Ein Abschiedsbrief
haben, daß die besondere Art unsrer Be-
ziehungen . . . Wege können ... nie
nebeneinander herlaufcn . . .
Sie sah nach der Unterschrift. Es gab
keine Unterschrift.
Sie sah auf die Ahr. Arnos Zug war
abgefahren. Wie grausam vvi> ihm, ihre
verrückte Idee aufzugreifen und genau so,
Wort für Wort, auszuführen!
Am Nachmittag sah sie Theo von
weitem in der Stadt. Sie wollte auf ihn
zugehen, ihn fragen, was er dazu . . .
Plötzlich stand sie wie gelähmt still.
Sie ging auf ein Schaufenster zu und sah
in die Auslage, ohne zu sehe», was darin
lag.
Es war ihr mit einem Schlage schreck-
lich klar geworden: nun hatte sie beide
verloren. Sie wußte ja nicht, von wem der
Brief war.
Tragik Von L. Jobs
In jedem Monat findet bei uns einmal
Lornviehmarkt statt, mit dem der geschäfts-
kluge Auktionator Trübensee häufig eine
seiner Versteigerungen verbindet. So wieder
am heurigen letzten Faschingstag, und der
ganze Versteigerungskram war schon bei-
nahe losgeschlagen.
„Da hängt ja noch," sprach um diese
Stunde Lerr Trübensee, „ein fast nagel-
neuer Mantel! Zwei haben heute schon
ihre Liebhaber gefunden; ich hoffe, daß
auch der dritte nicht lange mehr auf den
seinen zu warten braucht." Und damit
nahm er den Mantel vom Laken und hob
ihn hoch empor. „Ein ausgezeichneter Mantel," rief er, „und nur
fünfundzwanzig Mark! Wer bietet mehr?" Aber es erfolgte kein
Gebot. „Auf der ganzen Welt finden Sie so etwas nicht wieder,
und trotzdem nur fünfundzwanzig Mark. Sage und schreibe: fünf-
undzwanzig Mark!" Doch nichts rührte und regte sich; alles blieb
still. „Ja zum Teufel," schrie jetzt Lerr Trübensee die ihn um-
drängende Menschenmenge an, „ihr werdet doch hoffentlich nicht
glauben, daß ich nur meine Stimme einexerzieren will, und es mir
also nicht ernst ist mit meinem allerdings viel zu niedrigen Aufwurf
von fünfundzwanzig Mark!" Alles umsonst; niemand bot auch nur
um einen Groschen mehr.
„Nun," fuhr darauf Lerr Trübensee fort, „ich sehe schon,
ihr habt im Fasching euer ganzes Bargeld verlumpt und könnt jetzt
nicht einmal mehr für ein derartiges Pracht-
stück fünfundzwanzig lausige Märklein auf.
bringen. Ich will aber Mitleid haben mit
eurem Leichtsinn und sage darum: für
diesen wahrhaft einzigartigen Mantel,
dessen sich auch ein amerikanischer Multi-
millionär nicht zu schämen hätte, nur
zwanzig Mark! Lat es ein jeder gehört?
Zwanzig Mark hier auf den Tisch des
Laufes, und der Mantel ist für immer
sein! Zwanzig Mark! Nicht mehr und
nicht weniger."
„Fünfundzwanzig Mark!" kam es da
schüchtern aus der Menge heraus.
„Endlich ein Weiser," konstatierte Lerr
Trübensee. „Also fünfundzwanzig Markzum
ersten, fünfundzwanzig Mark zum zweiten
und — fünfundzwanzig Mark zum —
dritten Mal. Fort mit Schaden I" und
damit behändigte er den Mantel dem glück-
lichen Erwerber, der sogleich hineinschlüpfte
und bewundert und beneidet von dannen
ging. Niemand kannte ihn.
Eine halbe Stunde später schlug sich
aber bereits Lerr Trübensee mit der Faust
vor die Stirne. „Und ich selber," rief er
dazu immer wieder, „habe ihm noch den
Weg geebnet. Ich selbst, ich Unglückseliger!
Was wird meine Frau sagen! Meine
ohnehin so reizbare Frau!" Doch es half
nichts. Der Weise blieb unauffindbar und
der Mantel verschollen. Er hatte nämlich
§>errnTrübensee selb st gehört, war versehent-
lich in die Auktion hineingeraten und von
Lerrn Trübensee sogar noch eigenhändig mit
dem unter diesen Umstände» wahrhaft tra-
gisch wirkenden Geleitwort,, Fort mit Scha-
den!" jenem Unbekannten übergeben worden.
Die Späte
„Sie denken wohl, das Büro ist 'n Rendezvous-Platz, Fräulein,
daß Sie immer zehn Minuten zu spät kommen?"
„Nee; da käme ich 'ne halbe Stunde zu spät."
Kehrseite des Fortschrittes
In einem einsamen Wirtshaus des Oberlandes bestellt ein
Tourist Regensburger Würste in Essig und Oel. Die Kellnerin ver-
schwindet mit dem Auftrag in die Küche und erscheint wieder nach
einer Weile mit der bedauernden Erklärung: „In Essig können S'
die Würst schon haben; aber Oel gibt's halt keins. Seit mir nämlich
's elektrische Licht Ham, is kein Oel mehr im Laus."
Verfehlte Wirkung
Salzig ist die Luft an den Küsten des Vaterlandes, und groß ist
daher der Durst an den Kanten, an deren weite Brust die Ost- und
Nordseewellen schlagen. Ein gutes Leringsjahr hat noch immer Geld
gebracht, und da fließt der Grog etwas reichlicher als bei „Flaute".
— Da zog denn auch eine Wanderkommission gegen den Mißbrauch
des Alkohols von Dorf zu Dorf und Ort zu Ort, zu Bauern und
Fischern. Um de» voraussetzungslosen Menschen die schweren Folgen
des Alkohols recht anschaulich vor Augen zu führen, waren große
Plakate ausgehängt, die die zerstörenden Folgen des Branntweins
darstellten. „Lier," so führte der Vortragende aus, „sehen Sie das
wulstige Bierherz, die Blut absondernden Nieren, die verquollene,
tuberkulöse Lunge und die angegriffene Leber ... Aber noch schlimmer
wirkt sich der Spiritus im Gehirn aus . . ."
Da erscholl eine Stimme im Lintergrund: „Pfui Deiwel, komm
Korl, mi is schlecht woar'n, loat wi ers 'nen lütten Köm drink'n."
„Wissense, Frau Meier, Birnen, das is bei
uns in der Familie Tradition, ich verkauf süße
und tuet Sohn elektrische!"
haben, daß die besondere Art unsrer Be-
ziehungen . . . Wege können ... nie
nebeneinander herlaufcn . . .
Sie sah nach der Unterschrift. Es gab
keine Unterschrift.
Sie sah auf die Ahr. Arnos Zug war
abgefahren. Wie grausam vvi> ihm, ihre
verrückte Idee aufzugreifen und genau so,
Wort für Wort, auszuführen!
Am Nachmittag sah sie Theo von
weitem in der Stadt. Sie wollte auf ihn
zugehen, ihn fragen, was er dazu . . .
Plötzlich stand sie wie gelähmt still.
Sie ging auf ein Schaufenster zu und sah
in die Auslage, ohne zu sehe», was darin
lag.
Es war ihr mit einem Schlage schreck-
lich klar geworden: nun hatte sie beide
verloren. Sie wußte ja nicht, von wem der
Brief war.
Tragik Von L. Jobs
In jedem Monat findet bei uns einmal
Lornviehmarkt statt, mit dem der geschäfts-
kluge Auktionator Trübensee häufig eine
seiner Versteigerungen verbindet. So wieder
am heurigen letzten Faschingstag, und der
ganze Versteigerungskram war schon bei-
nahe losgeschlagen.
„Da hängt ja noch," sprach um diese
Stunde Lerr Trübensee, „ein fast nagel-
neuer Mantel! Zwei haben heute schon
ihre Liebhaber gefunden; ich hoffe, daß
auch der dritte nicht lange mehr auf den
seinen zu warten braucht." Und damit
nahm er den Mantel vom Laken und hob
ihn hoch empor. „Ein ausgezeichneter Mantel," rief er, „und nur
fünfundzwanzig Mark! Wer bietet mehr?" Aber es erfolgte kein
Gebot. „Auf der ganzen Welt finden Sie so etwas nicht wieder,
und trotzdem nur fünfundzwanzig Mark. Sage und schreibe: fünf-
undzwanzig Mark!" Doch nichts rührte und regte sich; alles blieb
still. „Ja zum Teufel," schrie jetzt Lerr Trübensee die ihn um-
drängende Menschenmenge an, „ihr werdet doch hoffentlich nicht
glauben, daß ich nur meine Stimme einexerzieren will, und es mir
also nicht ernst ist mit meinem allerdings viel zu niedrigen Aufwurf
von fünfundzwanzig Mark!" Alles umsonst; niemand bot auch nur
um einen Groschen mehr.
„Nun," fuhr darauf Lerr Trübensee fort, „ich sehe schon,
ihr habt im Fasching euer ganzes Bargeld verlumpt und könnt jetzt
nicht einmal mehr für ein derartiges Pracht-
stück fünfundzwanzig lausige Märklein auf.
bringen. Ich will aber Mitleid haben mit
eurem Leichtsinn und sage darum: für
diesen wahrhaft einzigartigen Mantel,
dessen sich auch ein amerikanischer Multi-
millionär nicht zu schämen hätte, nur
zwanzig Mark! Lat es ein jeder gehört?
Zwanzig Mark hier auf den Tisch des
Laufes, und der Mantel ist für immer
sein! Zwanzig Mark! Nicht mehr und
nicht weniger."
„Fünfundzwanzig Mark!" kam es da
schüchtern aus der Menge heraus.
„Endlich ein Weiser," konstatierte Lerr
Trübensee. „Also fünfundzwanzig Markzum
ersten, fünfundzwanzig Mark zum zweiten
und — fünfundzwanzig Mark zum —
dritten Mal. Fort mit Schaden I" und
damit behändigte er den Mantel dem glück-
lichen Erwerber, der sogleich hineinschlüpfte
und bewundert und beneidet von dannen
ging. Niemand kannte ihn.
Eine halbe Stunde später schlug sich
aber bereits Lerr Trübensee mit der Faust
vor die Stirne. „Und ich selber," rief er
dazu immer wieder, „habe ihm noch den
Weg geebnet. Ich selbst, ich Unglückseliger!
Was wird meine Frau sagen! Meine
ohnehin so reizbare Frau!" Doch es half
nichts. Der Weise blieb unauffindbar und
der Mantel verschollen. Er hatte nämlich
§>errnTrübensee selb st gehört, war versehent-
lich in die Auktion hineingeraten und von
Lerrn Trübensee sogar noch eigenhändig mit
dem unter diesen Umstände» wahrhaft tra-
gisch wirkenden Geleitwort,, Fort mit Scha-
den!" jenem Unbekannten übergeben worden.
Die Späte
„Sie denken wohl, das Büro ist 'n Rendezvous-Platz, Fräulein,
daß Sie immer zehn Minuten zu spät kommen?"
„Nee; da käme ich 'ne halbe Stunde zu spät."
Kehrseite des Fortschrittes
In einem einsamen Wirtshaus des Oberlandes bestellt ein
Tourist Regensburger Würste in Essig und Oel. Die Kellnerin ver-
schwindet mit dem Auftrag in die Küche und erscheint wieder nach
einer Weile mit der bedauernden Erklärung: „In Essig können S'
die Würst schon haben; aber Oel gibt's halt keins. Seit mir nämlich
's elektrische Licht Ham, is kein Oel mehr im Laus."
Verfehlte Wirkung
Salzig ist die Luft an den Küsten des Vaterlandes, und groß ist
daher der Durst an den Kanten, an deren weite Brust die Ost- und
Nordseewellen schlagen. Ein gutes Leringsjahr hat noch immer Geld
gebracht, und da fließt der Grog etwas reichlicher als bei „Flaute".
— Da zog denn auch eine Wanderkommission gegen den Mißbrauch
des Alkohols von Dorf zu Dorf und Ort zu Ort, zu Bauern und
Fischern. Um de» voraussetzungslosen Menschen die schweren Folgen
des Alkohols recht anschaulich vor Augen zu führen, waren große
Plakate ausgehängt, die die zerstörenden Folgen des Branntweins
darstellten. „Lier," so führte der Vortragende aus, „sehen Sie das
wulstige Bierherz, die Blut absondernden Nieren, die verquollene,
tuberkulöse Lunge und die angegriffene Leber ... Aber noch schlimmer
wirkt sich der Spiritus im Gehirn aus . . ."
Da erscholl eine Stimme im Lintergrund: „Pfui Deiwel, komm
Korl, mi is schlecht woar'n, loat wi ers 'nen lütten Köm drink'n."
„Wissense, Frau Meier, Birnen, das is bei
uns in der Familie Tradition, ich verkauf süße
und tuet Sohn elektrische!"
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Birnen" "Auf dem Flugplatz"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1935
Entstehungsdatum (normiert)
1930 - 1940
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 182.1935, Nr. 4712, S. 324
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg