Der Schtmpfkag
Adelheid meint natürlich, daß sie auf keinen von uns
schimpfen könnte. And ich könnte das auch nicht. Wirklich,
ich wüßte nicht, wen ich hier so tüchtig herunterputzen sollte."
„Na, wenn's keiner hört — — " meinte gutmütig lächelnd
der alte Albert Brause. „Aber das ist eben der Laken: ich
glaube nicht, daß man sich die Ohren so fest verstopfen
kann. Wir würden doch alle was hören, und dann hätten
wir nachher den tollsten Krakeel. Nee, das lassen wir lieber!"
„Schade, sehr schade!" bedauerte Klaus Topelius. „Die
Wahrheit zu sagen: ich bin etwas eigennützig gewesen bei
meinem Vorschlag. Ich habe doch allerlei Kleinigkeiten auf
dem Lerzen, und da hätte ich gern mal ein bißchen ge-
schimpft. And nachher wäret ihr alle mir noch einmal so
lieb gewesen."
„Ich ver-
lange auch,
daß er jedes
meiner Wor-
te euch nach-
her .mitteilt,"
bekräftigte
Klaus.
„Das wird
fein!" rief
jetzt Käthchen
Brause.
„Paßt auf:
der Klaus hat
ein neues
Gesellschafts-
spiel erfun-
den. Das muß
gemacht wer-
den."
Diese Mut-
maßung
schlug durch;
man wurde
neugierig,
und bald saß
die ganze Ge-
sellschaft da wie die Bootsmannschaft des Odysseus, als sie am Gestade der
Sirenen vorüberfuhr. Nur der Doktor Clemens behielt, wie Odysseus selbst,
die Ohren frei. Aber angebunden mußte er nicht werden. Papier und Bleistift
hielt er bereit.
Wider das allgemeine Erwarten machte jetzt Klaus Topelius doch ein recht
ernstes Gesicht. Langsam wanderten seine Blicke in der Runde, bis er sie auf
der Tante Adelheid ruhen ließ. Lange sah er sie an, mit noch fest zusammen-
gepreßten Lippen, aber nach und nach nahm seine erst fast schwermütige Miene
einen Ausdruck von Empörung und schließlich Wut an. Endlich öffnete er die Lippen
und knurrte etwas, was der Vetter Clemens nur dem ungefähren Klange nach
notieren konnte. Denn Klaus knurrte etwa: „Bribbel brabbel brubbel brabbel."
Tante Adelheid zitterte vor Erregung. Sie war in der ganzen Familie
wegen ihrer Reizbarkeit gefürchtet; bei der geringsten Gelegenheit explodierte
sie. And da eine solche Explosion wohl herbeigeführt werden sollte, war sie in
der Tat das geeignetste Objekt für den Beginn des Spiels.
Klaus bemühte sich jetzt, seine Augen stechende Blicke sende» zu lassen, als
wollte er die Tante Adelheid durchbohren. Er knurrte weiter: „Rhabarber,
Rhabarber, Rhabarber."
„Den Fisch sollten Sie essen, §>err Doktor, aber nicht behandeln."
Der Eisdielenbesitzer macht eine Nordlandreise
„Det janze Ding in 10 Pfg.-Waffeln uffjeteilt,
det wär'n Ieschäft!"
Jetzt meldete sich der junge Doktor Clemens Schallmeyer,
der einzige von den Vettern, der mit Klaus recht vertraut war,
und wenn die Gesellschaft aufmerksamer gewesen wäre, hätte sie
nun merken müssen, daß es sich um ein verabredetes Vorhaben
handelte. „Machen wir ihm doch wenigstens halbwegs das Ver-
gnügen! Er soll allein schimpfen. Da — hier habe ich vorzügliche
Antiphonkügelchen. Die werde ich euch mit ärztlichem Geschick
in die Ohren praktizieren, und wenn Klaus dann nicht brüllt,
sondern mit etwas gedämpfter Stimme sich äußert-dann
werdet ihr nichts verstehen. Gönnen wir ihm also die Erleichterung!"
„Pah, wenn wir nichts verstehen!" sagte Tante Adelheid. „Ich
möchte doch wissen, was er sagt."
„Sollst du auch, liebe Tante. Aber nachher. Ich werde das
Opfer bringen und mich von der improvisierten Taubheit aus-
schließen. Ich werde jedes Wort notieren."
„And nachher schwindelst du uns was vor, mein Junge," meinte
der alte Albert Brause.
„Wahrhaftig nicht, Onkel! Ich gebe mein Ehrenwort!"
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Adelheid meint natürlich, daß sie auf keinen von uns
schimpfen könnte. And ich könnte das auch nicht. Wirklich,
ich wüßte nicht, wen ich hier so tüchtig herunterputzen sollte."
„Na, wenn's keiner hört — — " meinte gutmütig lächelnd
der alte Albert Brause. „Aber das ist eben der Laken: ich
glaube nicht, daß man sich die Ohren so fest verstopfen
kann. Wir würden doch alle was hören, und dann hätten
wir nachher den tollsten Krakeel. Nee, das lassen wir lieber!"
„Schade, sehr schade!" bedauerte Klaus Topelius. „Die
Wahrheit zu sagen: ich bin etwas eigennützig gewesen bei
meinem Vorschlag. Ich habe doch allerlei Kleinigkeiten auf
dem Lerzen, und da hätte ich gern mal ein bißchen ge-
schimpft. And nachher wäret ihr alle mir noch einmal so
lieb gewesen."
„Ich ver-
lange auch,
daß er jedes
meiner Wor-
te euch nach-
her .mitteilt,"
bekräftigte
Klaus.
„Das wird
fein!" rief
jetzt Käthchen
Brause.
„Paßt auf:
der Klaus hat
ein neues
Gesellschafts-
spiel erfun-
den. Das muß
gemacht wer-
den."
Diese Mut-
maßung
schlug durch;
man wurde
neugierig,
und bald saß
die ganze Ge-
sellschaft da wie die Bootsmannschaft des Odysseus, als sie am Gestade der
Sirenen vorüberfuhr. Nur der Doktor Clemens behielt, wie Odysseus selbst,
die Ohren frei. Aber angebunden mußte er nicht werden. Papier und Bleistift
hielt er bereit.
Wider das allgemeine Erwarten machte jetzt Klaus Topelius doch ein recht
ernstes Gesicht. Langsam wanderten seine Blicke in der Runde, bis er sie auf
der Tante Adelheid ruhen ließ. Lange sah er sie an, mit noch fest zusammen-
gepreßten Lippen, aber nach und nach nahm seine erst fast schwermütige Miene
einen Ausdruck von Empörung und schließlich Wut an. Endlich öffnete er die Lippen
und knurrte etwas, was der Vetter Clemens nur dem ungefähren Klange nach
notieren konnte. Denn Klaus knurrte etwa: „Bribbel brabbel brubbel brabbel."
Tante Adelheid zitterte vor Erregung. Sie war in der ganzen Familie
wegen ihrer Reizbarkeit gefürchtet; bei der geringsten Gelegenheit explodierte
sie. And da eine solche Explosion wohl herbeigeführt werden sollte, war sie in
der Tat das geeignetste Objekt für den Beginn des Spiels.
Klaus bemühte sich jetzt, seine Augen stechende Blicke sende» zu lassen, als
wollte er die Tante Adelheid durchbohren. Er knurrte weiter: „Rhabarber,
Rhabarber, Rhabarber."
„Den Fisch sollten Sie essen, §>err Doktor, aber nicht behandeln."
Der Eisdielenbesitzer macht eine Nordlandreise
„Det janze Ding in 10 Pfg.-Waffeln uffjeteilt,
det wär'n Ieschäft!"
Jetzt meldete sich der junge Doktor Clemens Schallmeyer,
der einzige von den Vettern, der mit Klaus recht vertraut war,
und wenn die Gesellschaft aufmerksamer gewesen wäre, hätte sie
nun merken müssen, daß es sich um ein verabredetes Vorhaben
handelte. „Machen wir ihm doch wenigstens halbwegs das Ver-
gnügen! Er soll allein schimpfen. Da — hier habe ich vorzügliche
Antiphonkügelchen. Die werde ich euch mit ärztlichem Geschick
in die Ohren praktizieren, und wenn Klaus dann nicht brüllt,
sondern mit etwas gedämpfter Stimme sich äußert-dann
werdet ihr nichts verstehen. Gönnen wir ihm also die Erleichterung!"
„Pah, wenn wir nichts verstehen!" sagte Tante Adelheid. „Ich
möchte doch wissen, was er sagt."
„Sollst du auch, liebe Tante. Aber nachher. Ich werde das
Opfer bringen und mich von der improvisierten Taubheit aus-
schließen. Ich werde jedes Wort notieren."
„And nachher schwindelst du uns was vor, mein Junge," meinte
der alte Albert Brause.
„Wahrhaftig nicht, Onkel! Ich gebe mein Ehrenwort!"
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Der Eisdielenbesitzer macht eine Nordlandreise" "Den Fisch sollten Sie essen ..." "Nachilfe"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1935
Entstehungsdatum (normiert)
1930 - 1940
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 182.1935, Nr. 4699, S. 115
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg