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Zw et glückliche Tage
Winterfahrten in die Bergwelt
Bayerns. And so oft Pauline
den Mund auftat, klopfte ihr
§>erz vor Glück, und so oft Paul
auf den Gashebel treten konnte,
sagte er mit freudiger Stimme:
„Was für ein glücklicher Tag!
Der Tag, an dem wir uns diesen
Wagen gekauft haben!"

Willi ist der Führer von dem Traktor
IA 47CIO.

Willi ist ein ziemlich kesser Faktor —
(Na, das wird sich wohl von selbst verstehn!)
19 Uhr. Schluß macht die Traktortruppe.
Willi hat die Kupplung ausgeschwenkt
Und fährt los. Es ist ihm einfach schnuppe,
Ob der Anhänger schon drangehängt.

Erst pfeift der Willi einmal flüchtig.
Nach zehn Sekunden pfeift er richtig.
Und ist er zwei Sekunden später noch nicht da,
Dann macht der Willi nicht mehr lang Tatütata,
Kiekt auf das Photo Olgas
Und gibt kaltlächelnd Vollgas,

Denn seine Zeit ist knapp.

Drum haut der Willi ab.

Der zweite glückliche Tag:

„Also? Wollen wir?"

„Wir wollen!" sagte die Frau.

Der fremde Lerr griff zur
Brieftasche.

„Sie sind also mit zweihun-
dert Markeinverstanden?" fragte
er noch einmal.

„Könnten Sie nicht wenig-
stens noch — ?"

„Tut mir leid, Lerr — mehr
als zweihundert zahle ich für
die alte Karre nicht!"

Eine Minute später war
Paul Plüsch seinen gebrauchten
Wagen glücklich los geworden.

And da Hub das große Glück an!

„Zweihundert Mark, Pau-
line!" sagte Paul und sah das
Geld zärtlich an, „zweihundert
Mark bares Geld! Geld, das
man auf die Bank legen kann,
das Zinsen bringt, mit dem man
etwas anfangen, etwas ver-
dienen kann, und was nicht immer
nur kostet und kostet! And die
alte Karre, mit der wir uns
von früh bis abend nur ärgerten,
sind wir auch los! Weißt du,
was mir die Garage Fellner
für den Wagen angeboten hat?"

„Nein, Paul. Wieviel denn, Paul?" — „Fünfzig Mark!"

„Fünfzig?" sagte Pauline beklommen, „wenn man bedenkt, daß
wir vor vier Monaten neunhundert Mark dafür bezahlt haben, und
was wir alles an Reparaturen in den Wagen hineingesteckt haben!
Wir müssen wirklich froh sein, daß wir einen Dummen gefunden
haben, der den Wagen genommen hat!"

„Glückspilze sind wir. Pauline, Glückspilze!"

„Ja. Den heutigen Tag werden wir rot im Kalender anstreichenI"

„Als Glückstag, Pauline! Was ich mich mit dem großen Wagen
geärgert habe! Linken war er zu lang und vorn zu breit! Ehe er
in Schwung kam mit seinen dreißig Zentnern, war der kleinste Klein-
wagen längst über alle Berge! And jeden Monat die horrende
Steuer! Dreiunddreißig Mark jeden Monat, rechnen wir rund fünf-
unddreißig Mark, das sind im Jahr — rechnen wir wieder rund —
vierhundertfünfzig Mark! Zn vier Jahren haben wir allein für die
Steuer einen neuen Kleinwagen umsonst. Ganz abgesehen, was wir
an Benzin, an Oel, an Reparaturen, an Versicherungen gespart
haben! And wenn du dann den Wagen, der dich also nichts kostet,
den du dir allein an Steuern erspart hast, verkaufst, kriegst du noch
ein Leidengeld dafür — ein glattes Rechenexempel, Paulinel"

„And gefahren sind wir auch nicht viel, Paul," meinte die Frau.

„Weil das Luderding so teuer war! Wer kann sich denn das
leisten! Was der Wagen gekostet hat, davon lebt eine ganze Familie
mit Sonntags-Kuchen! Nein, heute ist mein erster glücklicher Tag
seit vier Monaten!"

„And wie feiern wir den glücklichen Tag?"

Willi, überall auf seinem
Hat, wie das so bei die Traktors Brauen,
Eine Braut wo im Berliner Osten.

(Na, das haben andre ja nu auch!)

Ist er nu Punkt achte mit dem Traktor
Vor dem Hause, treu wie Parsifal,
Meldet sich der Willi als Charakter
Bei dem Mädchen immer per Signal.

Erst pfeift der Willi seiner Frieda,

Nach 10 Sekunden pfeift er wieda,

Und is sie zwei Sekunden später noch nicht da,
Dann macht der Willi nicht mehr langTatütata,
Dann gibts nur stramme Haltung,

Dann legt er seine Schaltung,

Denn seine Zeit ist knapp —

Dann haut der Willi ab. P. K.

„Wir gehen zu Fuß, Paulinel Wir gehen zu Fuß spazieren!
Da gibt es keinen Aerger und nicht alle hundert Meter eine Panne!"

And sie gingen zu Fuß unv waren glücklich. Spazierengehen ist
eine gar herrliche Sache, wenn man bisher einen alten Wagen hatte,
der ein Gelegenheitskauf war! Man Härte ja auch schon damals zu
Fuß gehen können, aber wenn man schon eine so hohe Steuer zahlt,
dann muß der Wagen doch wenigstens gefahren werden, sonst wäre
ja das viele Geld direkt zum Fenster hinausgeworfen! Wenn man
jetzt spazieren geht, so weiß man, das kostet nichts, daheim steht kein
Verzehrer! Wenn man jetzt fünf Kilometer geht, so weiß man, man
ist bestimmt in einer Stunde dort und nicht erst in vier Stunden,
wie das oft geschah. Jetzt kann man fünf Minuten vor der Vor-
stellung ins Kino um die Ecke gehen, man ist pünktlich — mit dem
alten Wagen mußte man eine Stunde zuvor aus dem Laus, um zu
warten, bis er ansprang, bis er warm wurde, bis er sich bequemte,
loszuschleichen — aber pünktlich kam man nie ins Kino.

And so gingen Paul und Pauline zu Fuß durch die Gegend und
waren restlos glücklich. Rosarot lag die Zukunft vor ihnen, tausend
Pläne liefen aus ihrem Mund. Denn jetzt hatten sie Zeit, in die
Dämmerung des Frühlings zu gehen, zum Baden an den kleinen
Bergsee mit der Eisenbahn zu fahren. And so oft Pauline den Mund
auftat. den Mann etwas zu fragen, und sie jetzt eine Antwort bekam,
da ihr Mann nicht ängstlich auf den Motor spannen mußte, klopfte
ihr Lerz vor Glück, und auch Paul sagte bei jedem Schritt, den er
männlich geradeaus machen konnte: „Was für ein glücklicher Tag!
Der Tag, an dem wir diesen kostspieligen Altwagen verkauft haben!"

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Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Der Willi vom Traktor"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Claus, Martin
Entstehungsdatum
um 1937
Entstehungsdatum (normiert)
1932 - 1942
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Fliegende Blätter, 186.1937, Nr. 4772, S. 21
 
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