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Erkennungszeichen
Von Io Lanns Rösler
Der schüchterne junge Mann setzte sich. Vor ihm, auf dem Tisch,
lagen wohlsortiert und wohlvorbereitet Briefbogen, Umschlag, Lösch-
papier, Unterlage und Federhalter. Der schüchterne junge Mann
griff nach der Feder, strich sich über das Laar, sah nach der Ahr
und begann zu schreiben:
„Sehr verehrtes gnädiges Fräulein I Endlich ist es mir gelungen.
Ihren Namen und Ihre Adresse
Monaten, als ich Sie zum ersten
Mal in der Straßenbahn sah,
denke ich nur an Sie und an die
Möglichkeit, Sie wieder zu sehen.
Ja, Fräulein Adele, ich liebe Sie
mit der ganzen Inbrunst meines
Lerzens, mit der ganzen Kraft
meiner Seele, mit der ganzen
Leidenschaft meines Blutes. Viel-
leicht lieben auch Sie mich, und
Sie sollen es nicht zu bereuen
haben. Geben Sie mir die Mög-
lichkeit eines Zusammenkommens,
bieten Sie Ihrem Glück die Land.
Ich werde nächsten Montag
pünktlich sieben Ahr im Stadt-
park auf Sie warten, und ich
bitte Sie, mir umgehend post-
lagernd unter „Märchen vom
Glück" Bescheid zukommen zu
lassen, ob ich auf Ihr freundliches
Kommen rechnen kann. Damit
Sie mich nicht verfehlen, teile ich
Ihnen kurz folgende Erkennungs-
zeichen mit: Ich werde auf dem
rechten Ende .der zweiten Bank
bei der Fontaine sitzen, ich werde
ein Lied vor mich Hinsummen
und meine Landschuhe anziehen.
Ich bin schlank, blond, schmächtig
und verhältnismäßig klein. Ich
trage einen braunen Anzug, eine
blaue Krawatte, ein seidenes
Lemd, hochgeschlossen. Auf dem
Kopf habe ich einen braunen
Borsalino. In der rechten Land,
ich trage gelbe, schweinslederne
Landschuhe, werde ich eine rote
Rose Hallen, die glücklich sein
wird, Ihrer Bestimmung, Ihnen,
sehr verehrtes gnädiges Fräulein,
zugeführt zu werden."
Bis dahin immer
Der Anbeter von Adele.
in Erfahrung zu bringen. Seit
Bericht
„Was hattet ihr heute in
Naturkunde?"
„Das Rhinozeros! Der Schul-
inspektor war dal"
Erfahrung
„Der Lerr an der Ehebera-
tungsstelle hat mir dringend ab-
geraten, zu heiraten!"
„Der ist wohl selbst ver-
heiratet?"
Der schüchterne junge Mann trug den Brief zur Post. Vier
Tage wartete er sehnsüchtig auf Antwort. Endlich lag ein Brief
für ihn.
„Sie kommt — ich bin ja so glücklich," preßte er den Brief an
seine Lippen. Dann riß er den Umschlag auf. Und las:
„Sehr geehrter Lerr! Ich werde mich pünktlich zu Ihrem vor-
geschlagenen Rendezvous einfinden. Damit Sie mich nicht verfehlen,
teile ich Ihnen kurz folgende Erkennungszeichen mit. Ich werde auf
der linken Seite der zweiten Bank
bei der Fontaine sitzen, ich werde
mit den Zähnen knirschen und
meine Landschuhe ausziehen. Ich
bin muskulös, schwarz, kräftig und
verhältnismäßig sehr groß. Ich
trage keinen braunen Anzug,
keine blaue Krawatte und kein
seidenes Lemd, hochgeschloffen.
Ich trage ein offenes Lemd, an
den Armen hochgekrempelt. Auf
dem Kopf habe ich auch keinen
Borsalino, sondern eine kräftige
Schramme vom letzten Möbel-
transport. In der rechten Land,
ich trage echte deutsche Werk-
mannshaut, werde ich einen dicken
Stock halten, der glücklich sein
wird, seiner Bestimmung, nämlich
Ihnen, sehr verehrter Lerr, zu-
geführt zu werden. Ich werde
mich sehr freuen. Sie endlich zu
treffen und Ihnen die ganze In-
brunst des Lerzens, die ganze
Kraft der Seele und die ganze
Leidenschaft des Blutes auszu-
treiben.
Bis dahin immer
Der Vater von Adele.
| -Ce'iTihciu^
/iuk-Konen
Tr? ’ta 4' -
_
„Ich muß da 'reingehn, Oskar-meine Ahr versetzen!"
„Tut mir leid! Geht's wirklich nicht anders?"
„Nein I Ich müßte sonst heute abend meine Lotte versetzen."
242
Erkennungszeichen
Von Io Lanns Rösler
Der schüchterne junge Mann setzte sich. Vor ihm, auf dem Tisch,
lagen wohlsortiert und wohlvorbereitet Briefbogen, Umschlag, Lösch-
papier, Unterlage und Federhalter. Der schüchterne junge Mann
griff nach der Feder, strich sich über das Laar, sah nach der Ahr
und begann zu schreiben:
„Sehr verehrtes gnädiges Fräulein I Endlich ist es mir gelungen.
Ihren Namen und Ihre Adresse
Monaten, als ich Sie zum ersten
Mal in der Straßenbahn sah,
denke ich nur an Sie und an die
Möglichkeit, Sie wieder zu sehen.
Ja, Fräulein Adele, ich liebe Sie
mit der ganzen Inbrunst meines
Lerzens, mit der ganzen Kraft
meiner Seele, mit der ganzen
Leidenschaft meines Blutes. Viel-
leicht lieben auch Sie mich, und
Sie sollen es nicht zu bereuen
haben. Geben Sie mir die Mög-
lichkeit eines Zusammenkommens,
bieten Sie Ihrem Glück die Land.
Ich werde nächsten Montag
pünktlich sieben Ahr im Stadt-
park auf Sie warten, und ich
bitte Sie, mir umgehend post-
lagernd unter „Märchen vom
Glück" Bescheid zukommen zu
lassen, ob ich auf Ihr freundliches
Kommen rechnen kann. Damit
Sie mich nicht verfehlen, teile ich
Ihnen kurz folgende Erkennungs-
zeichen mit: Ich werde auf dem
rechten Ende .der zweiten Bank
bei der Fontaine sitzen, ich werde
ein Lied vor mich Hinsummen
und meine Landschuhe anziehen.
Ich bin schlank, blond, schmächtig
und verhältnismäßig klein. Ich
trage einen braunen Anzug, eine
blaue Krawatte, ein seidenes
Lemd, hochgeschlossen. Auf dem
Kopf habe ich einen braunen
Borsalino. In der rechten Land,
ich trage gelbe, schweinslederne
Landschuhe, werde ich eine rote
Rose Hallen, die glücklich sein
wird, Ihrer Bestimmung, Ihnen,
sehr verehrtes gnädiges Fräulein,
zugeführt zu werden."
Bis dahin immer
Der Anbeter von Adele.
in Erfahrung zu bringen. Seit
Bericht
„Was hattet ihr heute in
Naturkunde?"
„Das Rhinozeros! Der Schul-
inspektor war dal"
Erfahrung
„Der Lerr an der Ehebera-
tungsstelle hat mir dringend ab-
geraten, zu heiraten!"
„Der ist wohl selbst ver-
heiratet?"
Der schüchterne junge Mann trug den Brief zur Post. Vier
Tage wartete er sehnsüchtig auf Antwort. Endlich lag ein Brief
für ihn.
„Sie kommt — ich bin ja so glücklich," preßte er den Brief an
seine Lippen. Dann riß er den Umschlag auf. Und las:
„Sehr geehrter Lerr! Ich werde mich pünktlich zu Ihrem vor-
geschlagenen Rendezvous einfinden. Damit Sie mich nicht verfehlen,
teile ich Ihnen kurz folgende Erkennungszeichen mit. Ich werde auf
der linken Seite der zweiten Bank
bei der Fontaine sitzen, ich werde
mit den Zähnen knirschen und
meine Landschuhe ausziehen. Ich
bin muskulös, schwarz, kräftig und
verhältnismäßig sehr groß. Ich
trage keinen braunen Anzug,
keine blaue Krawatte und kein
seidenes Lemd, hochgeschloffen.
Ich trage ein offenes Lemd, an
den Armen hochgekrempelt. Auf
dem Kopf habe ich auch keinen
Borsalino, sondern eine kräftige
Schramme vom letzten Möbel-
transport. In der rechten Land,
ich trage echte deutsche Werk-
mannshaut, werde ich einen dicken
Stock halten, der glücklich sein
wird, seiner Bestimmung, nämlich
Ihnen, sehr verehrter Lerr, zu-
geführt zu werden. Ich werde
mich sehr freuen. Sie endlich zu
treffen und Ihnen die ganze In-
brunst des Lerzens, die ganze
Kraft der Seele und die ganze
Leidenschaft des Blutes auszu-
treiben.
Bis dahin immer
Der Vater von Adele.
| -Ce'iTihciu^
/iuk-Konen
Tr? ’ta 4' -
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„Ich muß da 'reingehn, Oskar-meine Ahr versetzen!"
„Tut mir leid! Geht's wirklich nicht anders?"
„Nein I Ich müßte sonst heute abend meine Lotte versetzen."
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Ich muß da 'reingehn, Oskar - meine Uhr versetzten!"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1936
Entstehungsdatum (normiert)
1931 - 1941
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)