Fliegende Blätter (182.1935 (Nr. 4666-4691) = 91. Jahrg.)

Zeichnung von ®. Traub

Ein

Fenster
wird \
geschloffen

In meinem Arbeitszimmer steht
Das Fenster stets im Sommer offen
Was auf der Straße vor sich geht.
Lat darum oft mein Ohr getroffen.

Die Straße ist recht einsam, und
Fast stets die gleichen Leute gehen
Bei mir vorbei; aus diesem Grund
Bleibt gleich das tägliche Geschehen.

Zu dem Spaziergang zieht dahin
Der Rat im Ruhestand, Baldamus.
Er ist ein Mann mit ernstem Sinn,
Doch Pfeift er gern ein: Gaudeamus!

Wenn er zum zweiten Mal austrägt.
Mag unser Briefträger gern weilen
Bei unserm Lerrn Portier; man pflegt
Sich das Polit'sche mitzuteilen.

Rach der Siesta später dann
Trifft längres Schwatzen meine Ohren:
Frau Bunkel trifft mit Frau Kochann
Zusammen; mir geht nichts verloren.

Schon kurz nach Zwölf kommt angeeilt
Der Sekretär; er gibt Signale
And pfeift von fern, daß unverweilt
Die Gattin rüste zu dem Mahle.

Bor meinem Fenster stehen sie
Oft lange, und ich hör' Geschichten,
Die störend und die Sympathie
Für diese Damen mir vernichten.

Spät abends aber, schon nach Zehn,
Kommt Fräulein Grete, mit dem Lündchen
Roch etwas auf und ab zu gehn;

Das dauert meist ein halbes Stündchen.

/T^ninÄ

Der Sommer ging, es bläst so kalt.
Mein Fenster muß geschloffen bleiben;

Ja, gar verdoppelt wird es bald.

Dann hör' ich kaum was durch die Scheiben.

Denn jemand kommt dann noch hinzu,
lud der heißt Kurt, wie ich vernommen.

Die Küsse knallten immerzu,
ft ist es auf ein Schock gekommen.-

Lebt wohl, Lerr Rat und Lerr Rendant,

Lerr Sekretär und Fräulein Grete!

Ich wünsche ihm, der Kurt genannt.

Daß er bald in den Eh'stand trete.

Frau Bunkel und auch Frau Kochann,
Ihr werdet mich jetzt nicht mehr stören.
Lebt wohl — und bis zum Frühling dann
Aus recht gesundes Wiederhören I
Robinson

96

l£urt Zlehank
iorm. E. Hütter

aOs. Buchhandluns