ITltn
In unsrer kleinen Stadt ist neulich ein Film gelaufen. Dieser
Film hat verheerend gewirkt. Ich habe durch ihn — ich bin durch ihn —
Doch lassen Sie mich der Reihe nach erzählen.
Am sechs Ahr saß ich zu Lause und erwartete meinen Freund
Willi Finkensieb. Es klopfte. Das konnte nur Willi sein. Ich rief
herein! Aber es trat niemand ein. Als ich die Tür öffnete, stand
draußen ein Mann auf den Länden und versuchte, mit einem Fuß
die Klingel zu drücken.
Ich richtete den Mann auf. Es war Willi.
„Famoser Spaß!" rief ich. „Großartige Idee, mein lieber Willi!"
Aber Willi verzog keine Miene und schritt mit eisernem Gesicht
ins Zimmer hinein.
„Was hast du denn, mein Lieber?" erkundigte ich mich. „Bist
du ein wenig verrückt geworden?"
Willi sah mich eisern an.
„Ich habe Buster Keato» im Film gesehen, und ich weiß jetzt,
daß es für mich nur eins gibt: seinen Stil annehmen. Ich werde
von nun an im Keaton-Stil leben."
Damit ging er zum Fenster, steckte mit unerschüttertem Gesicht
seinen Kopf durch die zerklirrende Scheibe und sah auf die Kirchenuhr.
„Es ist sechs Ahr zehn," sagte er, „laß uns gehen!"
Ich ergriff Lut und Mantel und entfloh.
Ich hatte um einhalb Sieben ein Stelldichein mit Liffy.
Lissy war das süßeste, einfachste, natürlichste Wesen, das man
sich denken kann. Sie brauchte keinen Lippenstift, puderte sich nicht
und trug Schnecken vor den Ohren.
Ich wartete. Eine halbe Stunde. Eine Stunde. Zwei Stunden.
Liffy kam nickt. Wohl aber kam nach Verlauf einer weiteren
halben Stunde ein Menschenauflauf in den Stadtpark. An der Spitze
dieses Auflaufs ging Ivan Crawford. In Losen.
Ioan Crawford und mit ihr der Menschenauflauf bewegte sich gerade
auf meine Bank zu. Ioan hatte rotgewichste Fingernägel, zweieinhalb
Zentimeter lange Wimpern an den Lidern und silbergraues Laar.
„Kurt!" hauchte Ioan Crawford, als sie bei mir angelangt war.
Ich sprang auf. Es war Liffy.
„Lissy!" rief ich außer mir, „was ist mit dir?"
„Ich habe meinen Stil entdeckt," sagte Lissy.
„Auf Wiedersehen!" stöhnte ich und entfernte mich. Ich habe
Lissy nie wieder gesehen.
Ich habe mich, um alle Brücken abzubrechen, am folgenden Tage
mit Kätchen Schöndupp verlobt. Kätchen ist das süßeste, einfachste,
natürlichste Wese», das man sich denken kann.
Ich habe ihr den Besuch von Filmen verboten.
Aber ich sehe mit Schrecken dem Sonnabend entgegen. Da läuft
„Königin Christine" mit Greta Garbo.
„26at sagst du zu Kulicke — läßt sich Visitenkarten drucken!"
„Iroßartig — ick Hab den Kerl noch jekannt, wie er n' Steckbrief
jehabt hat."
„Eie sollen sich doch nicht mit dem Postboten einlassen, Anna!
Eben war er eine Viertelstunde lang da."
„Er hat bloß mit dem Lunde gespielt, gnädige Frau."
„Dann soll er ihn aber das nächste Mal nicht so knallig küssen,
daß ich es hier im Zimmer höre."
Werbung
Es war in Schottland, natürlich in Schottland. Trafen sich
zwei Schotten.
„Laben Sie meinen Brief nicht erhalten?"
„Gewiß."
„Ich habe Ihnen doch geschrieben, daß ich Sie um die Land
Ihrer Tochter bitte, und Sie haben es nicht einmal für nötig ge-
halten, mir zu antworten."
Der Schotte schaute verwundert: „Latten Sie Rückporto beigelegt?"
„Da kannste gegen's Mittelalter sage», was de
willst, Emil, haltbarer waren de Dinger doch wie
son' Anzug von der Stange!"
§)ttokar kommt ins Kaffee — sehr niedergeschlagen und erzählt
auch gleich: „So ein Pech — so ein Reinfall I Treff ich da einen,
der mir gleich bekannt vorkam, geh hin zu ihm, sag: Guten Tag,
Lerr Müller! Freut mich, Lerr Müller, daß ich Sie wieder seh,
Lerr Müller. Gerade heute Hab ich nämlich an Sie gedacht, Lerr
Müller. Wir kennen uns ja nun schon lang genug — und ich bin
momentan gerade in einer kleinen finanziellen Verlegenheit, Lerr
Müller. — Anterbricht mich der Kerl und sagt: „Is ja alles schön
und gut — aber ich, Verehrtester — heiße Luber I"
Das Inserat
Gestern erschien das Inserat: „Reiche Witwe wünscht armen,
vollkommen vermögenslosen, auch sehr verschuldeten Junggesellen
zu ehelichen. Eilofferten unter ,D e r kann lachen', hauptpost-
lagernd." Lunderte Bewerber meldeten sich. And immer mehr
Briefe häuften sich.
Die reiche Witwe notierte sorgfältig alle Namen und Adressen.
„Wollen Sie sich denn wieder verheiraten?"
„Niemals I"
„Warum haben Sie denn das Inserat aufgegeben?"
„Ich habe doch die Schneiderwerkstatt von meinem Mann geerbt."
„And?"
Die Witwe lächelte: „Jetzt weiß ich, wer keinen Kredit be-
kommen darf."
381
In unsrer kleinen Stadt ist neulich ein Film gelaufen. Dieser
Film hat verheerend gewirkt. Ich habe durch ihn — ich bin durch ihn —
Doch lassen Sie mich der Reihe nach erzählen.
Am sechs Ahr saß ich zu Lause und erwartete meinen Freund
Willi Finkensieb. Es klopfte. Das konnte nur Willi sein. Ich rief
herein! Aber es trat niemand ein. Als ich die Tür öffnete, stand
draußen ein Mann auf den Länden und versuchte, mit einem Fuß
die Klingel zu drücken.
Ich richtete den Mann auf. Es war Willi.
„Famoser Spaß!" rief ich. „Großartige Idee, mein lieber Willi!"
Aber Willi verzog keine Miene und schritt mit eisernem Gesicht
ins Zimmer hinein.
„Was hast du denn, mein Lieber?" erkundigte ich mich. „Bist
du ein wenig verrückt geworden?"
Willi sah mich eisern an.
„Ich habe Buster Keato» im Film gesehen, und ich weiß jetzt,
daß es für mich nur eins gibt: seinen Stil annehmen. Ich werde
von nun an im Keaton-Stil leben."
Damit ging er zum Fenster, steckte mit unerschüttertem Gesicht
seinen Kopf durch die zerklirrende Scheibe und sah auf die Kirchenuhr.
„Es ist sechs Ahr zehn," sagte er, „laß uns gehen!"
Ich ergriff Lut und Mantel und entfloh.
Ich hatte um einhalb Sieben ein Stelldichein mit Liffy.
Lissy war das süßeste, einfachste, natürlichste Wesen, das man
sich denken kann. Sie brauchte keinen Lippenstift, puderte sich nicht
und trug Schnecken vor den Ohren.
Ich wartete. Eine halbe Stunde. Eine Stunde. Zwei Stunden.
Liffy kam nickt. Wohl aber kam nach Verlauf einer weiteren
halben Stunde ein Menschenauflauf in den Stadtpark. An der Spitze
dieses Auflaufs ging Ivan Crawford. In Losen.
Ioan Crawford und mit ihr der Menschenauflauf bewegte sich gerade
auf meine Bank zu. Ioan hatte rotgewichste Fingernägel, zweieinhalb
Zentimeter lange Wimpern an den Lidern und silbergraues Laar.
„Kurt!" hauchte Ioan Crawford, als sie bei mir angelangt war.
Ich sprang auf. Es war Liffy.
„Lissy!" rief ich außer mir, „was ist mit dir?"
„Ich habe meinen Stil entdeckt," sagte Lissy.
„Auf Wiedersehen!" stöhnte ich und entfernte mich. Ich habe
Lissy nie wieder gesehen.
Ich habe mich, um alle Brücken abzubrechen, am folgenden Tage
mit Kätchen Schöndupp verlobt. Kätchen ist das süßeste, einfachste,
natürlichste Wese», das man sich denken kann.
Ich habe ihr den Besuch von Filmen verboten.
Aber ich sehe mit Schrecken dem Sonnabend entgegen. Da läuft
„Königin Christine" mit Greta Garbo.
„26at sagst du zu Kulicke — läßt sich Visitenkarten drucken!"
„Iroßartig — ick Hab den Kerl noch jekannt, wie er n' Steckbrief
jehabt hat."
„Eie sollen sich doch nicht mit dem Postboten einlassen, Anna!
Eben war er eine Viertelstunde lang da."
„Er hat bloß mit dem Lunde gespielt, gnädige Frau."
„Dann soll er ihn aber das nächste Mal nicht so knallig küssen,
daß ich es hier im Zimmer höre."
Werbung
Es war in Schottland, natürlich in Schottland. Trafen sich
zwei Schotten.
„Laben Sie meinen Brief nicht erhalten?"
„Gewiß."
„Ich habe Ihnen doch geschrieben, daß ich Sie um die Land
Ihrer Tochter bitte, und Sie haben es nicht einmal für nötig ge-
halten, mir zu antworten."
Der Schotte schaute verwundert: „Latten Sie Rückporto beigelegt?"
„Da kannste gegen's Mittelalter sage», was de
willst, Emil, haltbarer waren de Dinger doch wie
son' Anzug von der Stange!"
§)ttokar kommt ins Kaffee — sehr niedergeschlagen und erzählt
auch gleich: „So ein Pech — so ein Reinfall I Treff ich da einen,
der mir gleich bekannt vorkam, geh hin zu ihm, sag: Guten Tag,
Lerr Müller! Freut mich, Lerr Müller, daß ich Sie wieder seh,
Lerr Müller. Gerade heute Hab ich nämlich an Sie gedacht, Lerr
Müller. Wir kennen uns ja nun schon lang genug — und ich bin
momentan gerade in einer kleinen finanziellen Verlegenheit, Lerr
Müller. — Anterbricht mich der Kerl und sagt: „Is ja alles schön
und gut — aber ich, Verehrtester — heiße Luber I"
Das Inserat
Gestern erschien das Inserat: „Reiche Witwe wünscht armen,
vollkommen vermögenslosen, auch sehr verschuldeten Junggesellen
zu ehelichen. Eilofferten unter ,D e r kann lachen', hauptpost-
lagernd." Lunderte Bewerber meldeten sich. And immer mehr
Briefe häuften sich.
Die reiche Witwe notierte sorgfältig alle Namen und Adressen.
„Wollen Sie sich denn wieder verheiraten?"
„Niemals I"
„Warum haben Sie denn das Inserat aufgegeben?"
„Ich habe doch die Schneiderwerkstatt von meinem Mann geerbt."
„And?"
Die Witwe lächelte: „Jetzt weiß ich, wer keinen Kredit be-
kommen darf."
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Film" "Die Schloßbesichtigung"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1935
Entstehungsdatum (normiert)
1930 - 1940
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 182.1935, Nr. 4715, S. 381
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg