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Der Selbstmörder V°» «Zo»«

„. . . denn unter dem Vorwand, ihn von seinen Angftvorstel-
lungcn zu befreien, hatte ihn Dr. Marabcscu in tiefe fIypnose ver-
setzt. Im Tiefschlaf aber hatte er seinem Widersacher den Befehl
gegeben, in der Apotheke Strychnin zu holen — ein entsprechendes
Rezept hatte er ihm in die Brieftasche praktiziert — dann den
O-Jug nach Lamburg zu besteige» und Punkt 10 das Gift zu
nehmen.

Der Apotheker zog die Stirne kraus, als er das Rezept las,
tvagte aber keine» Einwand, da es von dem berühmten Gelehrten
stammte und die gewaltige Dosis außerdem ordnungsmäßig mit
einem Ausrufungszeichen versehen war. Den Zugbeamten fiel der
verstörte Lerr in dem eitisame» Abteil 1. Klasse wohl auf, aber da
er die Gangvorhänge fest zugezogen hatte, nahmen sie an, der Fahr-
gast wolle schlafen, und ließen ihn ungestört.

Am II Ahr öffnete der Zugkontrolleur die Türe. Als der in
den Polstern ausgestreckte Mann aus mehrmaligen Anruf kein
Lebenszeichen gab, rüttelte er ihn. Dann fuhr er zurück: der Mann
war tot.

Auf dem Boden des Abteils fand sich ein leeres Fläschchen."

Ich klappte das Buch zu. Der V-Zug ratterte weiter. Gräßlich!
Ich schwor mir, nie mehr Kriminalromane mit auf die Reise zu
nehmen.

Da fiel mein Blick auf den Lerrn, der mir gegenüber saß. Sein
Gesicht zuckte nervös, seine Augen flackerten, manchmal ging es wie
ein Schütteln durch seinen Körper, und — was war das? — er hatte
ein Fläschchen in der Land, das er mir ganz offenbar verbergen
wollte. Meine Land zuckte schon hinüber, um es ihm zu entreißen
— wahrscheinlich hatte ich ihn gerade in dem Augenblick gestört, als
er den Inhalt einnehmen wollte, doch dann besann ich mich, daß ich
schließlich kein Recht dazu hatte.

Der Mann stand auf und ging auf den Gang hinaus. Jetzt
steckt er das Gift wieder zu sich, um eine günstigere Gelegenheit
abzuwarten, dachte ich. Der Gang war menschenleer, der Zug über-
haupt nur schwach besetzt. Jetzt ging der Mann den Gang entlang,
nach rückwärts, mehr schwankend, als die Schaukelbewegungen des
Zuges es veranlassen konnten, wie mir schien. Ich drückte mir die
Rase an der Scheibe platt, um ihn mit dem Blick verfolgen zu
können. Sollte er vielleicht hinten herausspringen wollen? Wir
saßen im letzten Wagen. Aber nach einem sekundenlangen Ver-
schwinden um die Biegung des Ganges am Wagenende erschien er
wieder. Er pendelte an unser»» Abteil vorbei nach vorn. Ver-
mutlich stand hinten jemand. Ich sprang auf und ging nach hinten:
da war niemand.

Als ich den Gang wieder übersehen konnte, kam er gerade uin
die vordere Biegung herum. Er strich sich über die Stirn »vie einer,
der ein Leer von quälenden Vorstellungen nicht los wird.

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Dann ging er in den Speisewagen. Ich folgte ihm unauffällig.
Er bestellte einen Kaffee — und rührte ihn nicht an. Er bestellte
einen großen Kognak und stürzte ihn hinunter, gleich darauf noch
einen. Aha, er trinkt sich Mut an! Ich beobachtete ihn im Spiegel.
Plötzlich riß er die Augen weit auf, als sähe er etwas furchtbares.
Dann ein rascher Griff in die Westentasche, und ehe ich es verhindern
konnte, hatte er sich schon die Tabletten in den Mund geworfen und
spülte sie »nit Kaffee hinunter. Er sprang auf und stürzte dem jen-
fettigen Ausgang zu.

„Aufhalten!" schrie ich, daß es das Geräusch des Zuges über-
tönte. Ein Koch in einer weißen Mütze steckle den Kopf suchend zur
Küchentür heraus. Ich deutete aus den Davon-
eilenden. „Aushalten!" Der Zugkellner kain
mit einein Servierbrett entgegen. Er konnte
nicht inehr entkomme». Was tun? Das Gift
entfernen! Ich zerrte die erste beste Abteiltür
auf und riß einer sanft duselnden Dame eine
Taubenfeder vom Lut, die ich im nächsten
Moment dem Unglücklichen in den Rachen
senkte. Der Erfolg war vollkommen. Er schien
total erschöpft. Dann betteten wir ihn in ein
leeres Abteil.

„Gemeinheit!" gurgelte der Mann.

„Still! Sie sind dem Leben wiederge-
geben."

„Quatsch!" sagte er. „Was fällt Ihnen
überhaupt ein?" Er hielt mir das leere
Fläschchen entgegen. Auf dem Etikett stand: Abführpillen.

Der Lehrer beschäftigt sich mit den Symbolen der verschiedenen
Jahreszeiten.

„Also: Der Schnee bringt uns den Winter, die Winde melde»
den Lerbst. Wer bringt uns den Kuckuck, Müller?"

„Der Gerichtsvollzieher, Lerr Lehrer."

„Sind denn Luftbäder auch »virklich gut für Rheumatismus?"
„And ob! Ich habe ineinen auch davon!"

„Die jugendliche Liebhaberin ist in dieser Rolle einfach glänzend!"
„Kunststück! Sie spielt diese Rolle auch schon seit über zwanzig
Jahren!"

Ja so!

„Wie hast du denn deine Pneumatiks so schrecklich zerschnitten?"
„Ich bin über eine zerbrochene Flasche gefahren."

„Ja, hast du denn die Flasche vorher nicht gesehen?"

„Nein, sie war in der Tasche des Mannes."

Beim Kunstmaler

„Was, dreihundert Mark wollen Sie für das eine Bild da?
Sie tun ja gerade so, wie wenn Sie schon fünfhundert Jahre tot
wären!"

Sonderbare Mitgliedschaft

An einer von der Lauptstraße abzweigenden Nebenstraße unseres
Bezirkes ist eine Warnungstafel aufgestellt. Darauf ist zu lesen:
„Das Befahren dieses genoffenschaftlichen Weges ist nur Mitgliedern
mit einem Löchstgewicht von 25 Zentnern bei trockenem und bis zu
20 Zentnern bei nassein Wetter erlaubt. Verfehlungen werden ge-
richtlich verfolgt."
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Der Selbstmörder"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Claus, Martin
Entstehungsdatum
um 1934
Entstehungsdatum (normiert)
1929 - 1939
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 181.1934, Nr. 4663, S. 382

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Erschließung

Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
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