o
Die Dame aus der Morgenzeitung
Von Jo Lanns Röslec.
Bruno Bauer hat Glück im Leben gehabt. Bruno Bauer hat
eine schöne Stellung, ein nettes Einkommen, ein kleines Laus am
Stadtrand, ein wenig Geld aus der Sparkasse, einen guten Arzt,
den er nicht braucht, und sonst noch allerlei Dinge, die das Leben
verschönern. Nur in einem Punkt hapert es bei Bruno. And das
ist in der Liebe. Bruno hat kein Glück bei Frauen. Wenigstens
glaubt er es. Er hat es noch nie ernstlich versucht. Bruno geht nicht
tanzen, eislaufen, rodeln, segeln, rudern, schwimmen, tennisspielen
und spazieren, er geht nicht in die Oper und in die Kirche, auf kein
Weekend und auf kein Fußball-
match, zu keiner Gerichtsver-
handlung, zu keiner politischen
Versammlung, oder wie sonst
die Orte alle heißen mögen,
wo die anderen Männer hin-
gehen, um eine Frau kennenzu-
lernen. Dabei ist Bruno Bauer
des Alleinseins ernstlich müde.
In ein trautes Leim gehört
eine vertraute Frau. An einem
Radioapparat können für das-
selbe Geld zwei hören, aus einem
Fenster können zwei die gleiche
Aussicht betrachten,und an einem
Ofen wärmen sich zwei Men-
schen leichter, als einer. And
so beschloß Bruno Bauer, einen
Ehestand zu gründen.
Er inserierte in der Morgen-
zeitung:
„Gebildeter Lerr in fester
Stellung sucht passende Dame
zu Ehe. Vermittler Papierkorb.
Anker: Mein Wunsch!"
Acht Tage später waren
zweitausendzweihundertzwei-
undzwanzig Briefe eingelaufen.
Sogar eine Karte aus Schott-
land war darunter. In roten,
gelben, grünen, grauen, blauen,
braunen, schwarzen und weißen
Amschlägen lagen ausführliche
Beschreibungen, verhaltene
Wünsche, vergilbte Bilder aus
alten Jahren, Locken, Kleeblät-
ter, Lufeisen,Lolzspäne, Wach-
holder, Vergißmeinnicht, La-
226
vendel, Liebesbriefe von vorher und Versprechungen für nachher.
Mit roter, blauer und grüner Tinte geschrieben. Mit Tränen der
Sehnsucht benetzt. Mit Küssen der Leidenschaft beschwert. Eins Rou-
gemund als Anterschrift. Ein ausgeschnittenes rotes Lerz als Vig-
nette. Mit Zaubersprüchen und Stammbuchversen. Mit Ewigdein
und Ewigmein.
Bruno Bauer erledigte diese Riesenkorrespondenz in sieben Nacht-
schichten. Eine schlichte, liebe Kinderschrift trug den Sieg davon.
Diese Frau mußte begehrenswert sein. Vielleicht war sie noch sehr
jung, vielleicht sogar sehr schön.
Bruno Bauer schrieb einen
Brief. In knappen, logischen
Worten bat er die Anbekannte
um ein Stelldichein. Sein Lerz
klopfte, als er den Brief in
den Kasten warf.
Am nächsten Morgen kam
die Antwort:
„Erwarte Sie heute acht
Ahr im Grabenkaffee. Kenn-
zeichen: ich rühre den Kaffee
um. Die Dame aus der Mor-
genzeitung."
Bruno Bauer besah sich
noch einmal im Spiegel und
trat ein wenig unsicher durch
die Drehtür des Kaffeehauses.
Es waren noch fünf Minuten
vor der Zeit. Aber die Dame
war schon da. Schräg gegen-
über dem Eingang saß sie. Als
Bruno Bauer eintrat, ergriff
sie sofort den Löffel und rührte
im Kaffee.
Bruno Bauer trat zum Tisch.
„Gestatten?"
Mit einer Verbeugung bat
er, Platz nehmen zu dürfen.
Dann nannte er seinen Namen.
Die Dame lächelte. Fünf Minu-
ten später waren sie bereits
gute Freunde.
„Wir sollten nicht so lange
warten," sagte Bruno Bauer,
„je früher wir heiraten, desto
besser. Eigner Lerd ist Goldes
wert."
„Lexenschuß haben Sie gehabt, Lerr Wurmlinger? Ja, davon kann
ich auch ein Lied singen."
„Pah, bei mir war's 'ne ganze Oper!"
Die Dame aus der Morgenzeitung
Von Jo Lanns Röslec.
Bruno Bauer hat Glück im Leben gehabt. Bruno Bauer hat
eine schöne Stellung, ein nettes Einkommen, ein kleines Laus am
Stadtrand, ein wenig Geld aus der Sparkasse, einen guten Arzt,
den er nicht braucht, und sonst noch allerlei Dinge, die das Leben
verschönern. Nur in einem Punkt hapert es bei Bruno. And das
ist in der Liebe. Bruno hat kein Glück bei Frauen. Wenigstens
glaubt er es. Er hat es noch nie ernstlich versucht. Bruno geht nicht
tanzen, eislaufen, rodeln, segeln, rudern, schwimmen, tennisspielen
und spazieren, er geht nicht in die Oper und in die Kirche, auf kein
Weekend und auf kein Fußball-
match, zu keiner Gerichtsver-
handlung, zu keiner politischen
Versammlung, oder wie sonst
die Orte alle heißen mögen,
wo die anderen Männer hin-
gehen, um eine Frau kennenzu-
lernen. Dabei ist Bruno Bauer
des Alleinseins ernstlich müde.
In ein trautes Leim gehört
eine vertraute Frau. An einem
Radioapparat können für das-
selbe Geld zwei hören, aus einem
Fenster können zwei die gleiche
Aussicht betrachten,und an einem
Ofen wärmen sich zwei Men-
schen leichter, als einer. And
so beschloß Bruno Bauer, einen
Ehestand zu gründen.
Er inserierte in der Morgen-
zeitung:
„Gebildeter Lerr in fester
Stellung sucht passende Dame
zu Ehe. Vermittler Papierkorb.
Anker: Mein Wunsch!"
Acht Tage später waren
zweitausendzweihundertzwei-
undzwanzig Briefe eingelaufen.
Sogar eine Karte aus Schott-
land war darunter. In roten,
gelben, grünen, grauen, blauen,
braunen, schwarzen und weißen
Amschlägen lagen ausführliche
Beschreibungen, verhaltene
Wünsche, vergilbte Bilder aus
alten Jahren, Locken, Kleeblät-
ter, Lufeisen,Lolzspäne, Wach-
holder, Vergißmeinnicht, La-
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vendel, Liebesbriefe von vorher und Versprechungen für nachher.
Mit roter, blauer und grüner Tinte geschrieben. Mit Tränen der
Sehnsucht benetzt. Mit Küssen der Leidenschaft beschwert. Eins Rou-
gemund als Anterschrift. Ein ausgeschnittenes rotes Lerz als Vig-
nette. Mit Zaubersprüchen und Stammbuchversen. Mit Ewigdein
und Ewigmein.
Bruno Bauer erledigte diese Riesenkorrespondenz in sieben Nacht-
schichten. Eine schlichte, liebe Kinderschrift trug den Sieg davon.
Diese Frau mußte begehrenswert sein. Vielleicht war sie noch sehr
jung, vielleicht sogar sehr schön.
Bruno Bauer schrieb einen
Brief. In knappen, logischen
Worten bat er die Anbekannte
um ein Stelldichein. Sein Lerz
klopfte, als er den Brief in
den Kasten warf.
Am nächsten Morgen kam
die Antwort:
„Erwarte Sie heute acht
Ahr im Grabenkaffee. Kenn-
zeichen: ich rühre den Kaffee
um. Die Dame aus der Mor-
genzeitung."
Bruno Bauer besah sich
noch einmal im Spiegel und
trat ein wenig unsicher durch
die Drehtür des Kaffeehauses.
Es waren noch fünf Minuten
vor der Zeit. Aber die Dame
war schon da. Schräg gegen-
über dem Eingang saß sie. Als
Bruno Bauer eintrat, ergriff
sie sofort den Löffel und rührte
im Kaffee.
Bruno Bauer trat zum Tisch.
„Gestatten?"
Mit einer Verbeugung bat
er, Platz nehmen zu dürfen.
Dann nannte er seinen Namen.
Die Dame lächelte. Fünf Minu-
ten später waren sie bereits
gute Freunde.
„Wir sollten nicht so lange
warten," sagte Bruno Bauer,
„je früher wir heiraten, desto
besser. Eigner Lerd ist Goldes
wert."
„Lexenschuß haben Sie gehabt, Lerr Wurmlinger? Ja, davon kann
ich auch ein Lied singen."
„Pah, bei mir war's 'ne ganze Oper!"
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Hexenschuß"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Entstehungsdatum
um 1935
Entstehungsdatum (normiert)
1930 - 1940
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 182.1935, Nr. 4706, S. 226
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg