Fliegende Blätter (182.1935 (Nr. 4666-4691) = 91. Jahrg.)

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Zeichnung von M. Claus

Leute nun kommt Siebrandt wieder
zu Knallberger. Er muß sich entschuldi-
gen; er muß etwas gut machen, und
das will er nicht in kleinlicher Weise tun,
denn er ist ein Mann von großzügigem
Charakter. „Sie waren gestern so freund-
lich, Lerr Knallberger," beginnt Siebrandt,
„mir einen Regenschirm zu leihen. Mit
dem habe ich dann aber — es tut mir
furchtbar leid! — Pech gehabt. Ich fuhr
nachher mit der Straßenbahn. Da stand
ich auf der Plattform, und den Schirm
hatte ich angehängt — an einer von
den Messingstangen. Wie ich nachher
ausstieg, da regnete es nicht mehr, und
ich ließ den Schirm hängen; ich vergaß
ihn, weil ich doch ohne Schirm von Lause
fortgegangen war. Drei Minuten später
fiel's mir ein. Ich nahm mir sofort ein
Auto, fuhr dem Straßenbahnwagen nach
und erwischte ihn. Aber da war der
Schirm schon verschwunden; es hatten ja
noch mehr Leute auf der Plattform ge-
standen, und da hat ihn sich einer ange- ■
eignet."

„Geklaut! Eine Gemeinheit!" nickt Knall-
berger. „Ist mir unangenehm. Der Schirm
war nämlich-"

O, hätte ihn Siebrandt doch ausreden
lassen! Aber er har es so eilig mit dem
Wiedergutmachen, daß er Knallberger
unterbricht. „Ja, ich weiß, Lerr Knall-
berger: der Schirm war ein sehr guter,
ein feiner Schirm. Das habe ich gleich
bemerkt. Beste Seide mit Webekante,
der Stock aus schwedischer Birke, wun-
dervoll gemasert. Für 20 Mark wäre
solch ein Schirm nicht teuer; dafür wird
er vielleicht nicht in jedem Schirmgeschäft
zu haben sein. Sie müssen mir deshalb
erlauben, Lerr Knallberger, daß ich Ihnen
hier 25 Mark überreiche. Zuerst wollte
ich selber einen Schirm besorgen, aber
dann habe ich mir gesagt, daß Ihnen die
Wahl eines neuen vielleicht ein gewisses
Vergnügen bereiten würde. Und nun
bitte ich Sie noch vielmals um Entschul-
digung!"


„Ick will dir wat sagen, Ede! Der janze Unterschied zwischen der modernen und der
früheren Erziehung ist der: heute hauen se einen unter Umständen, früher hauten se einen
ohne Umstände."


„Und ich habe geglaubt, der Plattensee
sei in Ungarn!"

„O, das hat ja nichts zu sagen!" erklärt
Knallberger und streicht die 25 Mark ein.
Sehr fix streicht er sie ein.-

So — bis hierher finden Sie nichts an
Knallberger auszusetzen, nicht wahr? Aber
nun weiter!

Jetzt geht nämlich Knallberger zu Roller.
Er hat ihm etwas mitzuteilen, ihm mit
bedauerndem Achselzucken eine Eröffnung
zu machen. „Sie haben mir doch vorige
Woche einen Regenschirm geborgt, Lerr
Roller. Tut mir leid, aber mit dem Schirm
habe ich Pech gehabt. Ich fuhr nachher
mit der Straßenbahn. Da stand ich auf
der Plattform, und den Schirm hatte ich
angehängt — an einer von den Messing-
stangen. Wie ich nachher ausstieg, da reg-
nete es nicht mehr, und ich ließ den Schirm
hängen; ich vergaß ihn, weil ich doch ohne
Schirm von Lause fortgegangen war.
Drei Minuten später fiel's mir ein. Ich
nahm mir sofort ein Auto, fuhr dem

Straßenbahnwagen nach und erwischte
ihn. Aber da war der Schirm schon ver-
schwunden; es hatten ja noch mehr Leute
auf der Plattform gestanden, und da hat
ihn sich einer angeeignet."

Knallberger hat ein vorzügliches Ge-
dächtnis, nicht wahr?

„Ja, sowas kann Vorkommen," sagt

Roller. „Schade um den Schirm!"

„Jawohl, schade! War'n ganz guter
Schirm, nicht wahr? Muß ich Ihnen

ersetzen, wird wohl nicht anders gehn."

„Run ja!" Roller ist das peinlich; er
will nicht um den Schirm handeln.

„Ich habe mir Schirme angesehn,

Lerr Roller. Für 10 Mark gibt es
ausgezeichnete. Aber Ihrer war viel-

leicht noch etwas teurer. Also kurz und
gut: ich zahle Ihnen hier 15 Mark!
Erledigt!"

And dann marschiert Knallberger auch
sofort ab.

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