o
Ein Vorbild
Bruno und Paula Stiefler sind seit drei Monaten verheiratet.
Die jungen Leute haben viele nette Bekannte; sie haben oft Besuch
und sind auch viel eingeladen.
Nur mit Obermüllers ist Bruno Stiefler nicht einverstanden. Den
Man» bedauert er, und die Frau, eine ältere Freundin seiner Gattin,
findet er greulich; es fällt ihm auf die Nerven, immer wieder er-
leben zu müssen, wie sie ihren Mann tyrannisiert und straffe Zügel
einer erbarmungslosen Gewaltherrschaft in festen Länden hält.
Also zieht er die Folgerung: „Liebe Paula, deine Freundin Ella
ist kein Amgang für dich. Es wäre mir lieb, wenn du diese Freund-
schaft allmählich aufgeben würdest."
Davon aber möchte Paula nichts wissen. „Nein, Bruno I Mama
hat mir gerade geraten, ich sollte viel mit ihr verkehren und immer
auf sie hören; ich könnte sehr viel von ihr lernen." —°n.
Verlobung
Nussel kommt mit dem Nachtzug in Lamburg an. Er kommt zu
einer Verlobung und ist sehr aufgeregt, denn es ist seine eigne Ver-
lobung. Der Zug kommt um 6 Ahr früh an, aber Nussel legt sich
nicht noch die paar Stunden aufs
Ohr, sondern trifft nervöse Vor-
bereitungen. Am 7 Ahr läutet er
dem Zimmermädchen und ersucht
darum, einen Knopf ans Frack-
Hemd zu nähen. Dann steckt er
sich eine Aspirintablette in den
Mund und wundert sich, daß sie
so hart ist. Fünf Minuten später
erscheint das Zimmermädchen und
sagt, der Lerr habe ihr Aspirin-
tabletten zum Annähen gegeben.
Leider ist es zu spät, denn Nussel
hat soeben den Kragenknopf ver-
schluckt.
Anter solchen Scherzen vergeht
der halbe Vormittag. Am elf Ahr
stürmt Nussel aus dem Lotel,
aber im allerletzten Moment fällt
ihm ein, daß er ja doch wenig-
stens ein paar Blumen mitbringen
muß.
Gott sei Dank kommt gerade
ein Dienstmann daher. Nussel
rafft ihn an sich.
„Besorgen Sie mir sofort einen
Strauß, aber einen großen!"
„Woll, woll! And wohin...
„Lierher! Ich warte hier am Briefkasten."
Der Dienstmann schwingt sich auf sein Rad und saust davon.
Nach einer Stunde kommt er mit einem Lerrn zurück. Ohne
Strauß.
„Wo ist der Strauß?" schreit Nussel.
„Tschä, Lerr, so einfach is dat nich. Ohne Anzahlung wollten
sie keinen hergeben. Aber ich habe den Vertreter von Lagenbeck
gleich mitgebracht."
Ein Dankbarer
Große Abendgesellschaft beim Generaldirektor Oberstock. Der Mann
feiert seinen 70. Geburtstag; das muß erwähnt werden, denn sonst
könnte es ungehörig scheinen, was da alles aufgefahren wird. Aber
trotzdem geht es beinahe zu üppig her.
Also zuerst einmal Kaviar, kiloweise! Knaatz, der mit großartigem
Appetit erschienen ist, futtert allein ein Viertelpfündchen. „Gott sei
Dank!" flüstert er vor sich hin. And dann genießt er in kleinen
Schlückchen ein Gläschen alten, herrlichsten Portweins. „Gott sei
Dank!" brummt er.
Kleine Blätterteigrollen mit Straßburger Gänseleberpastete er-
scheinen; dazu wird ein 84er Can-
zemer geschenkt. Knaatz knabbert
und schlückert. „Gott sei Dank!"
Rebhühner ä la Medici, dazu
edler Sekt. Knaatz schaufelt ein
und trinkt. „Gott sei Dank!"
haucht er.
Nun kommt ein sogenannter
Lummer-Aufbau; früher stand
dafür auf den Speisekarten:
| Bastion de homards au naturel.
| — Knaatz schlägt Breschen in
L diese Bastion, angefeuert durch
einen Steinberger Kabinett. „Gott
sei Dank! Gott sei Dank!"
Neben Knaatz sitzt Schimmel-
mann. Der hat sich schon die
ganze Zeit gewundert; nun er-
kundigt er sich flüsternd: „Was
haben Sie denn, Lerr Knaatz?
Warum sagen Sie denn immer:
Gott sei Dank?"
Lächelnd flüstert Knaatz zu-
rück: „Pst — ich danke dem
Limmel, daß ich hier eingeladen
bin und nicht in einem Restau-
rant sitze. Denken Sie doch: die
Rechnung!"
Literatur „Schaut mal, Kinder! Da steht mein Autounfall.
Liest sich viel spannender, als es gewesen ist!"
306
Ein Vorbild
Bruno und Paula Stiefler sind seit drei Monaten verheiratet.
Die jungen Leute haben viele nette Bekannte; sie haben oft Besuch
und sind auch viel eingeladen.
Nur mit Obermüllers ist Bruno Stiefler nicht einverstanden. Den
Man» bedauert er, und die Frau, eine ältere Freundin seiner Gattin,
findet er greulich; es fällt ihm auf die Nerven, immer wieder er-
leben zu müssen, wie sie ihren Mann tyrannisiert und straffe Zügel
einer erbarmungslosen Gewaltherrschaft in festen Länden hält.
Also zieht er die Folgerung: „Liebe Paula, deine Freundin Ella
ist kein Amgang für dich. Es wäre mir lieb, wenn du diese Freund-
schaft allmählich aufgeben würdest."
Davon aber möchte Paula nichts wissen. „Nein, Bruno I Mama
hat mir gerade geraten, ich sollte viel mit ihr verkehren und immer
auf sie hören; ich könnte sehr viel von ihr lernen." —°n.
Verlobung
Nussel kommt mit dem Nachtzug in Lamburg an. Er kommt zu
einer Verlobung und ist sehr aufgeregt, denn es ist seine eigne Ver-
lobung. Der Zug kommt um 6 Ahr früh an, aber Nussel legt sich
nicht noch die paar Stunden aufs
Ohr, sondern trifft nervöse Vor-
bereitungen. Am 7 Ahr läutet er
dem Zimmermädchen und ersucht
darum, einen Knopf ans Frack-
Hemd zu nähen. Dann steckt er
sich eine Aspirintablette in den
Mund und wundert sich, daß sie
so hart ist. Fünf Minuten später
erscheint das Zimmermädchen und
sagt, der Lerr habe ihr Aspirin-
tabletten zum Annähen gegeben.
Leider ist es zu spät, denn Nussel
hat soeben den Kragenknopf ver-
schluckt.
Anter solchen Scherzen vergeht
der halbe Vormittag. Am elf Ahr
stürmt Nussel aus dem Lotel,
aber im allerletzten Moment fällt
ihm ein, daß er ja doch wenig-
stens ein paar Blumen mitbringen
muß.
Gott sei Dank kommt gerade
ein Dienstmann daher. Nussel
rafft ihn an sich.
„Besorgen Sie mir sofort einen
Strauß, aber einen großen!"
„Woll, woll! And wohin...
„Lierher! Ich warte hier am Briefkasten."
Der Dienstmann schwingt sich auf sein Rad und saust davon.
Nach einer Stunde kommt er mit einem Lerrn zurück. Ohne
Strauß.
„Wo ist der Strauß?" schreit Nussel.
„Tschä, Lerr, so einfach is dat nich. Ohne Anzahlung wollten
sie keinen hergeben. Aber ich habe den Vertreter von Lagenbeck
gleich mitgebracht."
Ein Dankbarer
Große Abendgesellschaft beim Generaldirektor Oberstock. Der Mann
feiert seinen 70. Geburtstag; das muß erwähnt werden, denn sonst
könnte es ungehörig scheinen, was da alles aufgefahren wird. Aber
trotzdem geht es beinahe zu üppig her.
Also zuerst einmal Kaviar, kiloweise! Knaatz, der mit großartigem
Appetit erschienen ist, futtert allein ein Viertelpfündchen. „Gott sei
Dank!" flüstert er vor sich hin. And dann genießt er in kleinen
Schlückchen ein Gläschen alten, herrlichsten Portweins. „Gott sei
Dank!" brummt er.
Kleine Blätterteigrollen mit Straßburger Gänseleberpastete er-
scheinen; dazu wird ein 84er Can-
zemer geschenkt. Knaatz knabbert
und schlückert. „Gott sei Dank!"
Rebhühner ä la Medici, dazu
edler Sekt. Knaatz schaufelt ein
und trinkt. „Gott sei Dank!"
haucht er.
Nun kommt ein sogenannter
Lummer-Aufbau; früher stand
dafür auf den Speisekarten:
| Bastion de homards au naturel.
| — Knaatz schlägt Breschen in
L diese Bastion, angefeuert durch
einen Steinberger Kabinett. „Gott
sei Dank! Gott sei Dank!"
Neben Knaatz sitzt Schimmel-
mann. Der hat sich schon die
ganze Zeit gewundert; nun er-
kundigt er sich flüsternd: „Was
haben Sie denn, Lerr Knaatz?
Warum sagen Sie denn immer:
Gott sei Dank?"
Lächelnd flüstert Knaatz zu-
rück: „Pst — ich danke dem
Limmel, daß ich hier eingeladen
bin und nicht in einem Restau-
rant sitze. Denken Sie doch: die
Rechnung!"
Literatur „Schaut mal, Kinder! Da steht mein Autounfall.
Liest sich viel spannender, als es gewesen ist!"
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Literatur"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1936
Entstehungsdatum (normiert)
1931 - 1941
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 184.1936, Nr. 4737, S. 306
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg