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Der Ehrenmann

Sie denn im Sinn? Wollen Sie ein neues Auto oder eine neue
Frau?"

Na ja, es würde schon alles gut gehen! Er brauchte wahrhaftig
keins von beiden. So eine Frau wie Alice war überhaupt nicht
mehr zu finden, und das Auto, das hatte sie sich gewünscht; er selber
fuhr viel lieber Fahrrad.

Direktor Steffen vertiefte sich in ein Bündel Korrespondenz
und hatte wohl fast zwei Stunden gearbeitet — da klopfte es.

Anwillig sah er auf.

„Was ist los, Minna?"

Die Tür ging auf, und herein trat ein Mann, der alles andere
als vertrauenerweckend aussah. Er hatte Schuhe an den Füßen,
von denen man nicht sagen konnte, ob sie früher einmal Damen-
schnürstiefel oder Gesundheitssandalen gewesen waren. Das linke
Losenbein war von oben bis unten aufgeschliyt und nur notdürftig
mit Sicherheitsnadeln zusammengesteckt. Auf dem Kopf trug er eine
Art umgekehrtes Dohlennest.

„Was wollen Sie, und wie kommen Sie überhaupt hier herein?"

Der Mann grüßte militärisch, ließ aber den Lut auf dem Kopf
und machte mit den stramm zusammengeschlagenen Lacken ein paar
deutliche Kratzer ins Parkett.

„Lerr Direktor Steffen, wenn ick nich irre?" sagte er. „Mein
Name ist Stiefclzieher, Emanuel Stiefelzieher. Ick jede zu, ick war
nich vorsichtig genug in der Auswahl meiner Eltern: erstens keen Ield
und denn noch der Name! Also, ick kann Ihnen sagen-"

„Ihre Familienverhältnisse interessieren mich nicht im geringsten,"
unterbrach Direktor Steffen gereizt.

„Weiß ick, weiß ick, Lerr Direktor, ick habe ja ooch jar nischt
davon jepiepst. Wenn Sie die erführen, denn würden Sie von eine
Iänsehaut in de andre fallen. Ick wollte ja bloß ne kleene
Aphorisme-"

„Einen kleinen Aphorismus!" verbesserte Direktor Steffen.

„Na, schön! Sagen wir also der Einfachheit halber Iedanken-
splitter! Ick wollte man bloß eenen Iedankensplitter über meinen
Namen loslassen. Wenn man Stiefelzieher heißt, is man von vorn-
herein erledigt! Eenen Oogenblick, Lerr Direktor, ick weiß, was
Sie sagen wollen. ,Name is Schall und Rauch wollen Sie sagen.
Aber det stimmt nich. Stellen Sie sich vor, Schiller hätte Stiefel-
zieher geheißen, oder Goethe Käsbohrer-"

„Lier haben Sie eine Mark," sagte Steffen, „vielleicht bekommen
Sie dafür so viel Schnaps, daß Sie Ihren Namen auf einige
Stunden vergessen."

Aber Emanuel Stiefelzieher machte eine abwehrende Geste.

„Da Ham Se den Beweis!" sagte er. „Nur weil ick Stiefel-
zieher heiße, riskieren Sie, mir eene March anzubieten — jawoll,
riskieren, sage ick! Denn ick bin ja nich zum Betteln jekommen."

„Lm! Wollen Sie dann nicht die Gewogenheit haben, mir mit-
zuteilen-"

„Sofort, sofort, Lerr Direktor. Aber ick muß da etwas weiter
ausholen, und keen Mensch kann weit ausholen, wenn er noch nich
jefrühstückt hat. Sie gestalten?" And damit goß Emanuel Stiesel-
zieher sich einen großen Kognak ein.

„Lm!" sagte er, „nicht übel! Scheint echter Lennessy zu sein."
„Mann!" rief der Direktor.

Vorsorglich „Lerr, was machen Sie denn mit der Speisekarte?"

„Ach, nur keine Aufregung, Bester! Wissen Sie,
meine Freundin kommt in einer Viertelstunde, und da
streiche ich man bloß die Speisen über zwei Mark!"

„Sie sollen jleich det nötije erfahren, Lerr Direktor; ick will
kecne Almosen, ick will Icrechtigkeet! Sehn Se sich meine Lose an,
vor zwee Jahren war det noch schottischer Tweed, vor zwee Stun-
den war se wenigstens noch janz." Er machte kehrt. „Der janze Rock
is hinten uffjerissen, een Stück fehlt, so jroß wie'n Tortenteller, nur
nich so schön rund — übrigens, Lerr Direktor, können Sie Blut
sehen?"

„Ihre Garderobe ist allerdings in beklagenswertem Zustand,
aber was kann ich dafür?"

„Lerr Direktor," sagte mit einem Anterton von Mitleid der
Besucher, „ick weeß. Sie können nischt dafür - aber Sie sind schaden-
ersatzpflichtig."

„Schadenersatzpflichtig? Was soll das heißen?"

„Det soll heißen, daß ich vor einer Stunde von der Ford-Limou-
sine Ifl 36475 überfahren worden bin."

Der Direktor pfiff durch die Zähne.

„Wo ist das geschehen?"

„Auf der Straße nach Neuruppin. Aebrigens, een reizender
Kerl, Ihre Frau Iemahlin!"

Steffen überhörte diese Bemerkung.

„Wie hoch beziffern Sie Ihren Schaden? Einschließlich Schmerzens-
geld natürlich!"

„Ick beziffere überhaupt nich. Schmerzensjeld kommt schon jar nich

(Fortsetzung Sette 319)

317
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Vorsorglich" "Das Abfallprodukt" "Die starken Raucher"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
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Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Claus, Martin
Frank, Hugo
Entstehungsdatum
um 1935
Entstehungsdatum (normiert)
1930 - 1940
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 182.1935, Nr. 4711, S. 317

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CC0 1.0 Public Domain Dedication
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