Auf Freierssüßen
. und im Aebrigen," schloß der Mann, der das neuzeitliche
Leiratsbüro leitete, seinen einleitenden Vortrag, „im Aebrigen bitte
ich Sie, zu bedenken, daß mein Unternehmen nur rein idealen Zwecken
dient und keine Erwerbsziele verfolgt. Darf ich Sie nun um die
satzungsgemäße Anzahlung in Löhe von 25 Mark bitten?"
Oskar Knarre, an den diese Aufforderung gerichtet war, zog die
Brieftasche und zahlte.
„Darf ich Sie bitten," sagte Oskar Knarre, „mir vielleicht die
Bilder einiger Damen . . ."
Der Unternehmer in Idealen machte eine abschneidende Land-
bewegung.
„Ehe wir zu den konkreten Möglichkeiten — ich möchte sagen:
herabsteigen, darf ich Sie wohl mit der feineren Struktur, mit dem
subtilen Aufbau meiner Organisation bekannt machen!"
„Bitte sehr!" sagte Oskar Knarre.
„Man sucht," fuhr der Organisator
des Sichfindens fast tadelnd fort, „man
sucht eine Lebensgefährtin nicht aus dem
Photographiealbum, .Herr Knarre!
Ich will Sie vor Enttäuschungen be-
wahren. Aus diesem Grunde ist bei
mir eine Einteilung durchgeführt, die
die feinsten Nuancen der Seele und
des Aeußeren erfaßt."
Lier zückte der Mann mit der
Miene eines Generaldirektors eine»
Notizblock.
„Wollen Sie mir nun," wandte
er sich an seinen Kunden, der sich die
Sache viel einfacher vorgestellt hatte,
„bitte, sagen, was Sie sich so ungefähr
von der Frau, mit der Sie Schicksals-
gemeinschaft eingehen wolle», gedacht
haben?"
„Nun," sagte Oskar Knarre etwas
verlegen, „ich dachte mir-also,
eines steht fest: blond muß sie sein
und nicht unvermögend."
Das konziliante Lächeln verschwand
vom Gesicht des Systematikers der Lebensgemeinschaft. Merklich
kühl ließ er den Notizblock sinken.
„Sie arbeiten mit den primitiven Mitteln des vorigen Jahr-
Hunderts, mein Lerr. Sie halten „blond" für die äußere Erschei-
nungsform einer bestimmten Seelenlage. Mit so groben Mitteln
kommen wir nicht weiter! Meine Einteilung ist nach den neuesten
Ergebnissen der Tiefenpsychologie aufgestellt. Aber ich sehe: ich
brauche Ihnen meine sogenannte 8-Liste nicht vorzulegen, bei Ihnen
genügt die Liste F\. Für Sie hat das den Vorteil, daß Sie etwas
billiger fahren, denn die Ausarbeitung der Liste 6 macht eine der-
artige Arbeit, daß ich sie nur gegen eine Extragebühr von 20 Mark
vorlege und erläutere."
„Sehr angenehin!" sagte Oskar Knarre ganz verdattert.
„Bitte!" lud der Mann ihn mit einer verbindliche» Landbewegung
in ein Nebenzimmer ein, das mit Regalen und Kartotheken bis
zur Decke gefüllt war.
„Sie sehen hier die Abteilung öl. Die Nordwand dort enthält
die landläufige Qualität „schön", jene Südwand „Läßlich". Daß Sie
mit der Südwand Ihr Glück machen können, brauche ich nicht zu
betonen, Sie werden aber vermutlich
dafür kein Verständnis haben. Die
primitive Einteilung dieser Abteilung
setzt sich weiterhin zusammen aus:
Blond —dunkel,mit den Anterabtei-
lungen Flachs, Kupfer, Stroh, Platin
einerseits und Brünett, Kastanien-
braun, Schwarz, Blauschwarz andrer-
seits. Alt rechnet bei mir vom 32. Lebens-
jahre ab. Damen über 45 sind durch
einen schwarzen Punkt gekennzeichnet.
Wir haben da ferner die Rubriken groß
- klein; die Grenze liegt bei 1,68 m
dick — dünn, reich — arm, geistreich
— Durchschnittsbegabung, Raucherin,
Nichtraucherin, mondän — häuslich,
kühles und feuriges Temperament."
Oskar Knarre näherte sich instinktiv
der Nordwand.
„Ich möchte eine reiche Blondine,
groß, schlank, jung, geistreich. Nicht-
raucherin, häuslich, feurig."
Der Mann, der die Frauen so
exakt eingeteilt hatte, schlug die Lände
über dem Kopf zusammen.
„Lerr Knarre," sagte er und schob dem Besucher 5 Mark hin,
„ich bin in der Lage, Ihnen einen Teil Ihres Vorschusses zurück-
zuzahlen. Die Angelegenheit ist dainit für mich erledigt. Ich kann
Sie zu meinem Bedauern nicht zufriedenstellen. Ich habe ein Leirats-
institut und kein Raritätenkabinett." Gong
4*.
€> 1 ® | ®
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CD
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oL
©
* ®
14-
«=*
4-
«=»
Äer Luberbauer schaut einem Maler zu, der eben dem Luberbauern
sein Läuse! malt mitsamt der Waldgegend dahinter. Der Lerr Kunst-
maler hat wohl eine etwas eigenartige Auffassung, und der Eigen-
tümer schaut eine Zeitlang kopfschüttelnd das Kunstwerk an.
„A so sich i mei Läusel, bal i z'vui Bier dawischt Hab. Ietza
woaß i net, is der Lerr bsuffa, oder kunnt i a Kunstmaler wern, bal
i an Rausch Hab?!"
Schwärmerei
Zwei Backfische vor dem Konzertbüro.
In der Auslage steht die Fotografie des
göttlichen Sängers in einer seiner Laupt-
rollen.
„Dieses Bild von ihm habe ich auch!"
„And ich die Grammophonplatte von
ihm in dieser Rolle."
„Aber Elli, das ist ja herrlich, dann
haben wir ihn ja zusammen ganz!"
398
Dichtung und Wahrheit
Elf Ahr nachts. Jüglers liegen in ihren Betten und lesen »och
etwas: Betty Zügler ein Buch, der Gatte die Zeitung.
Betty Zügler schrickt auf. „Du, Bruno — hast du auch das
Sicherheitsschloß abgeschlossen?"
„Aber ja doch!" knurrt Bruno Zügler. „Jetzt fragst du schon
zum dritten Male danach. Du mußt nicht immer abends diese blöd-
sinnigen Kriminalromane lesen."
Zehn Minuten Ruhe. Da rappelt sich
Bruno Zügler auf, krabbelt aus dem Bett
und wandert in den Korridor. Als er
zurückkommt, schließt er die Schlafzimmer-
tür hörbar ab; zweimal dreht er de»
Schlüssel um.
„Was war denn?" fragt die Gattin.
„Ach, ich Hab' doch noch mal nach
dem Sicherheitsschloß gesehn. In der
Zeitung steht wieder von drei Ein-
brüchen."
. und im Aebrigen," schloß der Mann, der das neuzeitliche
Leiratsbüro leitete, seinen einleitenden Vortrag, „im Aebrigen bitte
ich Sie, zu bedenken, daß mein Unternehmen nur rein idealen Zwecken
dient und keine Erwerbsziele verfolgt. Darf ich Sie nun um die
satzungsgemäße Anzahlung in Löhe von 25 Mark bitten?"
Oskar Knarre, an den diese Aufforderung gerichtet war, zog die
Brieftasche und zahlte.
„Darf ich Sie bitten," sagte Oskar Knarre, „mir vielleicht die
Bilder einiger Damen . . ."
Der Unternehmer in Idealen machte eine abschneidende Land-
bewegung.
„Ehe wir zu den konkreten Möglichkeiten — ich möchte sagen:
herabsteigen, darf ich Sie wohl mit der feineren Struktur, mit dem
subtilen Aufbau meiner Organisation bekannt machen!"
„Bitte sehr!" sagte Oskar Knarre.
„Man sucht," fuhr der Organisator
des Sichfindens fast tadelnd fort, „man
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Photographiealbum, .Herr Knarre!
Ich will Sie vor Enttäuschungen be-
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mir eine Einteilung durchgeführt, die
die feinsten Nuancen der Seele und
des Aeußeren erfaßt."
Lier zückte der Mann mit der
Miene eines Generaldirektors eine»
Notizblock.
„Wollen Sie mir nun," wandte
er sich an seinen Kunden, der sich die
Sache viel einfacher vorgestellt hatte,
„bitte, sagen, was Sie sich so ungefähr
von der Frau, mit der Sie Schicksals-
gemeinschaft eingehen wolle», gedacht
haben?"
„Nun," sagte Oskar Knarre etwas
verlegen, „ich dachte mir-also,
eines steht fest: blond muß sie sein
und nicht unvermögend."
Das konziliante Lächeln verschwand
vom Gesicht des Systematikers der Lebensgemeinschaft. Merklich
kühl ließ er den Notizblock sinken.
„Sie arbeiten mit den primitiven Mitteln des vorigen Jahr-
Hunderts, mein Lerr. Sie halten „blond" für die äußere Erschei-
nungsform einer bestimmten Seelenlage. Mit so groben Mitteln
kommen wir nicht weiter! Meine Einteilung ist nach den neuesten
Ergebnissen der Tiefenpsychologie aufgestellt. Aber ich sehe: ich
brauche Ihnen meine sogenannte 8-Liste nicht vorzulegen, bei Ihnen
genügt die Liste F\. Für Sie hat das den Vorteil, daß Sie etwas
billiger fahren, denn die Ausarbeitung der Liste 6 macht eine der-
artige Arbeit, daß ich sie nur gegen eine Extragebühr von 20 Mark
vorlege und erläutere."
„Sehr angenehin!" sagte Oskar Knarre ganz verdattert.
„Bitte!" lud der Mann ihn mit einer verbindliche» Landbewegung
in ein Nebenzimmer ein, das mit Regalen und Kartotheken bis
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„Sie sehen hier die Abteilung öl. Die Nordwand dort enthält
die landläufige Qualität „schön", jene Südwand „Läßlich". Daß Sie
mit der Südwand Ihr Glück machen können, brauche ich nicht zu
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dafür kein Verständnis haben. Die
primitive Einteilung dieser Abteilung
setzt sich weiterhin zusammen aus:
Blond —dunkel,mit den Anterabtei-
lungen Flachs, Kupfer, Stroh, Platin
einerseits und Brünett, Kastanien-
braun, Schwarz, Blauschwarz andrer-
seits. Alt rechnet bei mir vom 32. Lebens-
jahre ab. Damen über 45 sind durch
einen schwarzen Punkt gekennzeichnet.
Wir haben da ferner die Rubriken groß
- klein; die Grenze liegt bei 1,68 m
dick — dünn, reich — arm, geistreich
— Durchschnittsbegabung, Raucherin,
Nichtraucherin, mondän — häuslich,
kühles und feuriges Temperament."
Oskar Knarre näherte sich instinktiv
der Nordwand.
„Ich möchte eine reiche Blondine,
groß, schlank, jung, geistreich. Nicht-
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Der Mann, der die Frauen so
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über dem Kopf zusammen.
„Lerr Knarre," sagte er und schob dem Besucher 5 Mark hin,
„ich bin in der Lage, Ihnen einen Teil Ihres Vorschusses zurück-
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Zwei Backfische vor dem Konzertbüro.
In der Auslage steht die Fotografie des
göttlichen Sängers in einer seiner Laupt-
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„And ich die Grammophonplatte von
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„Aber Elli, das ist ja herrlich, dann
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Elf Ahr nachts. Jüglers liegen in ihren Betten und lesen »och
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Betty Zügler schrickt auf. „Du, Bruno — hast du auch das
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„Aber ja doch!" knurrt Bruno Zügler. „Jetzt fragst du schon
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„Was war denn?" fragt die Gattin.
„Ach, ich Hab' doch noch mal nach
dem Sicherheitsschloß gesehn. In der
Zeitung steht wieder von drei Ein-
brüchen."
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Auf Freiersfüßen" "Das Plattenlager"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1935
Entstehungsdatum (normiert)
1930 - 1940
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 183.1935, Nr. 4690, S. 398
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg