o
Eingeengter Absatz
Dr. Firmian Bock ist erst 30 Jahre alt; er kann also mit Recht
hoffen, ja, er ist sogar überzeugt, daß seine jetzt noch sehr kümmer-
liche Praxis sich entwickeln und einmal blühen und gedeihen werde.
Mittlerweile aber muß er auf andere Weise was dazu verdienen,
und das will er als Schriftsteller tun. Er hat ein Büchlein ge-
schrieben: „Wie werde ich 80 Jahre alt?" Daß ihm selber noch
50 Jahre dazu fehlen — nun, das macht nichts. Es haben ja auch
ganz arme Teufel Ratgeber verfaßt, wie man ungeheuer reich
werden könne.
Dr. Firmian Bocks Büchlein ist ungemein leichtfaßlich geschrieben;
der Dümmste kann es verstehen. Deshalb gefiel es sofort einem
Verleger, nämlich Emanuel Besenbinder, der zunächst nur in der
Erwartung, vielleicht von den ärztlichen Ratschlägen Nutzen haben
„Anna, warum drücken Sie denn Zitronensaft ins Goldfischglas?"
„Aber das sollten Sie doch wissen, Lerr Direktor, Zitronenwasser
ist doch viel erfrischender!"
zu können, von dem Manuskript Kenntnis nahm, dann aber auch
ein Geschäft darin sah. Also gut — er wird das Büchlein verlegen.
Aber etwas soll geändert werden: der Titel. Das Büchlein soll
heißen: „Wie werde ich 90 Jahre alt?" Oder besser gar: „Wie
werde ich 100 Jahre alt?"
Dr. Firmian Bock hat Bedenken. „Das möchte ich doch nicht,
Lerr Besenbinder. Ein Alter von 100 Jahren wird doch nur in ganz
seltenen Fällen erreicht; dafür kann man keine Verhaltungsmaß-
regeln aufstellen. Aber auf 80 kann man es, entsprechende ange-
borene Konstitution vorausgesetzt, bei vernünftiger Lebensweise wohl
bringen. Dahin zielen meine Ratschläge, und deshalb sage ich 80."
„Pah, daraus kommt es doch nicht an!" erklärt Emanuel Besen-
binder. „Das Buch soll doch so viele Käufer finden wie nur irgend
möglich. Na, und wenn Sie sagen: ,Wie werde ich 80 Jahre alt?" —
— dann kaufen es die Leute nicht, die schon 80 sind." — on.
Die Tafel
Auf dem Spaziergang machten wir vor dem Walde halt.
Max sagte: „Da gehe ich nicht rein!"
„Ja, warum denn nicht?"
„Da, schau auf die Tafel dortl Lier muß man ja einen Lund
mit in den Wald nehmen!"
„Du bist wohl verrückt, Max?"
„Ree! Da steht doch ganz deutlich: In diesem Walde müssen
Lunde an der Leine geführt werden!"
Der heiratslustige Großvater
Der Laufbursche kommt zum Prinzipal und bittet um Urlaub,
weil seine Großmutter gestorben sei. Mißtrauisch sagt der
Prinzipal:
„Lör mal, soviel ich mich erinnere, ist das schon die vierte
Großmutter, die stirbt!"
Aber schlagfertig antwortet der Berliner Junge: „Da können
Sie nichts gegen machen, mein Großvater heiratet immer wieder."
Kleine Philosophie bei Regenwelker
Alan ist eine Regenblase,
Ob Knecht, ob King, ob Lord,
Und schwimmt die große Straße
Mit andern Blasen fort.
Erst ist man klein und zierlich,
Man taucht ganz plötzlich auf —
Dann wird man unmanierlich.
Bläht sich entsetzlich auf.
Träg treibt man in die Fernen,
(Ans Zwang, nicht aus Bedarf)
Und meint, man stammt von Sternen,
weil man sie spiegeln darf.
Da plötzlich — armes Dingel! —
pfüht! ist es aus und gar,
Und nur ein kleiner Kringel
Zeigt, wo man einmal war.
Peter Kringel
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Eingeengter Absatz
Dr. Firmian Bock ist erst 30 Jahre alt; er kann also mit Recht
hoffen, ja, er ist sogar überzeugt, daß seine jetzt noch sehr kümmer-
liche Praxis sich entwickeln und einmal blühen und gedeihen werde.
Mittlerweile aber muß er auf andere Weise was dazu verdienen,
und das will er als Schriftsteller tun. Er hat ein Büchlein ge-
schrieben: „Wie werde ich 80 Jahre alt?" Daß ihm selber noch
50 Jahre dazu fehlen — nun, das macht nichts. Es haben ja auch
ganz arme Teufel Ratgeber verfaßt, wie man ungeheuer reich
werden könne.
Dr. Firmian Bocks Büchlein ist ungemein leichtfaßlich geschrieben;
der Dümmste kann es verstehen. Deshalb gefiel es sofort einem
Verleger, nämlich Emanuel Besenbinder, der zunächst nur in der
Erwartung, vielleicht von den ärztlichen Ratschlägen Nutzen haben
„Anna, warum drücken Sie denn Zitronensaft ins Goldfischglas?"
„Aber das sollten Sie doch wissen, Lerr Direktor, Zitronenwasser
ist doch viel erfrischender!"
zu können, von dem Manuskript Kenntnis nahm, dann aber auch
ein Geschäft darin sah. Also gut — er wird das Büchlein verlegen.
Aber etwas soll geändert werden: der Titel. Das Büchlein soll
heißen: „Wie werde ich 90 Jahre alt?" Oder besser gar: „Wie
werde ich 100 Jahre alt?"
Dr. Firmian Bock hat Bedenken. „Das möchte ich doch nicht,
Lerr Besenbinder. Ein Alter von 100 Jahren wird doch nur in ganz
seltenen Fällen erreicht; dafür kann man keine Verhaltungsmaß-
regeln aufstellen. Aber auf 80 kann man es, entsprechende ange-
borene Konstitution vorausgesetzt, bei vernünftiger Lebensweise wohl
bringen. Dahin zielen meine Ratschläge, und deshalb sage ich 80."
„Pah, daraus kommt es doch nicht an!" erklärt Emanuel Besen-
binder. „Das Buch soll doch so viele Käufer finden wie nur irgend
möglich. Na, und wenn Sie sagen: ,Wie werde ich 80 Jahre alt?" —
— dann kaufen es die Leute nicht, die schon 80 sind." — on.
Die Tafel
Auf dem Spaziergang machten wir vor dem Walde halt.
Max sagte: „Da gehe ich nicht rein!"
„Ja, warum denn nicht?"
„Da, schau auf die Tafel dortl Lier muß man ja einen Lund
mit in den Wald nehmen!"
„Du bist wohl verrückt, Max?"
„Ree! Da steht doch ganz deutlich: In diesem Walde müssen
Lunde an der Leine geführt werden!"
Der heiratslustige Großvater
Der Laufbursche kommt zum Prinzipal und bittet um Urlaub,
weil seine Großmutter gestorben sei. Mißtrauisch sagt der
Prinzipal:
„Lör mal, soviel ich mich erinnere, ist das schon die vierte
Großmutter, die stirbt!"
Aber schlagfertig antwortet der Berliner Junge: „Da können
Sie nichts gegen machen, mein Großvater heiratet immer wieder."
Kleine Philosophie bei Regenwelker
Alan ist eine Regenblase,
Ob Knecht, ob King, ob Lord,
Und schwimmt die große Straße
Mit andern Blasen fort.
Erst ist man klein und zierlich,
Man taucht ganz plötzlich auf —
Dann wird man unmanierlich.
Bläht sich entsetzlich auf.
Träg treibt man in die Fernen,
(Ans Zwang, nicht aus Bedarf)
Und meint, man stammt von Sternen,
weil man sie spiegeln darf.
Da plötzlich — armes Dingel! —
pfüht! ist es aus und gar,
Und nur ein kleiner Kringel
Zeigt, wo man einmal war.
Peter Kringel
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Zitronenwasser"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1935
Entstehungsdatum (normiert)
1930 - 1940
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 182.1935, Nr. 4698, S. 98
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg