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Inkl. Besichtigung eines Ozeandampfers
Von Werner Sranvtlle Schmidt
Jan und Charly, die beiden Matrosen, standen an der Reling
und blickten versonnen über den großen, schiffsbelebten Strom.
Endlich brach Charly das Schweigen. Er spuckte in weitem Bogen
den braunen Kautabaksaft ins Wasser, steckte sich einen neuen Priem
hinter die Backzähne und sagte:
„Mich soll nur wundern, was
wir für'» Alten kriegen. Loffent-
lich ist das nicht so'n Stänker
und Gnadjebüdel, der seine Rase
in jeden Dreck steckt und einem
das Leben vermiest."
„Tjä," ließ sich Jan ver-
nehmen und sog an seiner Stum-
melpfeife. Viel sprechen war
nicht seine Art; aber in diesem
„Tjä" war alles enthalten, was
er zu diesem Punkte zu sagen
hatte. Die Sache war nämlich
die, daß ein neuer Kapitän ihren
Dampfer übernehmen sollte.
Roch hatte sich der neue „Alte"
an Bord nicht gezeigt, und da
er von einer anderen Reederei
kam, wußte man so gar nichts
über seine guten oder schlechten
Seiten.
Charly, der seine Augen im-
mer allenthalben hatte, stieß
Jan plötzlich an. „Du, guck, der
Lafenrundfahrtdampfer hält di-
rekt auf uns zu! — Da sind
gewiß Fremde an Bord, die
auch unfern Kasten besehen wol-
len; denn auf den Karlen der
Rundfähre heißt es ja immer:
„inkl. Besichtigung eines Ozean-
dampfers". — „Was heißt ei-
gentlich inkl.?"
Jan guckte einen Augenblick
stur in die Luft. „Inkl.? —
Tjä, was heißt inkl.? — Das
bedeutet wohl gründlich; denn
bei der Besichtigung schnüffeln
sie ja alles durch: von der Back
bis zum Leck; von der Brücke
bis hinunter zu den Bilgen."
Charly verzog seinen Mund zu
82
einem breiten Grinsen. „Ich Hab es gerne, wenn die Landratten an
Bord kommen. Erst lassen sie sich nach Strich und Faden die Luke
vollügen, und nachher kriegt man noch 'n Trinkgeld obendrein."
Am Fallreep legte jetzt der Rundfahrtdampfer mit den Fremden
an, und bald ergoß sich eine
Besucherwelle an Deck.
Charly hielt gleich fleißig
Ausschau nach einem harmlosen
Opfer, dem er einen saftigen
Bären aufbinden konnte.
Da bemerkte er auch schon in
dem Gewimmel ein Pärchen, das
ihm besonders geeignet schien.
Der Mann, untersetzt, mit einem
kugelrunden Bäuchlein, hatte
ein volles, frischrotes Gesicht,
und auch seine pummelige Ehe-
hälfte machte einen harmlos-
gutmütigen Eindruck.
„Gewiß fo ein ehrenwerter
Landwerksmeister aus Bayern
oder aus Sachsen, Baden oder
Württemberg," dachte Charly.
„Gut betucht — von wegen dem
Trinkgeld! — steht er auch aus,
und sicher hat er noch nie ein See-
schiff unter den Füßen gehabt."
Das war ja nun etwas für
Charly, der es faustdick hinter
den Ohren hatte, obwohl er so
treuherzig dreinblicken konnte,
als vermochte er kein Wässer-
chen zu trüben.
Geschickt schlängelte er sich
an das Paar heran. „Darf ich
die Lerrfchaften mal so'n biß-
chen rumführen? Der Erklärer
von der Lafenrundfahrt ist ja
doch bloß 'n Windbeutel, der
von Tuten und Blasen nichts
weiß."
Der gemütliche fremde Lerr
kniff ein wenig die Brauen zu-
sammen, nickte dann aber nur.
Charly war in seinem Ele-
ment. „Also Lerrfchaften, was
wollt Ihr zuerst sehn?"
„Recht vielen Dank, Lerr Doktor, besonders auch für die
Anregung, die Sie mir zu meinem Lütchen gegeben haben."
Inkl. Besichtigung eines Ozeandampfers
Von Werner Sranvtlle Schmidt
Jan und Charly, die beiden Matrosen, standen an der Reling
und blickten versonnen über den großen, schiffsbelebten Strom.
Endlich brach Charly das Schweigen. Er spuckte in weitem Bogen
den braunen Kautabaksaft ins Wasser, steckte sich einen neuen Priem
hinter die Backzähne und sagte:
„Mich soll nur wundern, was
wir für'» Alten kriegen. Loffent-
lich ist das nicht so'n Stänker
und Gnadjebüdel, der seine Rase
in jeden Dreck steckt und einem
das Leben vermiest."
„Tjä," ließ sich Jan ver-
nehmen und sog an seiner Stum-
melpfeife. Viel sprechen war
nicht seine Art; aber in diesem
„Tjä" war alles enthalten, was
er zu diesem Punkte zu sagen
hatte. Die Sache war nämlich
die, daß ein neuer Kapitän ihren
Dampfer übernehmen sollte.
Roch hatte sich der neue „Alte"
an Bord nicht gezeigt, und da
er von einer anderen Reederei
kam, wußte man so gar nichts
über seine guten oder schlechten
Seiten.
Charly, der seine Augen im-
mer allenthalben hatte, stieß
Jan plötzlich an. „Du, guck, der
Lafenrundfahrtdampfer hält di-
rekt auf uns zu! — Da sind
gewiß Fremde an Bord, die
auch unfern Kasten besehen wol-
len; denn auf den Karlen der
Rundfähre heißt es ja immer:
„inkl. Besichtigung eines Ozean-
dampfers". — „Was heißt ei-
gentlich inkl.?"
Jan guckte einen Augenblick
stur in die Luft. „Inkl.? —
Tjä, was heißt inkl.? — Das
bedeutet wohl gründlich; denn
bei der Besichtigung schnüffeln
sie ja alles durch: von der Back
bis zum Leck; von der Brücke
bis hinunter zu den Bilgen."
Charly verzog seinen Mund zu
82
einem breiten Grinsen. „Ich Hab es gerne, wenn die Landratten an
Bord kommen. Erst lassen sie sich nach Strich und Faden die Luke
vollügen, und nachher kriegt man noch 'n Trinkgeld obendrein."
Am Fallreep legte jetzt der Rundfahrtdampfer mit den Fremden
an, und bald ergoß sich eine
Besucherwelle an Deck.
Charly hielt gleich fleißig
Ausschau nach einem harmlosen
Opfer, dem er einen saftigen
Bären aufbinden konnte.
Da bemerkte er auch schon in
dem Gewimmel ein Pärchen, das
ihm besonders geeignet schien.
Der Mann, untersetzt, mit einem
kugelrunden Bäuchlein, hatte
ein volles, frischrotes Gesicht,
und auch seine pummelige Ehe-
hälfte machte einen harmlos-
gutmütigen Eindruck.
„Gewiß fo ein ehrenwerter
Landwerksmeister aus Bayern
oder aus Sachsen, Baden oder
Württemberg," dachte Charly.
„Gut betucht — von wegen dem
Trinkgeld! — steht er auch aus,
und sicher hat er noch nie ein See-
schiff unter den Füßen gehabt."
Das war ja nun etwas für
Charly, der es faustdick hinter
den Ohren hatte, obwohl er so
treuherzig dreinblicken konnte,
als vermochte er kein Wässer-
chen zu trüben.
Geschickt schlängelte er sich
an das Paar heran. „Darf ich
die Lerrfchaften mal so'n biß-
chen rumführen? Der Erklärer
von der Lafenrundfahrt ist ja
doch bloß 'n Windbeutel, der
von Tuten und Blasen nichts
weiß."
Der gemütliche fremde Lerr
kniff ein wenig die Brauen zu-
sammen, nickte dann aber nur.
Charly war in seinem Ele-
ment. „Also Lerrfchaften, was
wollt Ihr zuerst sehn?"
„Recht vielen Dank, Lerr Doktor, besonders auch für die
Anregung, die Sie mir zu meinem Lütchen gegeben haben."
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Recht vielen Dank, Herr Doktor ..."
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1937
Entstehungsdatum (normiert)
1932 - 1942
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 186.1937, Nr. 4776, S. 82
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg