Zeichnung von F. Götz
Das möblierte Zimmer „Das Bild soll ich 'rausnehmen, Lerr Breller, das ist
doch mein seliger Mann, der war Gerichtsvollzieher/'
„Muß raus-er sieht mich immerzu mahnend an!"
Der Weihnachtspapaget
Lerr! Fort damit! Keine Zeit mehr!" Sicher griff er — Geld können
selbst Betrunkene gewöhnlich geschickt packen — die drei Fünfmark-
stücke, die der Sekretär, noch unentschlossen, mehr mechanisch hervor-
geholt hatte, nahm die schmierige Decke auf, torkelte die Treppe
hinunter und verschwand.
Als die ,Laustür zufiel, fuhr der Sekretär Pliedering erschreckt
zusammen. Lalt, das war ja übereilt gewesen! Der Mann hätte ihm
doch den Papagei bis zum Weihnachtsabend aufheben müssen. Aber
nein, darauf hätte er sich als ungebundener Seefahrer wohl nicht
einlassen können. Ratlos schaute der Sekretär auf den Vogel. „Was
fange ich jetzt mit dir an?" fragte er. Aber der Papagei gab keine
388
Auskunft; wahrscheinlich konnte er
noch gar nicht sprechen, und jeden-
falls hätte er seinem Lerrn auch
nicht raten können.
Da aber nahte Lilfe. Der Kauf-
mann Balbus, der im ersten Stock
wohnte, kam nach Lause. Er war
ein älterer Junggeselle, aber doch ein
netter, freundlicher Mann, dessen
Lausgenossenschast Pliederings im-
mer angenehm empfunden hatten.
Balbus freute sich über den Papagei.
„Ein sehr schönes Tier, Lerr Sekre-
tär! Ah so — ein Weihnachtsgeschenk
für die Frau Gemahlin. Aber warum
kommen Sie heute schon damit an?"
Darauf erzählte Pliedering von
der Zufälligkeit seines Kaufs und
seiner Verlegenheit, eine Weihnachts-
überraschung daraus zu macken.
Seine Loffnung, der freundliche Lerr
Balbus würde ihm Helsen, erfüllte
sich. „Lassen Sie das Papchen bei
mir," bot Balbus an. „Zufällig Hab'
ich ein altes Bauer; darin wird sich
das arme, eingequetschte Kerlchen
wie erlöst Vorkommen. Tagsüber muß
er freilich allein sein, meine Wirt-
schafterin hat schon Weihnachtsur-
laub."
Der Sekretär war glücklich. Die
Aebersiedelung des Papageis wurde
mit einiger Schwierigkeit vollzogen,
denn er war verängstigt. Aber er
würde sich bald wohl fühlen, meinte
Balbus; etwas Mais und ein paar
Erdnüsse würde er noch schnell für
das Tierchen besorgen. „Denn Sie
müssen jetzt machen, daß Sie nach
Lause kommen, Lerr Sekretär! Es
ist Zeit-sonst merkt Ihre Frau
Gemahlin was!"
Als der Sekretär Pliedering am
nächsten Morgen das Laus verließ,
hielt er vor der Tür des Lerrn
Balbus einen Augenblick an und
lauschte — alles war still dort. Dann
aber, als er die Treppe hinunter
war, erreickte ein wildes Aufkrei-
fchen sein lechzendes Ohr und er-
füllte ihn mit Freude. „Aha, er ist
aufgewacht, er rührt sich," dachte er.
„Der Transport ist ihm also nicht
schlecht bekommen; um so tüchtig
kreischen zu können, muß er ja ganz
munter sein." And aus dem ganzen Wege ins Büro summte er
unaufhörlich ein kleines Liedchen, das er im Augenblick erfunden hatte:
„Mein Papagei — zeigt mit Geschrei — daß er ganz munter sei."
Die Melodie dazu glaubte er auch erfunden zu haben, aber da täuschte
er sich; sie stammte aus der alten Oper „Die weiße Dame" und
war wohl aus des Sekretärs Iugendtagen in einer seiner Gehirn-
zellen aufbewahrt geblieben. Das geht ja auch manchen berufs-
mäßigen Komponisten so.
Gegen halb fünf kam der Sekretär wieder zurück. Gleich beim
Eintreten ins Laus vernahm er wieder ein Kreischen, aber noch
stärker und wilder als das am Morgen. Er war entzückt. „Gerade,
als wenn das Tierchen weiß, daß ich nach Lause gekommen bin, und
Das möblierte Zimmer „Das Bild soll ich 'rausnehmen, Lerr Breller, das ist
doch mein seliger Mann, der war Gerichtsvollzieher/'
„Muß raus-er sieht mich immerzu mahnend an!"
Der Weihnachtspapaget
Lerr! Fort damit! Keine Zeit mehr!" Sicher griff er — Geld können
selbst Betrunkene gewöhnlich geschickt packen — die drei Fünfmark-
stücke, die der Sekretär, noch unentschlossen, mehr mechanisch hervor-
geholt hatte, nahm die schmierige Decke auf, torkelte die Treppe
hinunter und verschwand.
Als die ,Laustür zufiel, fuhr der Sekretär Pliedering erschreckt
zusammen. Lalt, das war ja übereilt gewesen! Der Mann hätte ihm
doch den Papagei bis zum Weihnachtsabend aufheben müssen. Aber
nein, darauf hätte er sich als ungebundener Seefahrer wohl nicht
einlassen können. Ratlos schaute der Sekretär auf den Vogel. „Was
fange ich jetzt mit dir an?" fragte er. Aber der Papagei gab keine
388
Auskunft; wahrscheinlich konnte er
noch gar nicht sprechen, und jeden-
falls hätte er seinem Lerrn auch
nicht raten können.
Da aber nahte Lilfe. Der Kauf-
mann Balbus, der im ersten Stock
wohnte, kam nach Lause. Er war
ein älterer Junggeselle, aber doch ein
netter, freundlicher Mann, dessen
Lausgenossenschast Pliederings im-
mer angenehm empfunden hatten.
Balbus freute sich über den Papagei.
„Ein sehr schönes Tier, Lerr Sekre-
tär! Ah so — ein Weihnachtsgeschenk
für die Frau Gemahlin. Aber warum
kommen Sie heute schon damit an?"
Darauf erzählte Pliedering von
der Zufälligkeit seines Kaufs und
seiner Verlegenheit, eine Weihnachts-
überraschung daraus zu macken.
Seine Loffnung, der freundliche Lerr
Balbus würde ihm Helsen, erfüllte
sich. „Lassen Sie das Papchen bei
mir," bot Balbus an. „Zufällig Hab'
ich ein altes Bauer; darin wird sich
das arme, eingequetschte Kerlchen
wie erlöst Vorkommen. Tagsüber muß
er freilich allein sein, meine Wirt-
schafterin hat schon Weihnachtsur-
laub."
Der Sekretär war glücklich. Die
Aebersiedelung des Papageis wurde
mit einiger Schwierigkeit vollzogen,
denn er war verängstigt. Aber er
würde sich bald wohl fühlen, meinte
Balbus; etwas Mais und ein paar
Erdnüsse würde er noch schnell für
das Tierchen besorgen. „Denn Sie
müssen jetzt machen, daß Sie nach
Lause kommen, Lerr Sekretär! Es
ist Zeit-sonst merkt Ihre Frau
Gemahlin was!"
Als der Sekretär Pliedering am
nächsten Morgen das Laus verließ,
hielt er vor der Tür des Lerrn
Balbus einen Augenblick an und
lauschte — alles war still dort. Dann
aber, als er die Treppe hinunter
war, erreickte ein wildes Aufkrei-
fchen sein lechzendes Ohr und er-
füllte ihn mit Freude. „Aha, er ist
aufgewacht, er rührt sich," dachte er.
„Der Transport ist ihm also nicht
schlecht bekommen; um so tüchtig
kreischen zu können, muß er ja ganz
munter sein." And aus dem ganzen Wege ins Büro summte er
unaufhörlich ein kleines Liedchen, das er im Augenblick erfunden hatte:
„Mein Papagei — zeigt mit Geschrei — daß er ganz munter sei."
Die Melodie dazu glaubte er auch erfunden zu haben, aber da täuschte
er sich; sie stammte aus der alten Oper „Die weiße Dame" und
war wohl aus des Sekretärs Iugendtagen in einer seiner Gehirn-
zellen aufbewahrt geblieben. Das geht ja auch manchen berufs-
mäßigen Komponisten so.
Gegen halb fünf kam der Sekretär wieder zurück. Gleich beim
Eintreten ins Laus vernahm er wieder ein Kreischen, aber noch
stärker und wilder als das am Morgen. Er war entzückt. „Gerade,
als wenn das Tierchen weiß, daß ich nach Lause gekommen bin, und
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Das möblierte Zimmer"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1933
Entstehungsdatum (normiert)
1928 - 1938
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 179.1933, Nr. 4612, S. 388
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg