Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Der Besuch

„Aber ich will doch keinen Staubsauger vorführen-"

Die Türe hatte sich schon geschlossen. Egon stand im Dunkeln.

Er tastete sich an der Wand entlang, drückte unversehens auf
einen zweiten Klingelknopf. Eine Türe ging auf.

„Ich habe alles mit angehört," sagte der junge Mann mit dem
langen Künstlerhaar und dem Flatterschlips. „Da sehen Sie es: das
ist nun die Amwelt, in der ich zu leben und zu arbeiten gezwungen
bin." Dann ergriff er Egons linke Land und schüttelte sie so lange,
bis der Karton mit den Pralinees zu Boden plumpste. „Edler Wohl-
täter," fuhr der junge Mann fort, „Sie müssen eilen, wenn Sie
mein Manuskript noch rechtzeitig morgen in der Druckerei abliefern
wollen. Der Nachtzug geht in knapp dreiviertel Stunden. Gehen
Sie, gehen Sie!" And damit schob er Egon ein schweres, umfang-
reiches Paket unter den Arm, entflammte ein Taschenfeuerzeug, das
er über das Treppengeländer hinaushielt, und schob Egon mit sanfter
Gewalt die Stiegen hinunter. „Das Licht funktioniert nur von
unten," rief er ihm nach. Egon blieb erschöpft und aufatmend im
Lausgang stehen. Oben klappte der Dichter die Türe zu.

Eine wilde Entschloffenheit kam über ihn. Er ging zurück und
trat mit dem Fuß — Lände hatte er jetzt nicht mehr frei — an die
mehr geahnte als gesehene Korridortür im Parterre.

Ein Mann in Lemdärmeln öffnete. Durch den ziemlich ärm-
lichen Korridor hindurch sah man in ein bescheidenes Wohnzimmer.
Auf dem Tisch standen eine Menge volle und leere Bierflaschen.

Der Mann umarmte Egon und drückte seinen Schnauzbart an
seine Wangen. „Ja, ist's denn wahr, bist du's denn wirklich?"

„Ja, ich bin's wirklich," gab Egon schwach zu. Er hatte nur noch
das eine Bestreben, die vielen Pakete abzustellen und sich hinzusetzen.

„Also, Vetter Kurt, den ich nie im Leben gesehen habe und der

seit 20 Jahren in Amerika-Donnerwetter, du hast dich aber

gut gehalten. Junge! Eigentlich habe ich dich ja erst morgen er-
wartet, aber seit acht Tagen saufe ich mir jeden Abend einen an, vor
lauter Freude über dein Kommen. Zeig mal her, was hast du denn da ?"

Der Mann packte aus. „Ah, Blutorangel — Na, weißt du.
Blumen, das war nu nicht nötig. Das Geld für das Gemüse hättest
du dir sparen können. And Pralinees? Na ja, wenn man nur recht
viele Kognakbohnen dabei sind. Die süßen frißt Ioko ja ganz gern."

Im Zimmer lag beißender Zigarrenrauch. Egon schenkte sich ein

Friseur: „Danke schön, aber warum geben Sie
mir das Trinkgeld vorher?" — Kunde: „Schweige-
geld, mein Lieber. Ich wünsche keine Anterhaltung."

„Die Suppe war ein wenig versalzen, Anna."
„Aber nicht Ihretwegen, Lerr Sekretär!"

Glas Bier ein und stürzte es auf einen Zug hinunter. Dann
entkorkte der Mann die Likörflasche. And dann wurde es
tatsächlich ein sehr gemütlicher Abend.

Angefähr um zwei in der Nacht entsann sich Egon,
weshalb er eigentlich hierhergekommen war, und fragte:

„Sag mal, Willi, wohnt hier im Lause nicht Taffert —
Gustav-Adolf-Straße 2 ?"

„Nee. Wir sind doch hier Gustav-Adolfplatz 2, die
Straße ist ja in einem ganz andern Viertel, dreiviertel
Stunde von hier. Aber das ist sonderbar: gestern hat ein
Dienstmann einen großen Blumenkorb hier bei mir gelassen,
für ein Fräulein Ellinor — ja, warte mal, ich glaube
wahrhaftig, die hieß auch Taffert."

„Ach so!" sagte Egon, und dann ging er in die häßliche
Februarnacht hinaus.

Das Kindchen

Wusternacks haben ein Söhnchen, das jetzt ein Jahr
alt ist. Wusternacks sind der Meinung, es sei ein sehr
hübsches Kind. Run, dafür sind sie ja die Eltern. Andere
Leute urteilen mehr objektiv.

Wusternacks haben, nachdem die alte Kinderfrau, die
nur Säuglinge betreut, abgegangen ist, jetzt ein Kinder-
mädchen genommen, das aber mehr ein Kinderfräulein zu
sein wünscht. Deshalb hat sie auch abgelehnt, eine besondere
Tracht anzulegen, mit einem weißen Läubchen. Sie heißt
Anna, möchte aber Anny gerufen werden.

Eine Woche lang hat Anny den Wusternackschen Spröß-
ling spazieren gefahren, da kommt sie mit einer Bitt,-.
„Gnädige Frau, ich möchte nun doch lieber den Amyang
und das weiße Läubchen tragen."

Darüber freut sich Frau Wusternack. „Ah, Sie haben
eingesehen, daß es doch besser für Sie paßt."

„Ja, gnädige Frau — — manche Leute denken ja
sonst, das wäre mein Kind." —on.

271
Image description

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Friseur: 'Danke schön, aber ...'" "Die Suppe war ein wenig versalzen ..."
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Kommentar
Bauer

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Reinhardt, Franz
Entstehungsdatum (normiert)
1933 - 1933
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 181.1934, Nr. 4656, S. 271

Beziehungen

Erschließung

Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg
 
Annotationen