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Im Mädchenkreise

„Daß ihr unaufhörlich lesen müßt! Ich lasse mich lieber von meinen
eigenen Gedanken unterhalten."

„Du bist immer die Bescheidenste von uns, Else."

Merkwürdige Pudelgeschichten

noch oft gemacht, bis bei meiner Tochter ein Baby kam;
da fühlte er sich zurückgescht und fuhr lieber nicht mehr
hi». Aber denken Sie doch: der Lund hat also immer ganz
genau das Schild an dem Wagen herausgekannt, denn es
waren doch auch noch Wagen mit andern Schildern da."

Ein Lerr Motzke hatte einen Einwand. „Aber nee —
der Kund hat es eben dem Wagen angerochen, daß darin
immer Kunde fuhren."

Frau Numpoldin war gekränkt. Der Fall mußte schon
öfter erörtert worden sein, denn sie entgegnete: „Ich habe
Ihnen doch schon gesagt, daß einmal, als ich zusammen mit
Roland fuhr, ein Wagen da war, der frisch aus der Eisen-
bahnwerkstätte gekommen war. And auf den ist er auch
gleich zugesprungen."

Lerr Motzke zuckte die Achseln und zeigte mir dann
seinen Till, einen braunen Pudel. „Das ist der Pudel, der
den Klavierstuhl herausgedreht hat! Da kam nämlich öfter
eine Kusine zu uns, die sich dann ans Klavier setzte und
Lieder sang, und das konnte Till nicht vertragen. And wie
die Kusine wieder einmal kommt, da stürzt doch der Pudel
auf den Klavierstuhl zu — das war so ein Stuhl mit dreh-
barem Sitz, zum Schrauben, je nachdem, wie hoch man ihn
haben will — und nun stößt der Till immer mit der Schnauze
gegen den Sitz und dreht ihn und dreht ihn höher und
höher, bis die Schraube zu Ende ist und der Sitz herunter-
poltert. Fabelhast, nicht wahr?"

„Ra ja, die Geschichte kennen wir," meinte ein Lerr
Zäpernick etwas spöttisch. „And ein andermal hat der Till
der Dame die Noten versteckt, wenn ich mich recht erinnere.

Ja, einmal hat er sogar versucht, das Klavier abzuschließen."

„Allerdings — aber ich wollte nicht gleich alles er-
zählen," erklärte Lerr Motzke bescheiden.

Nun erzählte Kerr Zäpernick von der liebenswürdigen Be-
sorgnis seines Karo um die Gesundheit seines Lerrn. Er, nämlich
Zäpernick, pflege abends zu Lause immer zwei Zigarren zu
rauchen. Mehr seien ihm vom Arzte nicht erlaubt; das müsse
Karo irgendwie gemerkt haben, und wenn nun der Kerr nach
der zweiten Zigarre einmal doch noch nach der Zigarrenkiste
schiele — schwupps, da habe Karo auch schon die auf dem Tisch
liegende Zündholzschachtel erschnappt und trage sie fort. Lierzu
wünschte ein anderes Vereinsmitglied, eine Dame, eine Erklärung,
warum denn der Karo an den Vereinsabenden, wo Lerr Zäper-
nick doch gewöhnlich drei oder vier Zigarren rauche, das nicht
auch zu verhindern suche. Zäpernick entgegnete überlegen, für
gesellige Veranstaltungen gestatte Karo jedenfalls aus Köflichkeit
eine Ausnahme; außerdem sei er gescheit genug, zu wissen, daß in
der Gesellschaft ja noch mehr Schachteln mit Zündhölzern und auch
Feuerzeuge vorhanden seien, mit denen ausgeholfen werden könne.

Jetzt meldete sich ein Lerr Fesselberg, der schon lange un-
geduldig gewesen war und seinem schwarzen Pudel unaufhörlich
den Kopf getätschelt hatte, als wollte er ihn beruhigen, daß noch
immer nichts von ihm berichtet würde. Er hielt ihm ein Stück-
chen Schokolade hin, das der Lund begierig nahm und mit er-
sichtlichem Genuß verzehrte. „Sehen Sie — auf Schokolade ist
mein Zampa ganz wild. Am liebsten mag er Sahnenschokolade,
und da hat er sich neulich ein Manöver ausgedacht —• — also,
das war wirklich die Kühe! Wissen Sie: ich bekomme nicht viele
Briefe, in der Regel einen am Tag. Den wirft der Briefträger
durch den Schlitz in der Türe, und dann bringt ihn mir der Zampa,
der schon immer aus den Briefträger wartet. Dafür bekommt
er dann ein Stück Sahnenschokolade. Nun passen Sie auf! Neu-
lich war mein Geburtstag. Da hatte ich eigentlich eine ganze
Masse Briefe zu erwarten. Ich lehne zufällig im Fenster und
sehe, wie der Briefträger ins Laus tritt. Aber Zampa kommt
nicht gleich. Na, ich denke mir, es dauert etwas länger, weil er
Mühe hat, all die Briefe aufzunehmen. Endlich kommt er a»,
aber er hat nur einen Brief, einen einzigen Brief. Ich ärgere

mich, daß mir sonst niemand geschrieben hat, und gebe Zampa
seine Schokolade. Zampa verschwindet. Nach zehn Minuten kommt
er wieder an — wieder mit einem Brief. Den hat der Briefträger
vorhin übersehen, nehme ich an, und nun ist er nochmal zurück-
gekommen. Wieder bekommt Zampa seine Belohnung und zieht
ab. Aber was meinen Sie, was passiert? Wieder nach zehn
Minuten erscheint Zampa und bringt wieder einen Brief. Was
ist denn los? wundere ich mich und sehe Zampa scharf an. Aber
der dreht den Kopf weg, und da denke ich mir: ,Aha, die Sache
stimmt nicht !' And da habe ich ihm nachspioniert, und was hatte
er gemacht? Einen ganzen Stoß Briefe hatte der Postbote hinein-
geworfen, und die hatte Zampa unter seinem Lager versteckt.
Laha, er wollte immer nur einen bringen, um doch für jeden
ein besonderes Stück Schokolade zu kriegen."

Diese Geschichte mußte neu sein, denn die übrigen Pudelleute
schüttelten heftig die Köpfe und schienen sehr neidisch zu sein.
Ehe aber noch jemand mit einem weiteren Bericht kommen konnte,
drängte ich mich vor, denn jetzt war es Zeit, meinen Cornelius
zu rühmen, ehe Dinge erzählt wurden, die wirklich gar nicht mehr
zu übertreffen waren. „Sie werden erwarten, meine Lerrschasten,"
sagte ich, „auch von meinem Cornelius etwas zu hören. Aber
bitte: erwarten Sie nicht zu viel! Er ist noch jung; der Schatz
seiner Beobachtungen und Erfahrungen ist noch klein. Aber ge-
rade deshalb sind einige Leistungen seines scharfen Verstandes
umsomehr anzuerkennen. Daß ein Pudel etwas kaufen geht, ist
ja eine alte Sache. Mir gegenüber befindet sich ein Fleischer, bei
dem Cornelius sich manchmal ein Paar kleiner Würstchen holt —
für 20 Pfennige, die ich ihm in einem Papier mitgebe. Nun
dürfen doch bei uns Lunde nicht in Läden mit Lebensmitteln
hinein, das kostet 20 Mark Strafe. Cornelius weiß, daß er den
Laden des Fleischers nicht betreten darf; er macht sich an der
Tür bemerkbar, und dann kommt der Fleischer, der ihn schon
kennt, und bringt ihm die Würstchen. Aber was habe ich neulich,
als ich Cornelius wieder einmal 20 Pfennige gegeben hatte, von
meinem Fenster aus gesehen? Der Fleischer schien gerade ver-

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Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Im Mädchenkreise"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Claus, Martin
Entstehungsdatum
um 1933
Entstehungsdatum (normiert)
1928 - 1938
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 179.1933, Nr. 4591, S. 57

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CC0 1.0 Public Domain Dedication
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