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Der Weihnachtspapagei
Von Perer Rovtnson
Als der Sekretär Gustav Pliedering — es war einige Tage vor
dem Weihnachtsfest — nach Büroschluß nach Lause kam und die
Treppe zu seiner Wohnung im zweiten Stock Hinaufstieg, wurden
seine klimmenden Schritte nach der Lälste des Aufstiegs gehemmt:
auf dem Treppenabsatz des ersten Stocks saß ein Mann, der neben
sich ein großes Paket gestellt hatte, eine Kiste oder Schachtel oder
dergleichen, wie sich nur vermuten ließ, denn es war eine Decke da-
rüber gebreitet, eine schmutzige Filzdecke, besprenkelt mit vielen Flek-
ken, von denen üble Düfte ausgingen. Der Sekretär Pliedering
schnupperte mit Anbehagen; er stellte eine Mischung von Petroleum-
und Benzingestank fest. Zu der Decke paßte der Mann; er trug eine
schmierige, abgewetzte Lederjacke, die an der Geruchsverbreitung
wahrscheinlich mit fünfzig Prozent beteiligt war; sehr schief auf dem
Kopfe saß ihm ein steifer Lut, eine sogenannte Melone, die speckig
glänzte, was zu ihrer botanischen Bezeichnung eigentlich nicht paßte.
Der Mann lüftete diese Melone flüchtig vor dem Sekretär und
lächelte ihn an, aus glasigen Trunkenheitsaugen zu ihm aufschauend.
Er hob die Land mit ausgestrecktem Zeigefinger und ließ sie schwankend
eine Kurve beschreiben, bis der Zeigefinger mit Nachdruck auf das
Paket deutete. „Was extra Feines, Lerrl Mal sehn wollen?" lallte er.
Der Sekretär Pliedering nickte, einmal, weil er von Natur neu-
gierig war, und dann auch, weil ihm der Weg ohnehin versperrt
war, und der Mann ihn nicht eher freigeben zu wollen schien, als
bis er sein Paket enthüllt und den als etwas extra Feines bezeich-
neten Inhalt vorgewiesen hätte. Daß dieses Enthüllen und Bor-
weisen auch ein Angebot bedeuten würde, glaubte der Sekretär ohne
Zweifel annehmen zu dürfen, aber er war entschlossen, nicht darauf
einzugehen.
Der Mann hob die Decke ab: ein primitives, kunstlos aus Lolz-
stäben gefügtes Vogelbauer stand da, ersichtlich nicht als Aufent-
haltsort, sondern zu Versand- oder Beförderungszwecken bestimmt,
und darin saß ziemlich erbärmlich, denn es war zu klein für ihn, ein
großer Papagei, ein weißer Kakadu mit gelber Laube. Schläfrig
hockte er da, vielleicht auch halb betäubt von den Düften der Decke.
„Na, is doch fein I" meinte der Mann. „Papagei für Lerrschaften,
nich' wahr?"
,,Lm ja!" machte der Sekretär. Der Kakadu gefiel ihm; er sah
solche exotischen Tiere überhaupt gern, denn er besaß einen zu Träu-
mereien — natürlich außerhalb der Bürostunden - geneigten Geist
und liebte es, sich in ferne Länder zu versetzen, wo der weiße Mann
Reichtümer sammelt, aber keine Bürostunden hat. Wenigstens dachte
sich der Sekretär das so; wenn er, was leider zur Zeit nicht möglich
war, im Kolonialdienst beschäftigt gewesen wäre, hätte er wohl eine
andere Meinung gehabt.
And jetzt bestätigte stch des Sekretärs scharfsinnige Vermutung
bezüglich eines Angebots. „Na, wie wär's?" fragte der Mann.
„Feines Weihnachtsgeschenk! Frau Gemahlin freuen!"
Pliederings ursprüngliche Entschlossenheit, auf kein Angebot ein-
zugehen, schwand. Zunächst wünschte freilich er selber sich einen Pa-
pagei, aber seine Frau hatte auch einmal — im Zoologischen Garten
— Gefallen an solch einem Vogel ausgedrückt, und das konnte er
jetzt ja benützen; er hatte ohnehin noch nicht gewußt, was er der
Gattin zu Weihnachten schenken sollte. „Wie kommen Sie zu dem
Papagei?" fragte er vorsichtig. „Gehört er Ihnen?"
Der Mann glotzte den Sekretär gekränkt an. „Na. wem sonst?
Mitgebracht!"
„Sind Sie denn Matrose?" Der Sekretär sah auf die Leder-
jacke und die Melone.
„Maschinist — Motorschiff. Großes Motorschiff!"
Dem Sekretär leuchtete nunmehr der ihm erst unerklärliche Zu-
sammenhang zwischen Benzingeruch und Papageienimport ein. Er
gefiel ihm zwar nicht; Leute, die aus fernen Ländern Papageien
mitbrachten, hatten nach Teer zu riechen. Aber auch das hat stch in
der Neuzeit geändert.
Der Mann schien ungeduldig, fortzukommen — wieder in eine
Kneipe oder besser, was zu seinen Gunsten angenommen werden soll,
irgendwohin in ein Bett. Er streckte die Land aus: „Fuffzehn Mark,
(Fortsetzung Sette 388)
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386
Die Weihnachtsparade
Der Weihnachtspapagei
Von Perer Rovtnson
Als der Sekretär Gustav Pliedering — es war einige Tage vor
dem Weihnachtsfest — nach Büroschluß nach Lause kam und die
Treppe zu seiner Wohnung im zweiten Stock Hinaufstieg, wurden
seine klimmenden Schritte nach der Lälste des Aufstiegs gehemmt:
auf dem Treppenabsatz des ersten Stocks saß ein Mann, der neben
sich ein großes Paket gestellt hatte, eine Kiste oder Schachtel oder
dergleichen, wie sich nur vermuten ließ, denn es war eine Decke da-
rüber gebreitet, eine schmutzige Filzdecke, besprenkelt mit vielen Flek-
ken, von denen üble Düfte ausgingen. Der Sekretär Pliedering
schnupperte mit Anbehagen; er stellte eine Mischung von Petroleum-
und Benzingestank fest. Zu der Decke paßte der Mann; er trug eine
schmierige, abgewetzte Lederjacke, die an der Geruchsverbreitung
wahrscheinlich mit fünfzig Prozent beteiligt war; sehr schief auf dem
Kopfe saß ihm ein steifer Lut, eine sogenannte Melone, die speckig
glänzte, was zu ihrer botanischen Bezeichnung eigentlich nicht paßte.
Der Mann lüftete diese Melone flüchtig vor dem Sekretär und
lächelte ihn an, aus glasigen Trunkenheitsaugen zu ihm aufschauend.
Er hob die Land mit ausgestrecktem Zeigefinger und ließ sie schwankend
eine Kurve beschreiben, bis der Zeigefinger mit Nachdruck auf das
Paket deutete. „Was extra Feines, Lerrl Mal sehn wollen?" lallte er.
Der Sekretär Pliedering nickte, einmal, weil er von Natur neu-
gierig war, und dann auch, weil ihm der Weg ohnehin versperrt
war, und der Mann ihn nicht eher freigeben zu wollen schien, als
bis er sein Paket enthüllt und den als etwas extra Feines bezeich-
neten Inhalt vorgewiesen hätte. Daß dieses Enthüllen und Bor-
weisen auch ein Angebot bedeuten würde, glaubte der Sekretär ohne
Zweifel annehmen zu dürfen, aber er war entschlossen, nicht darauf
einzugehen.
Der Mann hob die Decke ab: ein primitives, kunstlos aus Lolz-
stäben gefügtes Vogelbauer stand da, ersichtlich nicht als Aufent-
haltsort, sondern zu Versand- oder Beförderungszwecken bestimmt,
und darin saß ziemlich erbärmlich, denn es war zu klein für ihn, ein
großer Papagei, ein weißer Kakadu mit gelber Laube. Schläfrig
hockte er da, vielleicht auch halb betäubt von den Düften der Decke.
„Na, is doch fein I" meinte der Mann. „Papagei für Lerrschaften,
nich' wahr?"
,,Lm ja!" machte der Sekretär. Der Kakadu gefiel ihm; er sah
solche exotischen Tiere überhaupt gern, denn er besaß einen zu Träu-
mereien — natürlich außerhalb der Bürostunden - geneigten Geist
und liebte es, sich in ferne Länder zu versetzen, wo der weiße Mann
Reichtümer sammelt, aber keine Bürostunden hat. Wenigstens dachte
sich der Sekretär das so; wenn er, was leider zur Zeit nicht möglich
war, im Kolonialdienst beschäftigt gewesen wäre, hätte er wohl eine
andere Meinung gehabt.
And jetzt bestätigte stch des Sekretärs scharfsinnige Vermutung
bezüglich eines Angebots. „Na, wie wär's?" fragte der Mann.
„Feines Weihnachtsgeschenk! Frau Gemahlin freuen!"
Pliederings ursprüngliche Entschlossenheit, auf kein Angebot ein-
zugehen, schwand. Zunächst wünschte freilich er selber sich einen Pa-
pagei, aber seine Frau hatte auch einmal — im Zoologischen Garten
— Gefallen an solch einem Vogel ausgedrückt, und das konnte er
jetzt ja benützen; er hatte ohnehin noch nicht gewußt, was er der
Gattin zu Weihnachten schenken sollte. „Wie kommen Sie zu dem
Papagei?" fragte er vorsichtig. „Gehört er Ihnen?"
Der Mann glotzte den Sekretär gekränkt an. „Na. wem sonst?
Mitgebracht!"
„Sind Sie denn Matrose?" Der Sekretär sah auf die Leder-
jacke und die Melone.
„Maschinist — Motorschiff. Großes Motorschiff!"
Dem Sekretär leuchtete nunmehr der ihm erst unerklärliche Zu-
sammenhang zwischen Benzingeruch und Papageienimport ein. Er
gefiel ihm zwar nicht; Leute, die aus fernen Ländern Papageien
mitbrachten, hatten nach Teer zu riechen. Aber auch das hat stch in
der Neuzeit geändert.
Der Mann schien ungeduldig, fortzukommen — wieder in eine
Kneipe oder besser, was zu seinen Gunsten angenommen werden soll,
irgendwohin in ein Bett. Er streckte die Land aus: „Fuffzehn Mark,
(Fortsetzung Sette 388)
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Die Weihnachtsparade
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Die Weihnachtsparade"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1933
Entstehungsdatum (normiert)
1928 - 1938
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)