Fliegende Blätter (182.1935 (Nr. 4666-4691) = 91. Jahrg.)

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Wege zu Liane

Es war an einem jener Sonnabende, an denen nun seit längerer
Zeit Lerr Porst Frau Iochum in die Oper zu führen pflegte, daß
Dr. Iochum die Taktik gegenüber seiner Frau plötzlich von Grund
auf änderte. Bisher hatte er Lerrn Porst entweder feindlich oder
herablassend behandelt, war unwirsch und gereizt zu Liane gewesen
— und dies alles umso mehr, je mehr Liane sich anmerken ließ, daß
ihr der Gatte immer gleichgültiger, der Verehrer aber immer wert-
voller wurde. Nach langen Aeberlegungen hatte sich endlich Dr. Iochum
gesagt, daß es gar nicht an der Person läge, sondern lediglich an
der Stellung, daß überall der Kurs des Verehrers, sobald er Ehe-
mann geworden ist, gewaltig sinkt. And darauf baute er seinen Plan,
Liane wiederzugewinnen.

Als Liane um 7 Ahr das Lerrenzimmer betrat, machte sie ver-
wunderte Augen. Lerr Porst und ihr Mann traten ihr fröhlich ent-
gegen. Vor der Türe schon hatte sie Lachen gehört, eine Likörflasche
und zwei Gläser standen auf dem Tisch, und die beiden Lerren
schienen sich ausgezeichnet zu verstehen.

„Wir wollen eine Kleinigkeit essen I" sagte Liane. „Am halb acht
müssen wir uns auf den Weg zur Oper machen — und du, Edgar,
gehst ja wohl wie immer in deinen Klub?"

„Die ganze Graphologie ist Ansinn I Ich Hab neulich einem Graphologen einen
Brief gezeigt. Er sagte, die betreffende Person sei sehr leicht zu beeinflussen."
„Na, und von wem war der Brief?" — „Von meiner Frau."

Dr. Iochum lächelte.

„Natürlich, liebe Liane, ich gehe in den Klub — aber ihr geht
nicht in die Oper."

Liane wurde ein wenig blaß.

„Wieso?" fragte sie. „Last du etwas dagegen, daß-*

„Durchaus nicht, liebes Kind. Aber ich habe Lerrn Porst für
heute zum Abendessen zu uns geladen, zu einem richtigen Abendessen,
nicht zu einem belegten Brot."

„Aber die Küche ist doch gar nicht darauf vorbereitet," wandte
Liane ein.

„Ich habe mir erlaubt, Rosa das nötige aufzutragen. Wenn es
dich interessiert — es gibt Bouillon in Tassen, dann Lummermayon-
naise, Lammelkotelett mit grünen Bohnen-*

„Aber Edgar, das ist doch absurd!"

„Wieso? Sogar Lerr Porst findet es delikat!"

„Ich verstehe dich nicht! Du sagtest doch, du wolltest in den Klub
gehen. Wie kannst du Gäste einladen, wenn du selber nicht zu Lause
sein willst?"

„Aber das ist doch sehr einfach, Kind. Du und Lerr Porst —
ihr sollt allein essen. Ich denke mir das als eine Art Verlobungsdiner."
„Verlobungsdiner?" riefen Liane und Äerr Porst gleichzeitig.

Dr. Iochum nahm Liane unter den linken und
Porst unter den rechten Arm.

„Gewiß, meine Lieben, ich — ich habe mich näm-
lich entschlossen, eurem Glück nichts mehr in den
Weg zu legen. Du und ich, Liane, wir passen nicht
zusammen — ihr liebt euch. Da ziehe ich ganz ein-
fach die Konsequenzen und trete zurück."

Lerr Porst reichte ihm die Land.

„Das nenne ich Seelengröße l" sagte er bewegt.
„Nicht der Rede wert! Aber Sie sind im Straßen-
anzug. Ich schlage vor. Sie gehen jetzt nach Lause
und ziehen sich einen Frack an — auch ein paar
Blumen wären passend. Meine Frau — ich wollte
sagen: Liane liebt ein bißchen Feierlichkeit, und Sie
haben doch nichts dagegen, wenn ich Ihnen in der
ersten Zeit ein wenig mit gutem Rat an die Land
gehe. Wir waren ja schließlich zwei Jahre mitein-
ander verheiratet, nicht wahr, Liebling?"

Lerr Porst küßte Liane die Land.

„Ich bin in zehn Minuten wieder da," sagte er,
„ich nehme ein Taxi."

Als er gegangen war, strich Liane ihrem Mann
über das Laar.

„Edgar," sagte sie mit strahlenden Augen, „willst
du das wirklich für mich tun?"

„Natürlich. Du hast dich immer beschwert, daß ich
nicht aufmerksam genug wäre — nun möchte ich wenig-
stens mit einerAufmerksamkeit alles wiedergut machen."
Sie gab ihm einen Kuß. (Fortsetzung Sette 356)

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