Kleine Aprtlgeschichten
Schwager Spiegelberg. Es handelt sich da um eine Geldangelegen-
heit. Ich Hab' aber keine Zeit, heute nochmal wieder zu kommen.
Bestellen Sie also Ihrem Prinzipal: wenn er wissen will, wohin er
wegen seiner Geldforderung kommen müßte, dann soll er diese
Nummer anrufen.
„Sehr wohl, Äerr Spiegelberg!" sagt der junge Mann und
nimmt das Zettelchen, das ihm Spiegelberg reicht.-
Nachher, als Kranewitt ins Kontor kommt, berichtet ihm der
junge Mann: „Ein Lerr Spiegelberg war da, Äerr Kranewitt."
„Ah, hat er Geld da gelassen?"
„Nein, aber er läßt Sie bitten, wenn Sie wissen wollten, wohin
Sie wegen dieser Geldforderung kommen müßten, dann möchten Sie
diese Nummer anrufen."
Kranewitt stürzt an den Fernsprecher und dreht die Nummern-
scheibe: 3—7—5—9. Erwartungsvoll preßt er den Äörer ans Ohr.
And dann schallt es ihm entgegen: „Lier Städtische Irrenanstalt!"
vulkanische Erscheinungen zu erwarten. Daß Zyklone, d. h. Wirbel-
winde von gewaltigem Ausmaß unsere Gegend streifen, halte ich
für absolut sicher. Wir haben also mit Wolkenbrüchen zu rechnen.
Ist das klar?"
„Jawohl," sagte ich.
„Wenn Sie sich übrigens für unser Fach interessieren, dann
kommen Sie doch mit in den Photographiesaal. Da hält Geheimrat
Stülpnagel einen Vortrag über das Thema Wetterbildung. Sie
können da sehen, wie abwegig ein sonst so klarer Wissenschaftler wie
Stülpnagel über das Wetterproblem denkt. Er ist eben leider Gottes
in seiner Jonentheorie so befangen, daß er nichts andres mehr sieht."
Geheimrat Stülpnagels Rede schwirrte von positiven und ne-
gativen Ionen, von Ladungen, elektrischen Feldern und lauter
Dingen, die mit Wetter nicht das geringste zu tun haben. Zum
Schluß erläuterte er als Beispiel das in Aussicht stehende Oster-
wetter. Er leitete elektrischen Strom in einen Glaskasten, pumpte
Wasserdampf hinein und erzielte eine Vereisung des Glasgehäuses.
Durch die Reihen der Koryphäen ging ein Raunen. Er schloß:
„So sehen wir denn, verehrte Anwesende, daß unter diesen Am-
ständen mit absoluter Sicherheit Äagel zu erwarten ist."
Ich wollte gerade meine niederschmetternden Eindrücke an Elli
telephonieren, als mich Onkel Cyprian ansprach.
„Ich habe gerade mit dem Kollegen Tüftelmeier gesprochen,"
sagte er, „seine Ansicht, daß unter den gegebenen Bedingungen zu
Ostern Rauhreif eintreten wird, scheint mir genügend begründet."
Ich dankte und ging.
Mit Elli bin ich vollständig verkracht. Zufolge meiner Infor-
mationen ließ Elli das Grüne machen — und Ostern hatten wir
strahlenden Sonnenschein.
„Ich Hab' dir Schokolade mitgebracht, Paulchen-du mußt aber
der Mutter was Ordentliches abgeben."
„Schenk' sie lieber der Mutier, Onkel, und laß' die mir was abgeben."
Osterwetter
Von Curry
Elli bestand daraus, zu erfahren, was Ostern für Wetter sein
würde. Wenn die Sonne scheine, dann wollte sie das Blaue fertig
machen lassen — ihre Freundin Aschi sollte die Platze kriegen! Wenn
die Sonne nicht schiene, sollte der Schneider das Grüne in Arbeit
nehmen. Da gerade ein Meteorologenkongreß in der Stadt statt-
fand, bei dem mein Onkel Cyprian eine nicht unbedeutende Rolle
spielte, gab ich Ellis Drängen nach und suchte den Onkel eines
Morgens in der Sternwarte auf.
Ich wurde in den Observationsraum ge-
wiesen. Dä lag der Onkel fast waagrecht unter dem
Fernrohr. Er maß die Temperatur auf dem
45. Breitengrade des Mars. Ich traute mich gar
nicht, ihn zu stören, sondern wartete, bis er fertig
war, und als er endlich aufstand, brachte ich es
nicht fertig, ihn nach etwas so Banalem wie dem
kommenden Oslerwetter zu fragen. Statt dessen
hielt mir mein Onkel einen dreistündigen Vortrag
über die Lebensbedingungen auf dem Mars. Als
er schließlich auf Wolken zu sprechen kam, hakte
ich geschickt ein und fragte nach dem Osterwetter.
Onkel Cyprian sah mich sinnend an und holte
folgendermaßen aus:
„Nach meinen Berechnungen muß am
28. März 1934 eine Sonnenprotuberanz auf-
leuchten, deren Länge ein Viertel des Sonnen-
durchmessers beträgt. Diese Explosion wird so
viel Sonnenstaub ins All schleudern, daß am
1. April ein schweres magnetisches Gewitter auf
der Erde eintreten muß."
„Also regnet es zu Ostern?"
„Das ist nicht ausgemacht. Es gibt mag-
netische Gewitter mit und ohne Niederschläge auf
der Erde. Da sind viele Punkte von Wichtigkeit.
Warte mal, ich werde dich dem Professor Bohn-
säck vorstellen, der ist in solchen Fragen kompetent."
Professor Bohnsack nahm mich beiseite und
hielt mir einen längeren Vortrag. Er ließ diskret
durchblicken, daß die Anschauungen meines Onkels
veraltet seien. Er zog eine ellenlange Tabelle aus
der Tasche, die mit Logarithmen besät war. Mir
schwindelte. Ich hatte in Mathematik immer
Mangelhaft gehabt.
„Sehen Sie," sagte Professor Bohnsack, „das
ist eine kleine Rechnung, die ich im v-Zug an-
gestellt habe. Voraussichtlich wird gerade zu
Ostern ein« alte Bruchspalte im Atlantik aus-
brechen. Es sind infolgedessen Seebeben und
Vorteilhafter
207
Schwager Spiegelberg. Es handelt sich da um eine Geldangelegen-
heit. Ich Hab' aber keine Zeit, heute nochmal wieder zu kommen.
Bestellen Sie also Ihrem Prinzipal: wenn er wissen will, wohin er
wegen seiner Geldforderung kommen müßte, dann soll er diese
Nummer anrufen.
„Sehr wohl, Äerr Spiegelberg!" sagt der junge Mann und
nimmt das Zettelchen, das ihm Spiegelberg reicht.-
Nachher, als Kranewitt ins Kontor kommt, berichtet ihm der
junge Mann: „Ein Lerr Spiegelberg war da, Äerr Kranewitt."
„Ah, hat er Geld da gelassen?"
„Nein, aber er läßt Sie bitten, wenn Sie wissen wollten, wohin
Sie wegen dieser Geldforderung kommen müßten, dann möchten Sie
diese Nummer anrufen."
Kranewitt stürzt an den Fernsprecher und dreht die Nummern-
scheibe: 3—7—5—9. Erwartungsvoll preßt er den Äörer ans Ohr.
And dann schallt es ihm entgegen: „Lier Städtische Irrenanstalt!"
vulkanische Erscheinungen zu erwarten. Daß Zyklone, d. h. Wirbel-
winde von gewaltigem Ausmaß unsere Gegend streifen, halte ich
für absolut sicher. Wir haben also mit Wolkenbrüchen zu rechnen.
Ist das klar?"
„Jawohl," sagte ich.
„Wenn Sie sich übrigens für unser Fach interessieren, dann
kommen Sie doch mit in den Photographiesaal. Da hält Geheimrat
Stülpnagel einen Vortrag über das Thema Wetterbildung. Sie
können da sehen, wie abwegig ein sonst so klarer Wissenschaftler wie
Stülpnagel über das Wetterproblem denkt. Er ist eben leider Gottes
in seiner Jonentheorie so befangen, daß er nichts andres mehr sieht."
Geheimrat Stülpnagels Rede schwirrte von positiven und ne-
gativen Ionen, von Ladungen, elektrischen Feldern und lauter
Dingen, die mit Wetter nicht das geringste zu tun haben. Zum
Schluß erläuterte er als Beispiel das in Aussicht stehende Oster-
wetter. Er leitete elektrischen Strom in einen Glaskasten, pumpte
Wasserdampf hinein und erzielte eine Vereisung des Glasgehäuses.
Durch die Reihen der Koryphäen ging ein Raunen. Er schloß:
„So sehen wir denn, verehrte Anwesende, daß unter diesen Am-
ständen mit absoluter Sicherheit Äagel zu erwarten ist."
Ich wollte gerade meine niederschmetternden Eindrücke an Elli
telephonieren, als mich Onkel Cyprian ansprach.
„Ich habe gerade mit dem Kollegen Tüftelmeier gesprochen,"
sagte er, „seine Ansicht, daß unter den gegebenen Bedingungen zu
Ostern Rauhreif eintreten wird, scheint mir genügend begründet."
Ich dankte und ging.
Mit Elli bin ich vollständig verkracht. Zufolge meiner Infor-
mationen ließ Elli das Grüne machen — und Ostern hatten wir
strahlenden Sonnenschein.
„Ich Hab' dir Schokolade mitgebracht, Paulchen-du mußt aber
der Mutter was Ordentliches abgeben."
„Schenk' sie lieber der Mutier, Onkel, und laß' die mir was abgeben."
Osterwetter
Von Curry
Elli bestand daraus, zu erfahren, was Ostern für Wetter sein
würde. Wenn die Sonne scheine, dann wollte sie das Blaue fertig
machen lassen — ihre Freundin Aschi sollte die Platze kriegen! Wenn
die Sonne nicht schiene, sollte der Schneider das Grüne in Arbeit
nehmen. Da gerade ein Meteorologenkongreß in der Stadt statt-
fand, bei dem mein Onkel Cyprian eine nicht unbedeutende Rolle
spielte, gab ich Ellis Drängen nach und suchte den Onkel eines
Morgens in der Sternwarte auf.
Ich wurde in den Observationsraum ge-
wiesen. Dä lag der Onkel fast waagrecht unter dem
Fernrohr. Er maß die Temperatur auf dem
45. Breitengrade des Mars. Ich traute mich gar
nicht, ihn zu stören, sondern wartete, bis er fertig
war, und als er endlich aufstand, brachte ich es
nicht fertig, ihn nach etwas so Banalem wie dem
kommenden Oslerwetter zu fragen. Statt dessen
hielt mir mein Onkel einen dreistündigen Vortrag
über die Lebensbedingungen auf dem Mars. Als
er schließlich auf Wolken zu sprechen kam, hakte
ich geschickt ein und fragte nach dem Osterwetter.
Onkel Cyprian sah mich sinnend an und holte
folgendermaßen aus:
„Nach meinen Berechnungen muß am
28. März 1934 eine Sonnenprotuberanz auf-
leuchten, deren Länge ein Viertel des Sonnen-
durchmessers beträgt. Diese Explosion wird so
viel Sonnenstaub ins All schleudern, daß am
1. April ein schweres magnetisches Gewitter auf
der Erde eintreten muß."
„Also regnet es zu Ostern?"
„Das ist nicht ausgemacht. Es gibt mag-
netische Gewitter mit und ohne Niederschläge auf
der Erde. Da sind viele Punkte von Wichtigkeit.
Warte mal, ich werde dich dem Professor Bohn-
säck vorstellen, der ist in solchen Fragen kompetent."
Professor Bohnsack nahm mich beiseite und
hielt mir einen längeren Vortrag. Er ließ diskret
durchblicken, daß die Anschauungen meines Onkels
veraltet seien. Er zog eine ellenlange Tabelle aus
der Tasche, die mit Logarithmen besät war. Mir
schwindelte. Ich hatte in Mathematik immer
Mangelhaft gehabt.
„Sehen Sie," sagte Professor Bohnsack, „das
ist eine kleine Rechnung, die ich im v-Zug an-
gestellt habe. Voraussichtlich wird gerade zu
Ostern ein« alte Bruchspalte im Atlantik aus-
brechen. Es sind infolgedessen Seebeben und
Vorteilhafter
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Vorteilhafter"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Entstehungsdatum
um 1934
Entstehungsdatum (normiert)
1929 - 1939
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 180.1934, Nr. 4626, S. 207
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg