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Hausmittel

Von Peter Kringel

Es ist gar nicht zu leugnen: meine neue Wirtin, Frau Schleisen-
baum, meinte es herzlich gut mit mir. Leute noch könnte ich bei
ihr wohnen — ich hätte nur nicht krank werden dürfen.

Sie war eine gute Frau, die sich nicht nur mit dem Morgen-
kaffee und den Socken ihrer Mieter beschäftigte, sondern sich auch
ihre moralische Erziehung angelegen sein ließ. Ob es Sonntag war
oder nicht, ob ich ausschlafen konnte oder nicht, ob ich einen Kater
hatte oder nicht — Frau Schleifenbaum weckte pünktlich um 6 Ahr.
Proteste pflegte sie mit dem Bemerken abzutun: „Morgenstunde hat
Gold im Munde!" Zehn Minuten später erschien sie wieder auf dem
Plan, in den Länden das viel zu kleine Frühstückstablett, unter der
einen Achsel die Morgenzeitung, unter der andern zwei Kaiserbrötchen.
Wenn ich noch nicht aufgestanden
war, entfernte sie sich wieder mit
dem Frühstück und ließ mich zur
Strafe nüchtern aus dem Laus
gehen.

Aber eines Tages konnte ich
wirklich nicht aufstehen.

„Ich habe Ohrenschmerzen, Frau
Schleifenbaum. Bitte, holen Sie
mir in der Apotheke doch Aspirin!"

„Aspirin?" sagte FrauSchleifen-
baum und setzte das viel zu kleine
Tablett mit einem Knall hin. Da-
bei ließ sie die Brötchen aus der
Achsel rutschen, die — husch husch!

— unter das Sofa rollten.

„Gewiß, Aspirin!" sagte ich.

„In meinem Lause werden keine
Gifte verabfolgt," sagte Frau
Schleifenbaum hart.

„Ja, was denn?"

„Das werden Sie sehen."

Sie ging hinaus und kam nach
fünf Minuten zurück. Auf einem
Papier trug sie etwas rotes und
in der andern Land etwas
graues.

„Unglücklicherweise hat mein
Mann die Kellerschlüffel mitge-
nommen," sagte sie, „infolgedeffen
kann ich nicht an die Kartoffeln."

„Liebe Frau Schleifenbaum,"
wandte ich sanft ein. „Was hat
denn das mit meinen Ohrenschmer-
zen zu tun?"

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„Ich kann deswegen auch nicht das einzige Mittel anwenden, das
richtig Hilst, aber mittags kommt ja mein Mann wieder."

„Was für ein Mittel?"

„Kartoffeln in die Ohren! Aber was ich Ihnen jetzt gebe, das
ist das zweitbeste: Paprikaspeck und einen Wollsocken um den
Lals."

Ich sah mir die Bescherung an.

„Ist der Speck frisch?" erkundigte ich mich. „And von wem ist
der Socken?"

Statt aller Antwort klatschte mir Frau Schleifenbaum die zwei
Stücke Speck auf den Lals und schnürte den Wollsocken darüber.
„Beides von meinem Mann," erklärte sie dann, „frische Sachen

wirken nicht so gut wie solche, die
schon einmal benutzt sind."

Mir schauderte.

„Eigentlich," versuchte ich mein
Schicksal zu wenden, „habe ich gar
keine Ohrenschmerzen — ich habe
mich versprochen: ich habe Rheu-
matismus."

„Aha!" sagte Frau Schleisen-
baum und ging zum Schrank. Sie
nahm ein Säckchen heraus, das
sie mir ins Bett schob.

„Legen Sie sich fest draus!" be-
fahl sie.

„Worum handelt es sich denn?"
„Kastanien."

Sie stieß mir den Beutel unters
Kreuz.

Mittags kam Lerr Schleifen-
baum nach Lause. Er schnitzte
Dübel aus Kartoffeln und pfropfte
sie mir in die Ohren. Beim linken
mußte er wegen Enge des Gehör-
gangs einen Lämmer nehmen. Er
entpuppte sich als alter Naturheiler
mit ganz eigenen Methoden. Mit
einem raschen, geübten Griff fuhr
er mir unter die Decke und langte
nach meinen Füßen.

„Kalt," sagte er, „ich dachte es
mir! And platt sind sie auch. Da
machen wir einen Einlauf mit Lau-
hechelsamen — Sie sollen mal sehen,
wie das wölbt!"

U'f tr* -

„Aber Tantchen — du bist ja wieder dicker geworden!"
„Ansinn! Wahrscheinlich hat man inzwischen die Eisen-
bahntüren schmäler gemacht."
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Du bist ja wieder dicker geworden"
Weitere Titel/Paralleltitel
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Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

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Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
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Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Niemeyer-Moxter, E.
Entstehungsdatum
um 1935
Entstehungsdatum (normiert)
1930 - 1940
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 182.1935, Nr. 4701, S. 146

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