Zeichnung von Niemeyer-M.
„Noch ein Eis willst du, Frieda?
Du hast wohl det Buch von Amundsen
jelesen: ,Das ewige Eis'?
Ein unglücklicher Lottcriespleler
Teilstrichen versehen sind, damit man sich nach Belieben ohne Abrech-
nungsschwierigkeiten bedienen kann. Er schenkte das Gläschen wieder
voll. „So, nun erzählen Sie mal!"
„Vielen Dank, mein Lerr! Ja, das wird gut tun." Der Hausierer
kippte und schenkte gleich noch einmal ein. „And auch das Erzählen
wird mir nun gut tun. Es ist bester, sich freundlichen Äerzen mit-
zuteilen, als den Kummer in sich hinein zu fressen. And wenn es
auch nur ein Kummer ist, der sich auf Geld bezieht, was, wie die
Philosophen mit Recht erklären, niemals der schlimmste Kummer sein
kann, so dürfte doch, wenn es sich um sehr viel Geld handelt, solch
ein Kummer-"
Der Mann wußte nicht weiter. Er kippte das Gläschen und
begann einen andern Satz, zu dem Baumeister gewendet. „Jene er-
wähnte, dumpf klingende Saite in meinem Innern, mein Äerr, wurde
angerührt durch Ihre Worte an den andern Lerrn. Sie machten
ihm den Vorschlag, einen möglichen Lotteriegewinn zu teile», nicht
wahr? Sollten Sie auf Ihr Los gewinnen, dann würden Sie ihm
die Lälfte abgeben, und das Gleiche sollte es sein, wenn er ein
Glückslos gezogen hätte."
„Das war aber doch ein ganz vernünftiger Vorschlag," meinte
der Rendant, der ja auch die erste Anregung gegeben hatte.
„Gewiß, mein Äerrl In diesem Falle ja. Aber ich habe solch
einen Vorschlag auch einmal gemacht. Oder vielmehr nicht einmal,
sondern zweimal. And das hatte eine ganz furchtbare Folge. Nur
deshalb muß ich jetzt in späten Abendstunden durch die Bierlokale
wandern und meinen Kram anbieten. Das ist mir nicht an der
Wiege gesungen worden. So sagt man doch. Es ist aber Ansinn,
denn an Wiegen werden wohl überhaupt niemals Lieder mit häß-
lichen Prophezeiungen gesungen. Aber von den Wiegenliedern ab-
gesehen -nach Äerkunft, Erziehung, Ausbildung für das Berufs-
leben und auch zufolge nicht ungünstiger ererbter Vermögensumstände
dürfte es mir heute eigentlich nicht so gehen. Nein, meine loerren —
ich bin ein Geschäftsmann gewesen, der einmal solide dagestanden
hat. Allerdings war ich nie ein sogenannter Glückspilz. Ich habe
immer um alles ordentlich arbeiten müssen; Fortuna hat mir niemals
etwas geschenkt. Beim Skat hatte ich sogar stets ausgesprochenes
Pech, und in der Klassenlotterie ist mein Los Jahre hindurch nicht
mal mit dem Einsatz 'rausgekommen. Ich spielte ein ganzes Los;
das konnte ich mir leisten. Aber auf die Dauer verdroß es mich doch,
immer nutzlos das viele Geld hinlegen zu müssen, und deshalb wollte
ich meine Aussichten verbessern. Wie verbessert man seine Aussichten
in der Lotterie? Man kann mehr Lose nehmen, aber das hätte bei
mir keinen Zweck gehabt; dann wären sie eben alle nicht gezogen
worden. Besser ist es in solchem Fall, sich mit einem andern Spieler
zusammenzutun, von dem man weiß, daß ihm das Glück zu lächeln
pflegt.
Nun hören Sie, meine Äerren! Ich war damals Mitglied zweier
Vereine, des „Gesangvereins Orpheus" und des „Kanarienvogel-
liebhabervereins Las Palmas". Die Äauptstadt der Kanarischen
Inseln, woher diese ursprünglich nicht gelben, sondern grünen Vögel-
chen kommen, ist nämlich Las Palmas-ah so, das wissen die
Äerren natürlich. Bitte um Verzeihung! Nun war im „Gesangverein
Orpheus" ein gewisser Kapsel, mit dem ich recht befreundet war,
ein sehr netter Mensch. Kapsel halte immer Glück. Im Skat hatte
er die besten Karten; wenn er eine Erholungsreise machte, hatte er
das schönste Wetter; wenn er die Straßenbahn benützen wollte, kam
immer gleich der rechte Wagen an-na, und so weiter. Also
machte ich mich an Kapsel 'ran, erzählte ihm, daß ich ein ganzes
Los spielte, erfuhr, daß er auch ein ganzes Los hatte, und machte
ihin den Vorschlag, daß wir beide auf Lalbpart spielen wollte». Wie
Sie, meine Äerren! Kapsel war einverstanden. Ich nannte ihm die
Nummer meines Loses: 23719. Er gab mir die seine: 118514. Gut,
die Sache war abgemacht. Fortsetzung Sette 407)
405
„Noch ein Eis willst du, Frieda?
Du hast wohl det Buch von Amundsen
jelesen: ,Das ewige Eis'?
Ein unglücklicher Lottcriespleler
Teilstrichen versehen sind, damit man sich nach Belieben ohne Abrech-
nungsschwierigkeiten bedienen kann. Er schenkte das Gläschen wieder
voll. „So, nun erzählen Sie mal!"
„Vielen Dank, mein Lerr! Ja, das wird gut tun." Der Hausierer
kippte und schenkte gleich noch einmal ein. „And auch das Erzählen
wird mir nun gut tun. Es ist bester, sich freundlichen Äerzen mit-
zuteilen, als den Kummer in sich hinein zu fressen. And wenn es
auch nur ein Kummer ist, der sich auf Geld bezieht, was, wie die
Philosophen mit Recht erklären, niemals der schlimmste Kummer sein
kann, so dürfte doch, wenn es sich um sehr viel Geld handelt, solch
ein Kummer-"
Der Mann wußte nicht weiter. Er kippte das Gläschen und
begann einen andern Satz, zu dem Baumeister gewendet. „Jene er-
wähnte, dumpf klingende Saite in meinem Innern, mein Äerr, wurde
angerührt durch Ihre Worte an den andern Lerrn. Sie machten
ihm den Vorschlag, einen möglichen Lotteriegewinn zu teile», nicht
wahr? Sollten Sie auf Ihr Los gewinnen, dann würden Sie ihm
die Lälfte abgeben, und das Gleiche sollte es sein, wenn er ein
Glückslos gezogen hätte."
„Das war aber doch ein ganz vernünftiger Vorschlag," meinte
der Rendant, der ja auch die erste Anregung gegeben hatte.
„Gewiß, mein Äerrl In diesem Falle ja. Aber ich habe solch
einen Vorschlag auch einmal gemacht. Oder vielmehr nicht einmal,
sondern zweimal. And das hatte eine ganz furchtbare Folge. Nur
deshalb muß ich jetzt in späten Abendstunden durch die Bierlokale
wandern und meinen Kram anbieten. Das ist mir nicht an der
Wiege gesungen worden. So sagt man doch. Es ist aber Ansinn,
denn an Wiegen werden wohl überhaupt niemals Lieder mit häß-
lichen Prophezeiungen gesungen. Aber von den Wiegenliedern ab-
gesehen -nach Äerkunft, Erziehung, Ausbildung für das Berufs-
leben und auch zufolge nicht ungünstiger ererbter Vermögensumstände
dürfte es mir heute eigentlich nicht so gehen. Nein, meine loerren —
ich bin ein Geschäftsmann gewesen, der einmal solide dagestanden
hat. Allerdings war ich nie ein sogenannter Glückspilz. Ich habe
immer um alles ordentlich arbeiten müssen; Fortuna hat mir niemals
etwas geschenkt. Beim Skat hatte ich sogar stets ausgesprochenes
Pech, und in der Klassenlotterie ist mein Los Jahre hindurch nicht
mal mit dem Einsatz 'rausgekommen. Ich spielte ein ganzes Los;
das konnte ich mir leisten. Aber auf die Dauer verdroß es mich doch,
immer nutzlos das viele Geld hinlegen zu müssen, und deshalb wollte
ich meine Aussichten verbessern. Wie verbessert man seine Aussichten
in der Lotterie? Man kann mehr Lose nehmen, aber das hätte bei
mir keinen Zweck gehabt; dann wären sie eben alle nicht gezogen
worden. Besser ist es in solchem Fall, sich mit einem andern Spieler
zusammenzutun, von dem man weiß, daß ihm das Glück zu lächeln
pflegt.
Nun hören Sie, meine Äerren! Ich war damals Mitglied zweier
Vereine, des „Gesangvereins Orpheus" und des „Kanarienvogel-
liebhabervereins Las Palmas". Die Äauptstadt der Kanarischen
Inseln, woher diese ursprünglich nicht gelben, sondern grünen Vögel-
chen kommen, ist nämlich Las Palmas-ah so, das wissen die
Äerren natürlich. Bitte um Verzeihung! Nun war im „Gesangverein
Orpheus" ein gewisser Kapsel, mit dem ich recht befreundet war,
ein sehr netter Mensch. Kapsel halte immer Glück. Im Skat hatte
er die besten Karten; wenn er eine Erholungsreise machte, hatte er
das schönste Wetter; wenn er die Straßenbahn benützen wollte, kam
immer gleich der rechte Wagen an-na, und so weiter. Also
machte ich mich an Kapsel 'ran, erzählte ihm, daß ich ein ganzes
Los spielte, erfuhr, daß er auch ein ganzes Los hatte, und machte
ihin den Vorschlag, daß wir beide auf Lalbpart spielen wollte». Wie
Sie, meine Äerren! Kapsel war einverstanden. Ich nannte ihm die
Nummer meines Loses: 23719. Er gab mir die seine: 118514. Gut,
die Sache war abgemacht. Fortsetzung Sette 407)
405
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Noch ein Eis"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Entstehungsdatum
um 1936
Entstehungsdatum (normiert)
1931 - 1941
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 184.1936, Nr. 4743, S. 405
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg