Der Pechvogel
And bald steht er auch vor dem Laus Stadtplatz 5, und
das große Lotteriegeschäft fehlt auch nicht. Aber wie?
Was? Sieht er recht? Anmittelbar unter dem Schild des
Zahnarztes Dr. Stefan Markiser klebt ein Plakat, das nicht
tibersehen werden kann, und auf dem Plakat ist in Riesen-
buchstaben zu lesen: „Ziehung nächste Woche". And auf
diese Mitteilung starrt der Lerr Bernreiter und starrt und
starrt. Voll Schwermut nickt er dazu und sagt für sich:
„Ja, ja, 's ist schon so: i bin und bleib halt a Pechvogel
und was für einer! Teufel noch amal! Wie wird mei
Alte wieder räsonieren: dich wohin schicken und schon ist
Dreck Trumpf!" And schimpfend ob der ergebnislosen Reise
dreht er sich um und stapft wieder zum Bahnhof zurück, um
in der nächsten Woche, wo wieder Zahnziehungen stattfinden,
noch einmal beim Dr. Markiser vorzusprechen. L. Jobs
Bitte, die Schuhe zu reinigen!
Am Postamt zu Dingsda finde ich an der Tür einen Zettel
angebracht mit der Inschrift: „Bitte, die Schuhe abzustreifen!"
„Fräulein," sage ich zur Postexpedientin, „das können
Sie nicht verlangen, daß ich auf Socken zu Ihnen herein-
kommen soll!"
„Ja wieso denn?" meint sie fragend.
„Nun, es steht doch draußen, daß man die Schuhe ab-
streifen soll!"
„Ach so!" sagt sie lachend. Als ich nach einigen Tagen
wiederkonnne, lese ich: „Bitte, die Füße zu reinigen!"
„Fräulein," sage ich, „das können Sie auch nicht ver-
langen, daß ich vorher ein Fußbad nehmen soll, wenn ich zu Ihnen
hereinkomme!"
„Ja, wieso denn?" meint sie fragend.
„Nun, es steht doch draußen, man soll die Füße reinigen!"
„Ach so!" sagt sie lachend.
Beim drittenmal finde ich die Inschrift: „Bitte, die Füße ab-
zustreifen!"
Der Fall Himmel gegen Frosch V°» P-k°r R°b,ns°n
Es ist ein ganz unbedeutender Fall: die Witwe Berta Limmel
beschuldigt mit hinreichender Zuverlässigkeit ihren früheren Zimmer-
mieter Max Frosch, alias Nana, sie auf offener Straße vor
zahlreichen Ohrenzeugen beleidigt zu haben. Der Amtsrichter
Brandeis hat die Sache zu
erledigen. Er sieht sich die
Parteien an: keine von beiden
kann von vornherein irgend-
eine Antipathie erwecke», die
er aber auch, denn er ist ein
gerechter Richter, gar nicht
in sich auskommen lassen würde.
Die Witwe Berta Limmel ist
eine schwächliche kleine Frau,
die gar nicht rachedurstig, aber
recht bekümmert dreinschaut;
der Beklagte Max Frosch,
alias Rana, ist ein jüngerer
Mann von anscheinend sehr
unruhigem Temperament; er
zappelt und streicht immer
wieder die Laare zurück, die
in reicher Fülle seinen ganz
interessanten Kopf zieren.
„Also wie war die Ge-
schichte, Frau Limmel?" be-
ginnt der Amtsrichter Brand-
eis. „Der Beklagte hat bei
Aengstlich „Laß dich doch lieber ohne die Figur knipsen. Schließlich
meint mal jemand, ich hätte mich so ins Freie gestellt."
„Dies ist so die Situation, in der ich immer Sehnsucht nach einem
richtigen Freund mit zwei Zentner Lebendgewicht bekomme."
Ihnen gewohnt. Nach seinem Fortzuge hatten Sie noch eine kleine
Forderung an ihn; bei einer zufälligen Begegnung haben Sie
ihn gemahnt, und dann — — was war dann? Aber kurz, bitte,
ganz kurz!"
Frau Limmel nickt; ja, sie will sich kurz fassen, sie steht ja sehr
ungern an dieser Stelle. „Es war wegen 'ner Vase, Lerr Rat,
wegen 'ner Blumenvase. Die hatte ich auf das Fensterbrett gestellt,
und der Lerr Rana hatte das Fenster nicht angehakt, und wie ich
die Zimmertür aufmachte, da war es vom Luftzug zugeknallt, und
da war die Vase 'runtergeflogen. Aber die hatte drei Mark gekostet,
und die mußte er mir doch bezahlen-nicht wahr, Lerr Rat?"
„Das steht hier nicht zur Entscheidung," lehnt der Amtsrichter
Vrandeis ab. „Vielleicht könnte man darüber verschiedener Meinung
sein. Der Beklagte meinte jedenfalls, er habe den Schaden nicht zu
ersetzen. And was hat er
dann geäußert?"
„Ach, das war ganz schreck-
lich, Lerr Rat! Ich stand vor
der Laustür, und da kam der
Lerr Rana vorbei und grüßte
auch ganz höflich, und da hielt
ich ihn an wegen der drei
Mark, und da-ach Gott,
da sagte er, daß ich verrückt
bin und Kümmel trinke." Frau
Limmel möchte weinen.
„Wie hat er das gesagt?
Geben Sie mal seine Worte
an!"
Frau Limmel windet sich
etwas. „Er hat — — ach
Gott, er hat gesagt: ,Frau
Limmel — Sie haben 'nen
Fimmel — das kommt vom
Kümmelst And das hat er so
laut gebrüllt, die ganze Straße
konnte das hören. Es war
schrecklich." (Fortsetzung Seite375)
373
And bald steht er auch vor dem Laus Stadtplatz 5, und
das große Lotteriegeschäft fehlt auch nicht. Aber wie?
Was? Sieht er recht? Anmittelbar unter dem Schild des
Zahnarztes Dr. Stefan Markiser klebt ein Plakat, das nicht
tibersehen werden kann, und auf dem Plakat ist in Riesen-
buchstaben zu lesen: „Ziehung nächste Woche". And auf
diese Mitteilung starrt der Lerr Bernreiter und starrt und
starrt. Voll Schwermut nickt er dazu und sagt für sich:
„Ja, ja, 's ist schon so: i bin und bleib halt a Pechvogel
und was für einer! Teufel noch amal! Wie wird mei
Alte wieder räsonieren: dich wohin schicken und schon ist
Dreck Trumpf!" And schimpfend ob der ergebnislosen Reise
dreht er sich um und stapft wieder zum Bahnhof zurück, um
in der nächsten Woche, wo wieder Zahnziehungen stattfinden,
noch einmal beim Dr. Markiser vorzusprechen. L. Jobs
Bitte, die Schuhe zu reinigen!
Am Postamt zu Dingsda finde ich an der Tür einen Zettel
angebracht mit der Inschrift: „Bitte, die Schuhe abzustreifen!"
„Fräulein," sage ich zur Postexpedientin, „das können
Sie nicht verlangen, daß ich auf Socken zu Ihnen herein-
kommen soll!"
„Ja wieso denn?" meint sie fragend.
„Nun, es steht doch draußen, daß man die Schuhe ab-
streifen soll!"
„Ach so!" sagt sie lachend. Als ich nach einigen Tagen
wiederkonnne, lese ich: „Bitte, die Füße zu reinigen!"
„Fräulein," sage ich, „das können Sie auch nicht ver-
langen, daß ich vorher ein Fußbad nehmen soll, wenn ich zu Ihnen
hereinkomme!"
„Ja, wieso denn?" meint sie fragend.
„Nun, es steht doch draußen, man soll die Füße reinigen!"
„Ach so!" sagt sie lachend.
Beim drittenmal finde ich die Inschrift: „Bitte, die Füße ab-
zustreifen!"
Der Fall Himmel gegen Frosch V°» P-k°r R°b,ns°n
Es ist ein ganz unbedeutender Fall: die Witwe Berta Limmel
beschuldigt mit hinreichender Zuverlässigkeit ihren früheren Zimmer-
mieter Max Frosch, alias Nana, sie auf offener Straße vor
zahlreichen Ohrenzeugen beleidigt zu haben. Der Amtsrichter
Brandeis hat die Sache zu
erledigen. Er sieht sich die
Parteien an: keine von beiden
kann von vornherein irgend-
eine Antipathie erwecke», die
er aber auch, denn er ist ein
gerechter Richter, gar nicht
in sich auskommen lassen würde.
Die Witwe Berta Limmel ist
eine schwächliche kleine Frau,
die gar nicht rachedurstig, aber
recht bekümmert dreinschaut;
der Beklagte Max Frosch,
alias Rana, ist ein jüngerer
Mann von anscheinend sehr
unruhigem Temperament; er
zappelt und streicht immer
wieder die Laare zurück, die
in reicher Fülle seinen ganz
interessanten Kopf zieren.
„Also wie war die Ge-
schichte, Frau Limmel?" be-
ginnt der Amtsrichter Brand-
eis. „Der Beklagte hat bei
Aengstlich „Laß dich doch lieber ohne die Figur knipsen. Schließlich
meint mal jemand, ich hätte mich so ins Freie gestellt."
„Dies ist so die Situation, in der ich immer Sehnsucht nach einem
richtigen Freund mit zwei Zentner Lebendgewicht bekomme."
Ihnen gewohnt. Nach seinem Fortzuge hatten Sie noch eine kleine
Forderung an ihn; bei einer zufälligen Begegnung haben Sie
ihn gemahnt, und dann — — was war dann? Aber kurz, bitte,
ganz kurz!"
Frau Limmel nickt; ja, sie will sich kurz fassen, sie steht ja sehr
ungern an dieser Stelle. „Es war wegen 'ner Vase, Lerr Rat,
wegen 'ner Blumenvase. Die hatte ich auf das Fensterbrett gestellt,
und der Lerr Rana hatte das Fenster nicht angehakt, und wie ich
die Zimmertür aufmachte, da war es vom Luftzug zugeknallt, und
da war die Vase 'runtergeflogen. Aber die hatte drei Mark gekostet,
und die mußte er mir doch bezahlen-nicht wahr, Lerr Rat?"
„Das steht hier nicht zur Entscheidung," lehnt der Amtsrichter
Vrandeis ab. „Vielleicht könnte man darüber verschiedener Meinung
sein. Der Beklagte meinte jedenfalls, er habe den Schaden nicht zu
ersetzen. And was hat er
dann geäußert?"
„Ach, das war ganz schreck-
lich, Lerr Rat! Ich stand vor
der Laustür, und da kam der
Lerr Rana vorbei und grüßte
auch ganz höflich, und da hielt
ich ihn an wegen der drei
Mark, und da-ach Gott,
da sagte er, daß ich verrückt
bin und Kümmel trinke." Frau
Limmel möchte weinen.
„Wie hat er das gesagt?
Geben Sie mal seine Worte
an!"
Frau Limmel windet sich
etwas. „Er hat — — ach
Gott, er hat gesagt: ,Frau
Limmel — Sie haben 'nen
Fimmel — das kommt vom
Kümmelst And das hat er so
laut gebrüllt, die ganze Straße
konnte das hören. Es war
schrecklich." (Fortsetzung Seite375)
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Aengstlich" "Sehnsucht nach einem richtigen Freund"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1936
Entstehungsdatum (normiert)
1931 - 1941
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 184.1936, Nr. 4741, S. 373
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg