bekannt. Irgendwelche offenen Zwistigkeiten haben Sie ja wohl niemals
gehabt, und daß Sie aus einem unbekannten Grunde einen Groll gegen
ihn hegen, haben Sie auch niemals gezeigt. Sie sind dem Lerrn Roller
stets mit der in unfern Kreisen üblichen Löslichkeit, ja sogar liebenswürdig
begegnet. Am 15. Juni aber, gegen 4 Ahr nachmittags, fällt es Ihnen
bei einem Zusammentreffen in der Bäckerstraße urplötzlich ein, dem Lerrn
Roller eine tätliche Beleidigung zuzusügen — ohne jede Arsache. Lerr
Roller hat Sie begrüßt. Sie haben wieder gegrüßt; dann hat Lerr Roller
eine flüchtige Anterhaltung anknüpfen wollen-und da, Lerr Kniebus,
haben Sie Ihren Spazierstock geschwungen und auf den Lerrn Roller
einhauen wollen. Lerr Roller ist zur Seite gesprungen, aber einen leichten
Schlag hat er doch bekommen. Einen ganz leichten, wie er selbst sagt-
aber immerhin: selbst der allerleichteste Schlag, Lerr Kniebus, stellt eine
tätliche Beleidigung dar und muß darum geahndet werden. Ja, wenn Sie
noch durch Lerrn Roller gereizt worden wären! Aber das war doch wirk-
lich nicht der Fall."
„Doch, Lerr Amtsrichter, das war der Fall," erklärt jetzt Kniebus.
„Allerdings hat Roller das nicht beabsichtigt und auch gar nicht wissen
können. Aber gereizt worden bin ich doch, schrecklich gereizt. Ich möchte
Ihnen erklären, wie die Sache zuging. Vielleicht gelingt es mir, Ihr Ver-
ständnis zu finden, und am Ende wird auch Roller mich begreifen."
„Das wäre ja sehr schön!" meint der Amtsrichter Schlichtegroll. „Nicht
wahr, Lerr Roller?" And Roller nickt; er hat den Antrag gegen Kniebus
Der Dichterling
in der ersten Aufregung gestellt, und nun wünscht er sich eine
bessere Lösung, als daß Kniebus verknackst werden muß, denn
da würde doch immer ein Stachel zurückbleiben.
Kniebus denkt nach. Dann lächelt er den Amtsrichter an.
„Am vollkommen verstanden zu werden, muß ich mir eine kleine
Abschweifung erlauben, Lerr Amtsrichter. Darf ich einmal eine
ganz private Frage an Sie richten?"
Der Amtsrichter Schlichtegroll ist, wie gesagt, ein guter
Mann, und außerdem kennt er ja Kniebus und Roller persönlich.
„Bitte, Lerr Kniebus!" sagt er also gemütlich.
Kniebus zeigt auf den Füllhalter, mit dem der Amtsrichter
grade spielt. „Wo haben Sie den schönen Füllhalter her, Lerr
Amtsrichter?"
Der Amtsrichter Schlichtegroll wundert sich über diese Frage,
aber da er sie gestattet hat, beantwortet er sie auch. „Von Voppel-
mann am Rathausplatz."
„Aha! Danke, Lerr Amtsrichter!" sagt Kniebus. „Ja, es
war also am 15. Juni nachmittags. Ein wunderschöner Sommer-
tag, an dem ich mich so wohl fühlte wie lange nicht.. Deshalb
wollte ich mal einen tüchtigen Spaziergang machen. Ich hatte
auch viel gearbeitet, eine Menge Briefe geschrieben-Ver-
zeihung, Lerr Amtsrichter, wo haben Sie doch den schönen
Füllhalter her?"
„Von Boppelmann am Rathausplay." Der Amtsrichter
Schlichtegroll zuckt die Achseln.
„Ah so! Danke, Lerr Amtsrichter! Ich nehme also einen
Das leichte Auto „Siehst du, Evchen, das sind eben
die Vorzüge eines Kleinwagens."
Eine befriedigende Erklärung V°n P-.-r R°btns°n
„Ein merkwürdiger Fall! Ich kann Ihr Benehmen wirklich nicht
verstehen, Lerr Kniebus," sagt der Amtsrichter Schlichtegroll, wobei ihm
aufrichtiges Be-
dauern anzumer-
ken ist. Ja, er
möchte den Fall
gern verstehen,
denn einmal ist
er ein gutmüti-
ger Mann, und
dann ist Kniebus
ihmpersönlichbe-
kannt, gerade so
wie Roller, der
jetzt als von Knie-
bus schmählich
Beleidigter vor
ihm als Richter
erscheint. And
deshalb wünscht
er diese unange-
nehme Sache in
Güte beizulegen.
„Rein, es ist
nicht zu ver-
stehen," wieder-
holt der Amts-
richter Schlichte-
groll. „Seit Jah-
ren, Lerr Knie-
bus, sind Sie mit
demLerrnRoller
„Selige Oede auf einsamer Höh ...
„Fühlst du die einsame Schönheit hier oben,
Erna?"
„So einsam ist sie doch gar nicht, ich bin
doch auch zugegen!"
414
gehabt, und daß Sie aus einem unbekannten Grunde einen Groll gegen
ihn hegen, haben Sie auch niemals gezeigt. Sie sind dem Lerrn Roller
stets mit der in unfern Kreisen üblichen Löslichkeit, ja sogar liebenswürdig
begegnet. Am 15. Juni aber, gegen 4 Ahr nachmittags, fällt es Ihnen
bei einem Zusammentreffen in der Bäckerstraße urplötzlich ein, dem Lerrn
Roller eine tätliche Beleidigung zuzusügen — ohne jede Arsache. Lerr
Roller hat Sie begrüßt. Sie haben wieder gegrüßt; dann hat Lerr Roller
eine flüchtige Anterhaltung anknüpfen wollen-und da, Lerr Kniebus,
haben Sie Ihren Spazierstock geschwungen und auf den Lerrn Roller
einhauen wollen. Lerr Roller ist zur Seite gesprungen, aber einen leichten
Schlag hat er doch bekommen. Einen ganz leichten, wie er selbst sagt-
aber immerhin: selbst der allerleichteste Schlag, Lerr Kniebus, stellt eine
tätliche Beleidigung dar und muß darum geahndet werden. Ja, wenn Sie
noch durch Lerrn Roller gereizt worden wären! Aber das war doch wirk-
lich nicht der Fall."
„Doch, Lerr Amtsrichter, das war der Fall," erklärt jetzt Kniebus.
„Allerdings hat Roller das nicht beabsichtigt und auch gar nicht wissen
können. Aber gereizt worden bin ich doch, schrecklich gereizt. Ich möchte
Ihnen erklären, wie die Sache zuging. Vielleicht gelingt es mir, Ihr Ver-
ständnis zu finden, und am Ende wird auch Roller mich begreifen."
„Das wäre ja sehr schön!" meint der Amtsrichter Schlichtegroll. „Nicht
wahr, Lerr Roller?" And Roller nickt; er hat den Antrag gegen Kniebus
Der Dichterling
in der ersten Aufregung gestellt, und nun wünscht er sich eine
bessere Lösung, als daß Kniebus verknackst werden muß, denn
da würde doch immer ein Stachel zurückbleiben.
Kniebus denkt nach. Dann lächelt er den Amtsrichter an.
„Am vollkommen verstanden zu werden, muß ich mir eine kleine
Abschweifung erlauben, Lerr Amtsrichter. Darf ich einmal eine
ganz private Frage an Sie richten?"
Der Amtsrichter Schlichtegroll ist, wie gesagt, ein guter
Mann, und außerdem kennt er ja Kniebus und Roller persönlich.
„Bitte, Lerr Kniebus!" sagt er also gemütlich.
Kniebus zeigt auf den Füllhalter, mit dem der Amtsrichter
grade spielt. „Wo haben Sie den schönen Füllhalter her, Lerr
Amtsrichter?"
Der Amtsrichter Schlichtegroll wundert sich über diese Frage,
aber da er sie gestattet hat, beantwortet er sie auch. „Von Voppel-
mann am Rathausplatz."
„Aha! Danke, Lerr Amtsrichter!" sagt Kniebus. „Ja, es
war also am 15. Juni nachmittags. Ein wunderschöner Sommer-
tag, an dem ich mich so wohl fühlte wie lange nicht.. Deshalb
wollte ich mal einen tüchtigen Spaziergang machen. Ich hatte
auch viel gearbeitet, eine Menge Briefe geschrieben-Ver-
zeihung, Lerr Amtsrichter, wo haben Sie doch den schönen
Füllhalter her?"
„Von Boppelmann am Rathausplay." Der Amtsrichter
Schlichtegroll zuckt die Achseln.
„Ah so! Danke, Lerr Amtsrichter! Ich nehme also einen
Das leichte Auto „Siehst du, Evchen, das sind eben
die Vorzüge eines Kleinwagens."
Eine befriedigende Erklärung V°n P-.-r R°btns°n
„Ein merkwürdiger Fall! Ich kann Ihr Benehmen wirklich nicht
verstehen, Lerr Kniebus," sagt der Amtsrichter Schlichtegroll, wobei ihm
aufrichtiges Be-
dauern anzumer-
ken ist. Ja, er
möchte den Fall
gern verstehen,
denn einmal ist
er ein gutmüti-
ger Mann, und
dann ist Kniebus
ihmpersönlichbe-
kannt, gerade so
wie Roller, der
jetzt als von Knie-
bus schmählich
Beleidigter vor
ihm als Richter
erscheint. And
deshalb wünscht
er diese unange-
nehme Sache in
Güte beizulegen.
„Rein, es ist
nicht zu ver-
stehen," wieder-
holt der Amts-
richter Schlichte-
groll. „Seit Jah-
ren, Lerr Knie-
bus, sind Sie mit
demLerrnRoller
„Selige Oede auf einsamer Höh ...
„Fühlst du die einsame Schönheit hier oben,
Erna?"
„So einsam ist sie doch gar nicht, ich bin
doch auch zugegen!"
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Das leichte Auto" "Selige Oede auf einsamer Höh ..." "Der Dichterling"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1935
Entstehungsdatum (normiert)
1930 - 1940
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 183.1935, Nr. 4691, S. 414
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg