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Kleine Ursache — große Wirkung

Von Ferdinand Feber
Der große Lerr fixierte den kleinen Lerrn schon geraume Zeit.
Endlich erhob er sich und trat an den Tisch des kleinen Lerrn.

„Gestatten Sie mir eine Frage/ sagte er freundlich, „besitzen
Sie einen steifen grauen Lut?"

Der kleine Lerr war erstaunt. Er nickte erstaunt.

„Gestatten Sie mir noch eine Frage?"

„Bitte!"

„Rauchen Sie dicke Zigarren mit Bauchbinde?"

„Allerdings. Zuweilen. Aber ich verstehe nicht —"

„Gleich werden Sie verstehen. Vorher aber gestatten Sie mir
eine dritte Frage: ging Ihnen am zweiundzwanzigsten November
vorigen Jahres um sechs Ahr fünfundzwanzig Minuten auf der Bis-
marckstraße das Feuer aus?"

„Mein Büro liegt allerdings in der Bismarckstraße. Aber wie
soll ich mich jetzt noch an solche unbedeutende Einzelheit erinnern?"

Der große Lerr stand erhaben.

„Für Sie unbedeutend, mein Lerr, für Sie! Für mich aber war
es die bedeutendste Einzelheit meines Lebens. Sie müssen mir die
Ehre antun, drüben an meinem Tisch eine Flasche Wein mit mir
zu trinken."

„Meine Reise nach Indien ist durch den Tod eines Onkels veranlaßt."
„Aha, Testamentsbestimmung!" — „Nein, Tropenhelm geerbt."

Kopfschüttelnd folgte der kleine Lerr der
seltsamen Einladung.

„An jenem Abend," begann der große Lerr,
„baten Sie mich auf der besagten Straße um
Feuer. Es wehte ein heftiger Wind, und es
dauerte mindestens zwei Minuten, bis Ihre
Zigarre endlich brannte. Durch die zwei Minuten,
die ich verlor, gewann ich die süßeste Frau der
Welt. Als ich um die Ecke bog, huschte ein
entzückendes blondes Ding an mir vorüber.
Ich eilte ihr nach. Sprach sie an. Wir ver-
einbarten ein Rendezvous. Vor vier Wochen
wurde sie meine Frau." Mit einem verklärten
Lächeln tat der große Lerr einen Zug aus
seinem Glas.

„Ich bin der glücklichste Mensch unter der
Sonne! Meine Frau ist kein irdisches Wesen,
meine Frau ist ein Engel! And wer ist der Ar-
Heber meines Lebensglückes? Sie sind es, mein
Lerr I Lätten Sie mich damals nicht zwei Minuten
aufgehalten, so hätte ich meine Frau nie kennen-
gelernt. And deshalb wollte ich Ihnen danken,
aus tiefstem Lerzen danken!"

Er zerdrückte beinahe die Land des kleinen
Lerrn, der sich eine heimliche Träne der Rührung
aus dem Auge wischte.

Ein Jahr verging.

Im Gewühl des Domplatzes erkannte der
kleine Lerr plötzlich den großen Lerrn.

„Lallo!" rief er erfreut, „es freut mich. Sie
wieder einmal zu sehen!"

Der große Lerr blieb stehen. Sah den kleinen
Lerrn starr an. „Ja, erkennen Sie mich denn
nicht mehr? Ich bin doch der Begründer Ihres
Lebensglückes, die Ursache Ihrer Ehe!"

Der große Lerr sprach noch immer kein Wort.
Statt dessen holte er aus und versetzte dem
kleinen Lerrn eine schallende Ohrfeige.

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Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Meine Reise nach Indien ..."
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Croissant, Eugen
Entstehungsdatum
um 1935
Entstehungsdatum (normiert)
1930 - 1940
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 182.1935, Nr. 4694, S. 34

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CC0 1.0 Public Domain Dedication
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