o
Von Ferdinand Feber
Die beiden Lerren blickten nervös durch die Fensterscheiben des
Kaffeehauses auf die Besucher, die in die gegenüberliegende Oper
strömten. Sie schwiegen.
Zehn Minuten später hasteten nur noch vereinzelte Nachzügler
in das große Gebäude. Die beiden Lerren waren noch nervöser
geworden und schwiegen noch intensiver.
Endlich, es war kurz vor acht Uhr, sagte Egon mit einem schmerz-
lichen Lächeln:
„Jetzt singt der Tenor die große Auftrittsarie!"
„Es ist unverzeihlich von
Erika," brach Clemens los,
„ich sollte doch endlich wissen,
daß meine Frau nie pünktlich
sein kann. Aber sie versprach
mir hoch und heilig, diesmal
fünf Minuten vor Beginn der
Oper mit den Karten hier zu
sein. Lätte ich ihr nur nicht
geglaubt! Ich weiß garnicht,
wie ich mich bei dir entschul-
digen soll, Egon —"
„Lat nichts zu sagen, lieber
Freund," winkte Egon höflich
ab. Im Stillen aber dachte
er an das wundervolle Terzett,
das jetzt so nah, und doch so
unerreichbar ertönte.
Clemens griff sich an den
Kopf:
„Und das Verrückteste ist,
daß ich meine Frau wegen ihrer
Pünktlichkeit geheiratethabe!"
„Nicht möglich!" entfuhr
es Egon.
„Und dennoch wahr! Die
Sache war so: Ich war damals
in Erika sehr verliebt. Uebri-
gens bin ich es ja auch noch
heute, wenn ich nicht gerade
aus sie warte. Und dennoch
zögerte ich von Tag zu Tag,
ihr einen Antrag zu machen.
Ich war damals schon acht-
unddreißig, und in diesem Alter
entschließt sich ein Junggeselle
nicht mehr leicht, auf sein ge-
regeltes Leben zu verzichten.
Eine Frau bedeutet Unruhe,
Abhängigkeit — eine Frau ist
306
kapriziös, unberechenbar, unpünktlich. Unpünktlich! Auf einmal kam
mir eine Idee. Für sechs Ahr hatte ich mich mit Erika im Stadt-
park verabredet. Würde sie pünktlich sein, so wollte ich sie kurzent-
schlossen bitten, meine Frau zu werden. Würde sie mich hingegen
warten laffen, so wollte ich mir meine Liebe aus dem Lerzen reißen.
Nicht ohne Erregung, mit leise zitternder Land stellte ich meine Uhr
genau auf die Minute. Zur festgesetzten Stunde fand das Stell-
dichein statt. Vom nahen Kirchturm ertönten die Glockenschläge, die
mein Schicksal entscheiden sollten. Noch waren sie nicht verklungen,
als Erika schön und strahlend um die Ecke bog. Fünfzehn Minuten
später waren wir verlobt."
Clemens schwieg.
Nach einer Pause fragte
Egon: „Und seither hat sich
deine Frau so verändert?"
„Nein," sagte Clemens
schwach, „sie hat sich garnicht
verändert. Denn die Geschichte
geht weiter. .Merkwürdig, wie
kurz die Tage schon sind, es
ist doch erst sieben Ahr", be-
merkte ich damals ein wenig
später, auf meine Uhr sehend.
.Sieben?" lachte Erika, ,du
irrst, Liebling, es schlägt gerade
acht". Und aus einmal bemerkte
ich erbleichend, was geschehen
war. In meiner Erregung hatte
ich den Stundenzeiger ver-
sehentlich eine Stunde zurück-
gedreht. Erika war genau eine
Stunde zu spätzum entscheiden-
den Rendezvous gekommen."
„Und du sagst, daß deine
Frau sich garnicht geändett
hat?" fragte Egon.
„Gar nicht."
„Kellner,zahlen!" rief Egon
hoffnungsfroh, „es ist in fünf
Minuten halb neun. Deine
Frau muß jeden Augenblick
kommen!"
Die ewige Liebesqual
„Warum bewilligst du mir nur einen Kuß, Evchen?"
„Ich mochte dir ja gern 1000 geben, aber ich bin doch Diätschwester."
Je nachdem
„Wie ist Ihr Mann mit
dem Barometer zufrieden, das
ich ihm verkauft habe?"
„Mal so, mal so! Wenn's
steigt, freut er sich; und wenn's
fällt, schimpft er!"
Von Ferdinand Feber
Die beiden Lerren blickten nervös durch die Fensterscheiben des
Kaffeehauses auf die Besucher, die in die gegenüberliegende Oper
strömten. Sie schwiegen.
Zehn Minuten später hasteten nur noch vereinzelte Nachzügler
in das große Gebäude. Die beiden Lerren waren noch nervöser
geworden und schwiegen noch intensiver.
Endlich, es war kurz vor acht Uhr, sagte Egon mit einem schmerz-
lichen Lächeln:
„Jetzt singt der Tenor die große Auftrittsarie!"
„Es ist unverzeihlich von
Erika," brach Clemens los,
„ich sollte doch endlich wissen,
daß meine Frau nie pünktlich
sein kann. Aber sie versprach
mir hoch und heilig, diesmal
fünf Minuten vor Beginn der
Oper mit den Karten hier zu
sein. Lätte ich ihr nur nicht
geglaubt! Ich weiß garnicht,
wie ich mich bei dir entschul-
digen soll, Egon —"
„Lat nichts zu sagen, lieber
Freund," winkte Egon höflich
ab. Im Stillen aber dachte
er an das wundervolle Terzett,
das jetzt so nah, und doch so
unerreichbar ertönte.
Clemens griff sich an den
Kopf:
„Und das Verrückteste ist,
daß ich meine Frau wegen ihrer
Pünktlichkeit geheiratethabe!"
„Nicht möglich!" entfuhr
es Egon.
„Und dennoch wahr! Die
Sache war so: Ich war damals
in Erika sehr verliebt. Uebri-
gens bin ich es ja auch noch
heute, wenn ich nicht gerade
aus sie warte. Und dennoch
zögerte ich von Tag zu Tag,
ihr einen Antrag zu machen.
Ich war damals schon acht-
unddreißig, und in diesem Alter
entschließt sich ein Junggeselle
nicht mehr leicht, auf sein ge-
regeltes Leben zu verzichten.
Eine Frau bedeutet Unruhe,
Abhängigkeit — eine Frau ist
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kapriziös, unberechenbar, unpünktlich. Unpünktlich! Auf einmal kam
mir eine Idee. Für sechs Ahr hatte ich mich mit Erika im Stadt-
park verabredet. Würde sie pünktlich sein, so wollte ich sie kurzent-
schlossen bitten, meine Frau zu werden. Würde sie mich hingegen
warten laffen, so wollte ich mir meine Liebe aus dem Lerzen reißen.
Nicht ohne Erregung, mit leise zitternder Land stellte ich meine Uhr
genau auf die Minute. Zur festgesetzten Stunde fand das Stell-
dichein statt. Vom nahen Kirchturm ertönten die Glockenschläge, die
mein Schicksal entscheiden sollten. Noch waren sie nicht verklungen,
als Erika schön und strahlend um die Ecke bog. Fünfzehn Minuten
später waren wir verlobt."
Clemens schwieg.
Nach einer Pause fragte
Egon: „Und seither hat sich
deine Frau so verändert?"
„Nein," sagte Clemens
schwach, „sie hat sich garnicht
verändert. Denn die Geschichte
geht weiter. .Merkwürdig, wie
kurz die Tage schon sind, es
ist doch erst sieben Ahr", be-
merkte ich damals ein wenig
später, auf meine Uhr sehend.
.Sieben?" lachte Erika, ,du
irrst, Liebling, es schlägt gerade
acht". Und aus einmal bemerkte
ich erbleichend, was geschehen
war. In meiner Erregung hatte
ich den Stundenzeiger ver-
sehentlich eine Stunde zurück-
gedreht. Erika war genau eine
Stunde zu spätzum entscheiden-
den Rendezvous gekommen."
„Und du sagst, daß deine
Frau sich garnicht geändett
hat?" fragte Egon.
„Gar nicht."
„Kellner,zahlen!" rief Egon
hoffnungsfroh, „es ist in fünf
Minuten halb neun. Deine
Frau muß jeden Augenblick
kommen!"
Die ewige Liebesqual
„Warum bewilligst du mir nur einen Kuß, Evchen?"
„Ich mochte dir ja gern 1000 geben, aber ich bin doch Diätschwester."
Je nachdem
„Wie ist Ihr Mann mit
dem Barometer zufrieden, das
ich ihm verkauft habe?"
„Mal so, mal so! Wenn's
steigt, freut er sich; und wenn's
fällt, schimpft er!"
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Die ewige Liebesqual"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1935
Entstehungsdatum (normiert)
1930 - 1940
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 182.1935, Nr. 4711, S. 306
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg