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Die Wasserprobe
3a, es war gemein von unsl And außerdem war es dumm.
Jedesmal am Sonnabendmittag, wenn das Wochenende über uns
verschlackte Städter hereinbricht, streuen wir Asche auf unsre Läupter
und schlagen uns jammernd vor die weiche Lemdbrust. Natürlich
bildlich gesprochen — sowohl Willi als auch ich verfügen nicht über
Asche: wir haben beide Dampfheizung.
Wie schön war es in Ottos neuem Leim draußen im Flußtal
gewesen! 3m Geist zogen wir jeden Sonnabend Willis Kleinstwagen
aus der Garage. Was sage ich? Garage? Futteral wäre richtiger. And
dann sind wir, wenn der Wagen will, in einer Stunde draußen,
wenn er nicht will, liegen wir beide längelang drunter, schraubend,
klopfend, ölend und fluchend, Radfahrer fahren uns, unaufmerksam,
wie Radfahrer sind, mit Gut Lolz! über die Beine, und wir kommen
abends so gegen acht bei Otto an, der die Karten zum Dauerskat
aus lauter Verzweiflung schon 87mal gemischt hat.
And das alles ist nun vorüber! Wir haben es uns selbst ver-
scherzt. Eines Sonnabends, während einer unfreiwilligen Skatpause
— Willi beklebte sich gerade die Knöchel der rechten Land mit Leu-
koplast, weil er bei einem Grand aus der Land zu fest auf den Tisch
geschlagen hatte — also eines Sonnabends fragte ick Otto, ob er
hier draußen glücklich wäre.
Otto sagte: „3a. Wenn der Brunnen nicht wäre!"
Draußen schrie Willi auf: Otto hatte ihm statt Leukoplast ein
starkes Senfpflaster gegeben, das nicht mehr herunterging.
„Was ist's mit dem Brunnen?"
„Das Waffer ist gelb."
„Vielleicht ist Eisen im Boden?"
„Mit einem Stich ins Violette."
„Oder übermangansaures Kali," warf ich ein. „3n diesem Falle
würde ich den Grund bergmännisch ausbeuten."
„Ansinn! Das Wasser ist bestimmt bakterienhaltig. Das macht
mir schwere Sorgen. 3ch habe in den drei Monaten, die ich hier
wohne, auch schon ein halbes Pfund abgenommen."
„Das schadet dir nichts," meinte ich.
„Aber sonst habe ich jeden Monat ein halbes Pfund zugenom-
men," sagte Otto düster. „Macht also einen Gewichtsverlust von
2 Pfund. Das muß mit Gift Zusammen-
hängen."
„Mit Gift oder ohne Mitgift — das
steht dahin," sagte ich tief. „Auf jeden
Fall würde ich das Wasser untersuchen
lassen."
„Willst du nicht endlich ausspielen?"
schimpfte Willi, dessen Landrücken wie
ein Wasserkissen aussah. Gedämpft schlug
er damit auf die Tischplatte, was sehr
nervenschonend war.
Als wir am Sonntagabend nach Lause
fuhren, drückte Otto mir eine Flasche in
die Land.
„Sei so gut, bring das zum Sanitäts-
rat Tibialis I" sagte er. „Er soll es unter-
suchen."
3ch schob Willi die Flasche in den Auto-
mantel, denn er fuhr auf dem Leimweg
beim Sanitätsrat vorbei.
Als wir am nächsten Sonnabend wieder
hinausfuhren, wollte das Auto nicht. Zehn
Minuten vor der Ortschaft Klein-Schla-
wittchen blieb die Bestie stehen. Wir krochen
fluchend darunter. Rach zwei Stunden sagte
Willi:
„Sieh doch mal eben hinten rechts bei
mir nach! 3ch glaube, ich kriege von dem
Liegen ein Aeberbein."
Es war kein Aeberbein. Willi lag nur
auf der Flasche.
Unzufrieden
„Da hint steht einer auf dem Spitzkogel. Wenn ich gewußt hält', daß die Gegend so
schrecklich überlaufen ist, wär' ich nicht hergegangen!"
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Die Wasserprobe
3a, es war gemein von unsl And außerdem war es dumm.
Jedesmal am Sonnabendmittag, wenn das Wochenende über uns
verschlackte Städter hereinbricht, streuen wir Asche auf unsre Läupter
und schlagen uns jammernd vor die weiche Lemdbrust. Natürlich
bildlich gesprochen — sowohl Willi als auch ich verfügen nicht über
Asche: wir haben beide Dampfheizung.
Wie schön war es in Ottos neuem Leim draußen im Flußtal
gewesen! 3m Geist zogen wir jeden Sonnabend Willis Kleinstwagen
aus der Garage. Was sage ich? Garage? Futteral wäre richtiger. And
dann sind wir, wenn der Wagen will, in einer Stunde draußen,
wenn er nicht will, liegen wir beide längelang drunter, schraubend,
klopfend, ölend und fluchend, Radfahrer fahren uns, unaufmerksam,
wie Radfahrer sind, mit Gut Lolz! über die Beine, und wir kommen
abends so gegen acht bei Otto an, der die Karten zum Dauerskat
aus lauter Verzweiflung schon 87mal gemischt hat.
And das alles ist nun vorüber! Wir haben es uns selbst ver-
scherzt. Eines Sonnabends, während einer unfreiwilligen Skatpause
— Willi beklebte sich gerade die Knöchel der rechten Land mit Leu-
koplast, weil er bei einem Grand aus der Land zu fest auf den Tisch
geschlagen hatte — also eines Sonnabends fragte ick Otto, ob er
hier draußen glücklich wäre.
Otto sagte: „3a. Wenn der Brunnen nicht wäre!"
Draußen schrie Willi auf: Otto hatte ihm statt Leukoplast ein
starkes Senfpflaster gegeben, das nicht mehr herunterging.
„Was ist's mit dem Brunnen?"
„Das Waffer ist gelb."
„Vielleicht ist Eisen im Boden?"
„Mit einem Stich ins Violette."
„Oder übermangansaures Kali," warf ich ein. „3n diesem Falle
würde ich den Grund bergmännisch ausbeuten."
„Ansinn! Das Wasser ist bestimmt bakterienhaltig. Das macht
mir schwere Sorgen. 3ch habe in den drei Monaten, die ich hier
wohne, auch schon ein halbes Pfund abgenommen."
„Das schadet dir nichts," meinte ich.
„Aber sonst habe ich jeden Monat ein halbes Pfund zugenom-
men," sagte Otto düster. „Macht also einen Gewichtsverlust von
2 Pfund. Das muß mit Gift Zusammen-
hängen."
„Mit Gift oder ohne Mitgift — das
steht dahin," sagte ich tief. „Auf jeden
Fall würde ich das Wasser untersuchen
lassen."
„Willst du nicht endlich ausspielen?"
schimpfte Willi, dessen Landrücken wie
ein Wasserkissen aussah. Gedämpft schlug
er damit auf die Tischplatte, was sehr
nervenschonend war.
Als wir am Sonntagabend nach Lause
fuhren, drückte Otto mir eine Flasche in
die Land.
„Sei so gut, bring das zum Sanitäts-
rat Tibialis I" sagte er. „Er soll es unter-
suchen."
3ch schob Willi die Flasche in den Auto-
mantel, denn er fuhr auf dem Leimweg
beim Sanitätsrat vorbei.
Als wir am nächsten Sonnabend wieder
hinausfuhren, wollte das Auto nicht. Zehn
Minuten vor der Ortschaft Klein-Schla-
wittchen blieb die Bestie stehen. Wir krochen
fluchend darunter. Rach zwei Stunden sagte
Willi:
„Sieh doch mal eben hinten rechts bei
mir nach! 3ch glaube, ich kriege von dem
Liegen ein Aeberbein."
Es war kein Aeberbein. Willi lag nur
auf der Flasche.
Unzufrieden
„Da hint steht einer auf dem Spitzkogel. Wenn ich gewußt hält', daß die Gegend so
schrecklich überlaufen ist, wär' ich nicht hergegangen!"
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Unzufrieden"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1934
Entstehungsdatum (normiert)
1929 - 1939
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 181.1934, Nr. 4641, S. 18
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg