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Julius

gehört. Wir haben ihn nie anders genannt — — aber er heißt
ja Julius!"

„O weh, das ist allerdings unangenehm. Ich habe den Lund
zwar schon zwei Jahre; ich habe ihn Julius genannt, als ich noch

gar nichts von eurem Onkel Poggwisch wußte-das kann ich

beweisen. Aber es geht natürlich nicht: wenn der Onkel hier ist,
können wir doch nicht Julius rufen, damit der Lund kommen soll.
Das wäre peinlich. Wir müssen den Lund so lange fortgeben."

Aber davon wollte die junge Frau mit Recht nichts wissen.
„Ausgeschlossen! Da käme er ja vor Kummer um. Du hast die Dumm-
heit mit dem Namen gemacht-überlege dir jetzt, was du am

besten tun kannst!"

„Schön, ich werde überlegen!" sagte Max Zünder und fuhr ins
Büro. Dort erzählte er dem Kollegen Sperling, der ein anschlägiger
Kopf war, von seiner Verlegenheit. Der Sperling kannte übrigens
den Neufundländer und schätzte ihn; der Name Julius hatte ihm
aber auch nicht gefallen. „Sehen Sie, das kommt davon! Warum
haben Sie dem Lund nicht einen ordentlichen Namen gegeben, wie
er für einen Neufundländer paßt: Pluto oder Nero oder Phylax
oder Cäsar — — aber halt: rufen Sie den Lund jetzt Julius Cäsar,
solange der Onkel da ist! Auf Julius wird er hören, und Cäsar
wird ihm egal sein."

Aber der Vorschlag gefiel Max Zünder nicht; ein Doppelname
für einen Lund wäre albern, und außerdem wäre ja doch noch immer
der Julius dabei. „Wissen Sie nicht einen richtigen Lundenamen,
der ganz ähnlich wie Julius klingt? Daß der Lund kaum einen Unter-
schied merkt."

„Solch einen Lundenamen gibt's nicht. Aber sonst: Julius-

was klingt wie Julius? Wie wäre es mit Tullius?"

„Tullius ist gut. Darauf wird der Julius auch hören."

„Nun, vielleicht wird er doch stutzen. Am Ende wird der brave
Lund in de» Verdacht kommen, etwas unfolgsam zu sein. Ich habe
kürzlich über interessante Versuche eines Lundepsychologen gelesen.
Der hat drei jungen Lunden ganz ähnlich klingende Namen gegeben:
Pollo, Rollo und Lollo. And die Lunde haben die Namen nachher
ganz genau unterschieden."

„Ich nehme Tullius!" entschied sich Max Zünder, und auch Meta
fand, das wäre wohl der beste Ausweg.

Onkel Poggwisch kam mit Geschenken für die beiden jungen
Eheleute angezogen. Aber er weinte beinahe, weil er für das dritte
Familienmitglied, von dem er bisher nichts gewußt hatte, nicht auch
etwas mitgebracht hatte. „Kinder, das ist ja ein wundervoller Lund!
Wie heißt er denn?"

„Tullius!" sagte Max Zünder. Seine Gattin konnte nicht ant-
worten, sie hatte sich gerade verschluckt.

Onkel Poggwisch gefiel der Name nicht. „Das ist kein Name für
solch einen famosen Lund! Warum Tullius?"

Max Zünder hatte eine feine Erklärung bereit. „Weil ich doch
Jurist bin — — aus Verehrung für den großen römischen Rechts-
anwalt Cicero: Marcus Tullius Cicero. Weil Cicero sich nicht gut
rufen läßt und Marcus zu jüdisch klingt, auch wegen des Evangelisten
nicht geht, blieb eben nur Tullius übrig."

„Ach, so ist die Sache!" sagte Onkel Poggwisch. Aber er schüttelte
immer den Kopf, wenn Zünders dann „Tullius!" riefen und meinte,
der Lund sei wohl auch nicht recht zufrieden mit diesem absonder-
lichen Namen, denn er folge manchmal recht zögernd darauf.-

Als Max Zünder am nächste» Tage aus der Stadt zurückkam,
holte ihn Onkel Poggwisch vom Bahnhof ab. Er hatte sich die Gegend
angesehen, und den Lund hatte er mitgenommen. „Ein Prachtkerl
ist das! Und wie wir uns schon angefreundet haben! Bloß der
Name, der verrückte Name gefällt mir nicht. Aber mir ist was ein-
gefallen. Ich habe was probiert. Wo ist er denn? Ah, da drüben
kuckt er bei dem Fleischer hinein. Trifft sich ausgezeichnet — —
passen Sie mal auf!" And der Onkel Poggwisch rief: „Julius!
Julius!" And der Lund kam sofort gesprungen.

$Tar[ fOay

und bas Sparkassenbuch



C§« was einmal bis spät in die

«in Mm», See . _ - , N «Ru Nacht hinein und

plagte sich van früh N\v'" schloß die Sonne au«

seinem Leezen au«. Da« licht, da« sein Dasein erhellte, kam von der Hoffnung ans
ein unabhängiges, ein „freie«" Leben ohne Rücksichten und Verantwortungen, wenn
sich einmal sein Sparguthaben zu einer schönen fünf-
stelligen Ziffer ausgehäuft haben würde / And so schloß
er Leben und Freunde, Miterleben und Mitsreude au«
seinem Leben au«, bi« er verlnöcherte. Die Marksteine
seine« LebenSablaufe« waren die Tage,
an denen erwieder einmal neue 50Mark
seinem Konto gutgeschrieben fand. Da«
war dcrMaßstab seine« Glück«.

Und er hütete sein Kassenbuch ängstlich - hinter
alten, längst gelesenen Büchern versteckte er e«. (Neue
Bücher zu kaufen war Luxus, alte,
liebgcwordene wieder zu lesen, war

Zeitvergeudung undArbeitoablenlung.) Er weidetesichjedenAbend
an den steigenden Früchten seine« selbstsüchtigen Fleißes, die er sich
und anderen vom Munde abgespart hatte / Wie er nun eine«
Abend« tm frühen Dezember sich ausgerechnet hatte, welche
Summe er feinem Kapital am Jahresende zuführen könnte, und
' wie er hastig hinter die alten Schmöler griff, um schnell den
Gewinn de« Fahre« auszurechnen, da riß er mit feinem Spar-
kaffenbuch zugleich einen alten, zerlefenen Band heraus, und aus
der aufgeschlagenen Seile konnte er beim Niederbeugen entziffern: „Hadschi Hales
Omar Ben Hadschi Abul Abba« Fbn Hadschi Dawud al Goffarah".
Da stand plötzlich „Old ^ „Winnetou" schwang die „Silber-

Shatterhand", der //, büchse" und der„nie fehlende Bären-

tzeld seiner gläubigen töler" schoß den Panzer seine« selb-

Fugend auf und galop- C i\* stischen Ich« zu Trümmern / Die

vierte aus dem Hengst \ Dioiennpr-easiim« fand ihn am

„Nhi" sein Sparkassen- ZT \ ' \ T Schreibtisch, umgeben von „Dal-
buch über den Haufen. h'l fein und Orangen", dem „Schah

im Silhcrsee" und dem „Letzten der Mohikaner", eifrig und nachdenklich
bei der Ausstellung einer Liste / An diesem Tage vergaß die Uhr im Spar-
kaffengebäude Halbzehn zu schlagen und blieb stehen, denn da trug er lächelnd
ein hübsche« Sümmchen heraus - er, Ser Fahre hindurch trocken und verbittert
Silderflücke und Papierscheine i n S Haus gebracht hatte / And als die
Weihnachtsglocken läuteten, da saß er unter seinem Tannenbäumchcn, da« Spar-
buch in der San», und freute sich wie noch nie seit seinen Fugendtagen - freute
sich über da« große Loch in feiner Kaffe. Er dachte an Paul und die langersehnte
Uhr, an Martha mit den Hängezöpsen, ob thr wohl die Kletterweste gefiele, an
seine Eousine Erna, die Wert daraus legte, schön und jung auszusehen, ob sie
wohl Seife und Hautcreme zu schätzen wisse (sorg-
fältig für ihren Typ ausgewählt), an Ohm Paul
und sein Gesicht, wenn er gerade ihn al« Spender
Ser Kleinschreibmaschine, der Zigaretten und
der Weihnachtsgan« erkennen würde, und
Peter, ja der Peter, der liegt wohl jetzt längst.
aus dem Bauch unter dem Kerzenschein und liest
von Ehingachgook, den Rotröcken und den glück-
lichen Weilen der ewigen Fagdgesilde / &o kam
da« Glück zu unserm Freund: Milerleben und
Milsreuen, weil man anderen Freude geben dars.

Anzeigen-Annahme: Verlag „^'liegende Blätter“, München 27, Möhlstr. 34 und alle Annoncen-Expeditionen.

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