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Ein Krankheitsfall

Von Peter Robinson

Mobbe wohnt links im ersten Stock, Tinglers
tun das gleiche auf der rechten Seite. Mobbe,
ein alter Junggeselle, haust da schon lange; Ting-
lers sind erst vor vier Wochen eingezogen, bei
ihrer Leirat. Am zweiren Tage wurde für Ting-
lers ein Klavier gebracht. Da sie aber gerade
nicht zu Lause waren, gestattete Mobbe, daß es
bei ihm eingestellt wurde, zur Vermeidung eines
doppelten Transports. Tinglers haben sich sehr
bedankt und schätzen Mobbe seitdem als guten
und getreuen Nachbarn. Sie denken von ihm, daß
man selten einen so netten alten Lerrn finde.

Mobbe denkt von Tinglers, daß sie harmlose junge
Leute seien, die noch viel vom Leben zu lernen
haben — besonders das Frauchen, das ihm sehr
unerfahren vorgekommen ist.--

Es ist an einem Sonnabend ganz spät: gleich
wird der Sonntag anfangen. Mobbe sitzt noch
mit einer langen Pfeife im Lehnstuhl und liest.

Da klingelt es an seiner Tür, ganz schüchtern.

Mobbe zieht den mit Quasten geschmückten Strick
seines türkischen Schlafrocks fester an und schlorrt
nach der Tür. Frau Tingler steht da, die junge
Nachbarin. Sie hat Tränen in den Augen, und
ihre Lippen beben. „Ach, Lerr Mobbe, entschul-
digen Sie vielmals, daß ich noch störe. Aber ich weiß mir nicht zu
helfen, Lerr Mobbe" — jetzt fließen die Tränen — „ach Gott, Lerr
Mobbe, mein Mann ist plötzlich erkrankt."

Mobbe erschrickt voll Mitgefühl. „O weh! Aber es wird nicht
so schlimm sein. Ich werde einen Arzt holen; gleich um die Ecke
wohnt ja einer."

„Das wollte ich schon, Lerr Mobbe. Aber mein Mann mag keinen
Arzt haben. Beinahe grob ist er geworden, als ich das sagte. And
was soll ich nun tun?"

„Ja, was fehlt ihm denn überhaupt? Liegt er zu Bett?"

„Nein, Lerr Mobbe — er ist ja ebcn erst nach Lause gekommen.
Er hat heute mit ein paar Freunden eine wichtige Besprechung
gehabt, und das hat so lange gedauert. Als ich ihn die Tür auf-
schließen hörte, bin ich ihm in den Korridor entgegengelaufen. Da
sah ich gleich, daß ihm nicht recht war. Er taumelte."

„Aha!" Mobbes Mitgefühl verdorrt; dafür keimt einiges Behagen.

„Ja, und dann muß er einen Schwindelanfall bekommen haben:
er fiel hin. Mit dem Kopf stieß er dabei
an die Wand. Ach Gott, Lerr Mobbe,
ich fürchte er hat sich das Gehirn be-
schädigt. 'Er konnte ja wieder aufstehn,
aber nur mit Mühe, und dann schwankte
er in sein Zimmer. Und dann redete er
irre. Und er sang auch —-ganz un-

sinniges Zeug. ,Dreimal drei ist neune;
du weißt ja, wie ich's meine', hat er ge-
sungen. Ach, Lerr Wobbe, was hat das
zu bedeuten? Wird das vorübergehn?"

„Selbstverständlich!" Wobbe weiß
nicht, wie er der unerfahrenen jungen
Frau den Fall erklären soll. Er tastet.

„Laben Sie keine Brüder, gnädige Frau?"

„Nein. Warum denn?"

"Ich meinte nur — — um Sie viel-
leickt auf einen ähnlichen Fall verweisen
zu können. Was ist denn Ihr Lerr Vater?"

„Leilkünstler," sagt die junge Frau
arglos und nicht ohne Stolz. „Natur-
heilkundiger und Vorstand des Vege-
tariervereins."

„Waren Sie das, der mir das Mittel gegen lästige Damenhaare empfahl?"
„Ja, bitte vielmals um Entschuldigung, vielleicht probiert die Dame es jetzt
mal mit unserem Laarwuchsmittel?"

„Aha! Ja, das ist nun so' ne Sache!" Wobbe findet den Fall jetzt
interessant, aber schwierig.

„Wir essen ja etwas Fleisch," erzählt Frau Tingler. „Mein Mann
will es durchaus. Ob er es davon hat?"

„Sicherlich nicht!" beruhigt Wobbe. „Allerdings handelt es sich
jedenfalls um die Wirkung irgendeines, wohl unvorsichtiger Weise
im Uebermaß genossenen Stoffes, eine kleine nervöse Störung. Aber
sehen wir doch einmal zu-ich will gern behilflich sein."

Tinglers haben ein Aquarium. Vor diesem sitzt jetzt Lerr Tingler;
er scheint sein Laupt darin gekühlt zu haben, denn sein Laar trieft.
Er plätschert mit der Rechten munter in dem Wasser herum und
hält dabei einen Vortrag, seine Sätze ruckweise einem in seiner
Phantasie lebenden Publikum zuschleudernd. „Da haben wir also,
meine Damen und Lerren, den Goldfisch-piscis auriger com-

munis nach Sinne. Der Goldfisch gehört einer Klasse des Tierreichs
an. Da gehört er hinein. Da kann er nicht 'raus. Er ist kein Mensch,
der aus einer Klasse in die andre steigen kann, etwa aus der dritten
in die zweite, wenn er eine Zuschlagkarte
löst. Der Goldfisch, meine Damen und
Lerren, kommt derart vorzugsweise im
Wasser vor, daß ein anderer Aufenthalts-
ort dieses Geschöpfes zu den größten
Seltenheiten gehört. Seine Lebensge-
wohnheiten sind, im diatremalen — —
nein, im dia-im diametralen Gegen-

satz zu seinem Namen, keineswegs luxu-
riös. Einige Ameisensetzeier — — —"
„Schrecklich!" schreit Frau Tingler
auf. „Lugo, lieber Lugo — komm' doch
zu dir, lieber Mann!"

Lugo dreht sich um und erblickt nun
Wobbe. „Ah, ein Türke! Salem aleikum!
Ein Alttürke, nicht wahr? Der Gewan-
dung nach zu urteilen. Tut mir aber sehr
leid, mein Lieber: ich habe nicht die Ab-
sicht, Teppiche zu kaufen. Auch keinen
türkischen Lonig. Das Zeug ist mir viel
zu labbrig."

„Guten Abend, Lerr Tingler!" sagt
Wobbe.

Anterschied „Fräulein Kathi,

ich war wohl gestern Nacht sehr betrunken?!"

„Dös kimmt drauf o. Wia's mit der Zensi pussiert
Ham, da warn's bsoffn, aber wia's mir an Leirats-
antrag gmacht Ham, da san's nüchtern gwesen!"

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Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Damenhaare"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Mauder, Josef
Frank, Hugo
Entstehungsdatum
um 1936
Entstehungsdatum (normiert)
1931 - 1941
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Fliegende Blätter, 184.1936, Nr. 4718, S. 5
 
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