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Zeichnung von M. Claus

Straßenbahn im Fasching

Ein Trambahnführer, neben dessen Tram
Ein kecker Maschkera dauern- herjonglierte.
Bemerkte» daß die Trambahn, die er führte,
Sich plötzlich sonderbar benahm.

Der Radler machte Schleifen, ganz vermögen.
Auf seinem lausgen, unverschämten Rad —
Die Trambahn wollte auch auf einmal Bogen,
Und dabei war die Strecke kerzengrad.

Der Maschkera fuhr ne Acht mit einem kühnen
Schwung nach zwei Seiten, und dann macht er halt.
Da sprang die Trambahn plötzlich aus den Schienen
Und machte tiefe Rillen im Asphalt.

Der Schaffner, -er grad ein Billett verkaufte,
Sprang ratlos hinten von -er Plattform ab,
Worauf er sich ganz still die Haare raufte,
Was ein ganz ungewohntes Bild ergab.

Die Leute, die im Wagen drinnen faßen,

Die schwärmten wie die Bienen aus dem Stock
Und machten eine Zeit lang erst in Phrasen
Und schimpften auf den Führer dann en bloc.

Der Trambahnführer stand als wie im Traume,
Und Händ' und Füße waren ihm so schwer,

Er brach ein Stückchen Rinde sich vom Baume
Und ging betäubt davon mit einem Kontrolleur.

Peter Kringel

Die Lauptsache

daß sie in der nächsten Minute allein im weiten Raume
stehen würde, mutterseelenallein mit ihrem Prozeß und
der nicht ganz begriffenen Wendung, die dieser jetzt
genommen hatte, oder nehmen würde, oder — oder —
fenn’ sich einer aus in diesen Teufelsprozessen, wo sie
jetzt das Material in mühseliger Kleinarbeit zusammen-
getragen hatte, wo sie die mehr oder minder beschwö-
eungsbereiten Aeußerungen von sieben Nachbarinnen im Wochen-
tagen Pendelverkehr ihren Anwälten zugeleitet hatte, wo sie Aus-
sicht hatte, weitres Material von weitren Nachbarn zu erhalten,
wo sie unzählige schlaflose Nächte dazu verwendet hatte, alle pro-
ießualen Einzelheiten schwitzend durchzuackern, wo sie es wahrlich
üicht ganz leicht gehabt hatte, alle geforderten Anwaltsvorschüsse zu
erlegen, wo sie im Falle des Verlierens alle Möglichkeiten der zweiten
Instanz sorgfältig berechnet hatte, wo —

„Na, Frau Mittergschwendtner", wandte sich der eine Anwalt
um, „kommen Sie nicht mit?"

„Worauf warten Sie noch, Frau Mittergschwendtner?" ergänzte
der zweite Anwalt.

„Auf was i wart?" fing es in Frau Mittergschwendtners Brust
iangsam an zu kochen, „auf — was — i — wart — "

Die beiden Anwälte stießen sich an: „Daß wir ihr gratulieren,
darauf wartet sie, Kollege."

„Gra—ta—liern!" zischte es aus Frau Mittergschwendtners
Busen, „für was grataliern, han? — was is denn Überhaupts! —
warum geht's denn net an — schaugts, daß in Schwung kommts, ös
zwoa Dökter! — für was Hab ich euch denn zahlt, bittschön! — daß wir
uns einfach mir nix dir nix da nausteufeln lasteten, ausm G'richt —
wtzt wo alls im Schuß is — jetzt wo er (sie deutete mit dem Daumen
Über ihre Schulter auf mich) neidruckt is in d' Ecken, daß er nimmer
aus und ein weiß, der — der —"

Die Anwälte spitzten die Ohren: Das Lauptwort hinter,der"
versprach einen neuen Prozeß. Aber der Richter, schon im Gehen,
drehte sich um und griff ein: „Gute Frau, Sie scheinen nicht zu ver-
stehen, daß Sie den Prozeß gewonnen haben?"

„Sie bringen mir also alles mit Ihrem Karren in die Wohnung.
Der Lund darf aber nicht zum Ziehen eingespannl werden!

„G'wonnen? Wieso g'wonnen? Was heißt g'wonnen, wo ich bis
jetzt noch mit keinem einzigen Mörtel drankommen bin! Wo bis jetzt
nur der andre hält reden dürfen!"

Der Richter lachte: „Aber was wollen Sie denn noch, gute
Frau?"

„Nix da ,gute Frau" — ich kenn mich aus: Bloß eing'seift sollt
ich werdn mit lauter »gute Frau" — und was ich noch will? — reden
will ich — von der Leber runter will ich's habn, was ich aufm
Lerzen Hab in dem ganzen hundsmiserablen Prozeß! — zsammhelfen
tuts alle mitanand — das Maul wollts mir verbieten! — aber da
werd nix draus — meints ihr vielleicht, ich kenn mich net aus in
dene Gesetzer — die zwei Dökter Ham daz'bleiben, wo s' hing'hörn!
— da g'hörn s' her — z' reden Ham s', verstanden — und z'erst red
ich —"

„Bitte", lächelte es vom Richtertisch, der auf einmal leer wurde
und auf dem nur eine einsame schwarze Richterkappe ernst und ganz
Ohr auf die mächtig mit den Armen fechtende Frau Berta Mitter-
gschwendtner herunterschaute.

Es gab Frau Berta einen Stich. War denn da niemand, der's
mit ihr hielt? And nicht mit dieser verlotterten Justiz. Die doch da-
für da war, daß mit jeder Art von Angerechtigkeit ausgeräumt wurde.
Wenn die schon beim ersten Akt versagte. Der erste Akt war doch,
seitdem die Welt stand, daß man sich aussprechen konnte.

Prozesse ohne Aussprache, waren das noch überhaupt Prozesse?
Das waren Kindereien, Firlefanzereien. Prozesse, bei denen der Vor-
hang fiel, bevor er aufgegangen war, der Fransenvorhang von Rede
und Gegenrede —. War das nicht Betrug, Staatsbetrug? — „Bis
nauf zum Minister geh' ich!" rief sie hallend in den Saal.

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Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Sorge"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
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Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Claus, Martin
Entstehungsdatum
um 1936
Entstehungsdatum (normiert)
1931 - 1941
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 184.1936, Nr. 4724, S. 103

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