestellen würde, auch keine Versicherung mehr nötig
und überhaupt nicht die geringste Zeitspanne für ihn übrig
hätte, nicht eine Minute — — aber da sagte er: „Ich
komme vom Kultusministerium."
Oho, das war etwas anderes, da horchte ich auf. Ich
hatte zwar keine Ahnung, weshalb das Kultusministerium
zu mir schicken sollte; ich hatte nicht die geringsten Be-
ziehungen zu ihm, aber vielleicht - — nun, am Ende hatte
ich sein Wohlgefallen erregt, und es wollte mir etwas
4
Vergleichsweise
„Genau hast es gewußt, du Bazi, daß der Ochs, wo ich von dir
kauft Hab, verrecka wird."
„Nöt wahr is! Beim Vieh kimmt leicht was daher — du kannst ja
a von heut auf morgen hin sein!"
„Ach nee, Onkelchen — — die andern merken das schon."
Lübsches bescheren, mir ein kleines, aber gut be-
zahltes Amt geben, eine nette, zu keiner Arbeit
verpflichtende Sinekure, der vollkommen gerecht
zu werden ich nicht ermangeln würde. Ich wurde
also sehr höflich, ersuchte den Besucher, sich hinein
zu bemühen, und bat ihn, doch gefälligst Platz
zu nehmen.
Gleich aber kam die Enttäuschung; der Mann
fing an: „Wie ich schon sagte-ich komme
gerade vom Kultusministerium-"
Nein, das stimmte nicht; das hatte er nicht
gesagt. Das erst jetzt eingeschobene Wort ,gerade'
gab ja seinen Worten einen anderen Sinn. Er
war also nicht zu mir geschickt, entsandt, entboten.
Wo er aber gerade herkam, das konnte mir gleich-
gültig sein, denn jedenfalls dienten seine Wege
doch nur seinen eigenen Zwecken. And richtig, er
sprach weiter: „-vom Kultusministerium, wo
man mir das größte Interesse entgegengebracht
hat. Löchstwahrscheinlich habe ich dort, wenn sich
bei näherer Prüfung die Notwendigkeit ergeben
sollte, was sicher der Fall sein wird, bedeutende
Bestellungen zu erwarten. And deshalb gebe ich
mich der Loffnung hin, daß auch Sie — —"
Ich unterbrach ihn. „Bitte, geben Sie sich
weiter keine Mühe! Ich weiß nicht, was das
Kultusministerium bei Ihnen bestellen soll, aber
ich werde das jedenfalls nicht brauchen. Tinte
und Papier habe ich noch auf lange Zeit hinaus
genug, und Spucknäpfe, die ja in Amtsstuben sehr
beliebt sind, finde ich gräßlich. Ich spucke auch nie."
„Aber, aber-dergleichen kommt ja gar
nicht in Frage!" In seinem Blick lag ein leichter
Vorwurf, daß ich ihm ein solches Angebot zu-
getraut hatte. „Es handelt sich vielmehr um die be-
deutsame, längst vermutete und seit einige» Jahren
(Fortsetzung Seite 6)
Die gefährlichen Erdstrahlen
Von Peter Robinson
Ich war ganz allein zu Lause, und es hatte schon öfter
geklingelt, ohne daß ich mich gerührt hatte, denn heutzutage
läuft man ja nicht gleich bei jedem Klingelzeichen an die
Tür; es ist ja doch nie etwas Erfreuliches, Nützliches oder
sonstwie Beachtenswertes, was sich da meldet. Da aber
klingelte es zweimal: kurz — lang. Das ist ein Privatsignal
für mich und meine Familie, und deshalb ging ich nun und
öffnete. Aber nein — es stand doch ein Fremder da, dem
wohl sein erstes bescheidenes Klingelzeichen leid getan hatte,
weshalb er eine nachdrücklichere Ergänzung hatte folgen
lassen. Es war ein jüngerer, recht gut angezogener Mann,
dem anzusehen war, daß er nun gleich flott und gewandt
auftreten würde; er lächelte mich auch bereits verbindlich
und sicher an. Ich ärgerte mich über den doppelten Klingel-
alarm und wollte ihm erklären, daß ich ihm in keiner Be-
ziehung förderlich sein könnte, daß ich nichts bei ihm kaufen
oder bestellen würde, auch keine Versicherung mehr nötig
und überhaupt nicht die geringste Zeitspanne für ihn übrig
hätte, nicht eine Minute — — aber da sagte er: „Ich
komme vom Kultusministerium."
Oho, das war etwas anderes, da horchte ich auf. Ich
hatte zwar keine Ahnung, weshalb das Kultusministerium
zu mir schicken sollte; ich hatte nicht die geringsten Be-
ziehungen zu ihm, aber vielleicht - — nun, am Ende hatte
ich sein Wohlgefallen erregt, und es wollte mir etwas
4
Vergleichsweise
„Genau hast es gewußt, du Bazi, daß der Ochs, wo ich von dir
kauft Hab, verrecka wird."
„Nöt wahr is! Beim Vieh kimmt leicht was daher — du kannst ja
a von heut auf morgen hin sein!"
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Ja, man lebt so dahin, und ganz unvermerkt wird man alt." "Vergleichsweise"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1933
Entstehungsdatum (normiert)
1928 - 1938
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 179.1933, Nr. 4588, S. 4
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg