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o

Seltener Vorfall in der

StraßeNbahN Von Peter Robinson

An der Laltestelle der Straßenbahn stehen bereits mehr Leute,
als der nächste Wagen aufnehmen könnte, selbst wenn er ganz leer
ankommen würde. Er kommt aber nicht leer an, sondern so stark
besetzt, daß die Pessimisten unter den Wartenden sagen: „Da ist ja
an Mitkommen nicht zu denken!" während die Optimisten meinen:
„Na, vielleicht kann man sich doch noch 'reinquetschen I" Es wäre
interessant, zu wissen, ob dann nachher unter den Siegern bei dem
Sturm auf den Wagen mehr von den Pessimisten oder mehr von
den Optimisten sind. Man müßte einmal in solch einem Fall eine Fest-
stellung versuchen. Aber die Leute würden einem kaum die Wahr-
heit sagen.

Es wird gleich regnen, die ersten Tropfen fallen schon, und des-
halb ist der Ansturm diesmal besonders heftig. Er wird beendigt,
dadurch, daß auf der vorderen Platt-
form der Wagenführer erklärt, wenn
jetzt noch eine Person und selbst die
allerdünnste sich zu ihm dränge, dann
werde er nicht fahren, das könne er
verweigern, das sei ihm sogar vorge-
schrieben -während auf der Hin-

teren Plattform der Schaffner ruft:

„Aber meine Lerrschaften, es geht
wirklich nicht! Das müssen Sie doch

einsehen! --Nein, mein Lerr, auch

Sie nicht! Bleiben Sie zurück!"

Das gilt einem beleibten, stark
schnaufenden Lerrn, der die Griffstange
nicht loslassen will. „Ich muß mit,

Schaffner-meine Frau ist ja

schon im Wagen."

„Unmöglich-nehmen Sie den

nächsten Wagen!"

Der Lerr läßt die Griffstange los.

„Also dann-hier, Schaffner, sind

20 Pfennige! Falls meine Frau kein
Geld mehr bei sich hat!" Er schreit das
so laut, daß alle Leute im Wagen es
hören müssen, aber natürlich will er
nicht alle Leute, sondern nur seine
Gattin in Kenntnis setzen.

„Schön, wird gemacht, Lerr!" sagt
der Schaffner. Er gibt das Zeichen,
und der Wagen fährt weiter.

Der Schaffner kassiert und verab-
folgt Fahrscheine, hier einen, da einen
und dort noch einen. Er kommt zu einer
jungen Dame in einem auffallend
grünen Plüschmantel; ihr Laar, das
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von einem gleichfalls grünen Plüschhütchen nur knapp zu zwei Dritteln
bedeckt wird, ist zur Zeit plattinblond, verrät aber, daß es nicht immer
so gewesen ist; sie hat rasierte Augenbrauen und angestrichene Lippen.
Diese Dame hat schon auf den Schaffner gewartet. „Columbusstraße!"
sagt sie. And dann zeigt sie nach der Gegend, die der Wagen hinter
sich läßt. „Mein Mann hat Ihnen--"

„Jawohl!" sagt der Schaffner. „Stimmt!" und dann gibt er ihr
einen Fahrschein.

Der Schaffner verkauft noch einen Fahrschein, hat eine Auskunft
zu geben und ruft dann: „Sonst noch jemand ohne Fahrschein?" Er
steht gerade vor einer Dame, die in einem Buche liest; sie mag Mitte
der Vierzig sein und trägt ein schwarzes Kostüm. Jetzt, bei der Frage

des Schaffners, sieht sie auf: „Ja, bitte-Berzeliusplatz! Mein

Mann hat Ihnen schon das Fahrgeld gegeben; er ist nicht mehr
mitgekommen."

Der Schaffner ist überrascht. „Das muß 'n Irrtum sein."

Die Dame in Schwarz klappt ihr
Buch zu. „Aber nein — ich habe es
doch deutlich gehört. Und Sie sagten
darauf: ,Schön, wird gemacht!' Also
haben Sie doch das Geld genommen."
„Labe ich! Aber das war doch für

eine andere Dame-für die da!"

Er zeigt auf die junge Dame in Grün.
Diese beißt die Lippen zusammen, was
sie eigentlich wegen der Färbung nicht
tun sollte; sie wirft den Kopf zurück
und interessiert sich für Plakate ihr
gegenüber.

Die Bevölkerung des Wagens wird
aufmerksam. Der Dame in Grün
gegenüber sitzt ein magerer Mann mit
einer Aktenmappe; er mag ein kleiner
Revisor sein oder etwas Aehnliches.
Er hat die junge Dame in Grün be-
wundernd angestiert, nun wendet er
sich ihr zu: „Ist ja unerhört, gnädige
Frau! Dürfen Sie nicht durchgehen
lassen. Ist ja Betrugsversuch!" — Die
Dame in Grün zuckt nur kaum merk-
lich die Achseln.

Die Dame in Schwarz ist bestürzt.
Sie sieht in ihre Landtasche: nein, sie
hat wirklich kein Geld. „Dann steige
ich an der nächsten Laltestelle aus."
— Der Mann mit der Aktenmappe
meckert höhnisch; die Dame im grünen
Plüschmantel interessiert sich weiter
für die Plakate.

Aber der Wagen kommt zunächst
nicht bis zur nächsten Laltestelle; er

Die Entfettungskur „Der Doktor meint,

durch diese Morgengymnastik muß ich Erfolg erzielen;
tatsächlich schmeckt mir das Frühstück jetzt doppelt so gut."
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Die Entfettungskur"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Croissant, Eugen
Entstehungsdatum
um 1935
Entstehungsdatum (normiert)
1930 - 1940
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Fliegende Blätter, 182.1935, Nr. 4693, S. 18
 
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