o
Der dunkle Punkt *■>« Ralph
„Junger Mann/ sagte Lerr Mott würdevoll und strich sich den
gepflegten grauen Spitzbart, „junger Mann, es ist nicht schwer,
einem Mädchen den Kopf zu verdrehen. Schwerer hingegen ist es,
den Prüfungen auf Äerz und Niere standzuhalten. Bevor ich meine
Tochter einem Menschen anvertraue, will ich natürlich genau über
sein Vorleben und so verschiedene andere Dinge Bescheid wissen.
Ich werde Ihnen daher in einigen Tagen schriftlich Nachricht zu-
kommen lassen!" Eine Landbewegung, die mit dem Lerunterlassen
einer Bahnschranke verglichen werden konnte, verkündete das jähe
Ende der Anterhaltung. Worauf Lans Scharf drei steife Verbeu-
gungen machte und das Privatbüro des Gestrengen verließ. Er schritt
über dicke Teppiche durch die Zimmer des ersten, zweiten und dritten
Sekretärs, gelangte schließlich an einem verachtunasvoll dreinblicken-
den Portier aus der be-
täubend ernsten Umgebung
ins Freie und sagte „Brrr".
Er brrrtste, weil er den
Eindruck empfangen hatte,
daß seine Sache nicht gerade
hervorragend stand.
Sein Empfinden sollte
recht behalten, denn einige
Tage später bekam er
mit der Morgenpost auf
Geschäftspapier folgendes
Schreiben:
Lerrn £>. Scharf.
Die mir über Sie zuge-
gangenen Informationen
lauten geradezu vernich-
tend. Sie find einmal aus
einer Schule hinausgeflo-
gen, gingen späterhin als
Geschäftsmann in Aus-
gleich, unterhielten bis vor
kurzer Zeit eine Liebschaft
und haben heute Schulden.
Weitere Auseinanderset-
zungen erübrigen sich wohl,
und empfehle ich Ihnen
dringend, sich meiner Toch-
ter Evelyn unter keinen
Umständen mehr zu nähern
zu versuchen, andernfalls -
Lans Scharf stöhnte
auf, als hätte ihn ein Löwe
gebissen. Mit Sterbege-
danken lief er vierund-
zwanzig Stunden lang um-
322
her. In der fünfundzwanzigsten jedoch setzte er sich an den Schreib-
tisch und schrieb Evelyns Vater einen Brief.
Einen Augenblick lang schwebte dieses Schreiben an seinem Be-
stimmungsort in Gefahr, im Papierkorb zu verschwinden. Aber dann
las es Lerr Mott doch. Gleich darauf schüttelte der erste Sekretär im
Nebenzimmer das Laupt, da er einen ungewohnten Ausruf vernahm.
„Verflucht und zugenäht!" hatte der Chef gesagt. Die Stelle in dem
Brief, durch die jener Ausruf hervorgelockt wurde, lautete:
„— glaube ich nämlich nicht, daß dies Ihr letztes Wort gewesen
ist. Die Dinge, die Sie mir vorwerfen, sind harmlos und höchstens
jugendliche Dummheiten gewesen. Was sind sie im Vergleich zu jenem
dunklen Punkt aus Ihrer eigenen Vergangenheit, den entsprechend
zu beleuchten mich bis jetzt nur mein angeborenes Taktgefühl ge-
hindert hat —"
Lerr Mott strich sich den Bart und wunderte sich darüber, wie
dieser Kerl nur hinter die
alte Geschichte gekommen
sein konnte. Der einzige
Mensch, der darum gewußt
hatte, war schon lange tot.
Allerdings mochten etwaig e
Aufzeichnungen aus feinem
Nachlaß in falsche Lände
geraten sein. Donnerwet-
ter, Donnerwetter; die
Sache begann peinlich zu
werden!
„Junger Mann," sagte
am nächsten Tag Lerr
Mott zu Scharf, „junger
Mann, ich habe die mir
zugegangenen Auskünfte
über Ihre Person einer
nochmaligen Prüfung un-
terzogen. Dabei mußte ich
gerechterweise zugeben, daß
da gewisse Dinge für Sie
sprechen. Schließlich bildet
sich das Mädel ein, ohne
Sie nicht leben zu können,
weshalb ich zu dem Ent-
schluß gekommen bin, mei-
nen ursprünglichen Stand-
puntt zu ändern. Lm, und
was die dunklen Punkte
anbelangt, hm, so wollen
wir beide nicht mehr da-
rüber sprechen - "
Sie sprachen aber doch
noch einmal darüber, und
(Fortsetzung auf Seite 3241
Der dunkle Punkt *■>« Ralph
„Junger Mann/ sagte Lerr Mott würdevoll und strich sich den
gepflegten grauen Spitzbart, „junger Mann, es ist nicht schwer,
einem Mädchen den Kopf zu verdrehen. Schwerer hingegen ist es,
den Prüfungen auf Äerz und Niere standzuhalten. Bevor ich meine
Tochter einem Menschen anvertraue, will ich natürlich genau über
sein Vorleben und so verschiedene andere Dinge Bescheid wissen.
Ich werde Ihnen daher in einigen Tagen schriftlich Nachricht zu-
kommen lassen!" Eine Landbewegung, die mit dem Lerunterlassen
einer Bahnschranke verglichen werden konnte, verkündete das jähe
Ende der Anterhaltung. Worauf Lans Scharf drei steife Verbeu-
gungen machte und das Privatbüro des Gestrengen verließ. Er schritt
über dicke Teppiche durch die Zimmer des ersten, zweiten und dritten
Sekretärs, gelangte schließlich an einem verachtunasvoll dreinblicken-
den Portier aus der be-
täubend ernsten Umgebung
ins Freie und sagte „Brrr".
Er brrrtste, weil er den
Eindruck empfangen hatte,
daß seine Sache nicht gerade
hervorragend stand.
Sein Empfinden sollte
recht behalten, denn einige
Tage später bekam er
mit der Morgenpost auf
Geschäftspapier folgendes
Schreiben:
Lerrn £>. Scharf.
Die mir über Sie zuge-
gangenen Informationen
lauten geradezu vernich-
tend. Sie find einmal aus
einer Schule hinausgeflo-
gen, gingen späterhin als
Geschäftsmann in Aus-
gleich, unterhielten bis vor
kurzer Zeit eine Liebschaft
und haben heute Schulden.
Weitere Auseinanderset-
zungen erübrigen sich wohl,
und empfehle ich Ihnen
dringend, sich meiner Toch-
ter Evelyn unter keinen
Umständen mehr zu nähern
zu versuchen, andernfalls -
Lans Scharf stöhnte
auf, als hätte ihn ein Löwe
gebissen. Mit Sterbege-
danken lief er vierund-
zwanzig Stunden lang um-
322
her. In der fünfundzwanzigsten jedoch setzte er sich an den Schreib-
tisch und schrieb Evelyns Vater einen Brief.
Einen Augenblick lang schwebte dieses Schreiben an seinem Be-
stimmungsort in Gefahr, im Papierkorb zu verschwinden. Aber dann
las es Lerr Mott doch. Gleich darauf schüttelte der erste Sekretär im
Nebenzimmer das Laupt, da er einen ungewohnten Ausruf vernahm.
„Verflucht und zugenäht!" hatte der Chef gesagt. Die Stelle in dem
Brief, durch die jener Ausruf hervorgelockt wurde, lautete:
„— glaube ich nämlich nicht, daß dies Ihr letztes Wort gewesen
ist. Die Dinge, die Sie mir vorwerfen, sind harmlos und höchstens
jugendliche Dummheiten gewesen. Was sind sie im Vergleich zu jenem
dunklen Punkt aus Ihrer eigenen Vergangenheit, den entsprechend
zu beleuchten mich bis jetzt nur mein angeborenes Taktgefühl ge-
hindert hat —"
Lerr Mott strich sich den Bart und wunderte sich darüber, wie
dieser Kerl nur hinter die
alte Geschichte gekommen
sein konnte. Der einzige
Mensch, der darum gewußt
hatte, war schon lange tot.
Allerdings mochten etwaig e
Aufzeichnungen aus feinem
Nachlaß in falsche Lände
geraten sein. Donnerwet-
ter, Donnerwetter; die
Sache begann peinlich zu
werden!
„Junger Mann," sagte
am nächsten Tag Lerr
Mott zu Scharf, „junger
Mann, ich habe die mir
zugegangenen Auskünfte
über Ihre Person einer
nochmaligen Prüfung un-
terzogen. Dabei mußte ich
gerechterweise zugeben, daß
da gewisse Dinge für Sie
sprechen. Schließlich bildet
sich das Mädel ein, ohne
Sie nicht leben zu können,
weshalb ich zu dem Ent-
schluß gekommen bin, mei-
nen ursprünglichen Stand-
puntt zu ändern. Lm, und
was die dunklen Punkte
anbelangt, hm, so wollen
wir beide nicht mehr da-
rüber sprechen - "
Sie sprachen aber doch
noch einmal darüber, und
(Fortsetzung auf Seite 3241
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Mutti, warum schmeckt der Tang heute so nach Roßhaar?"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Kommentar
Herbert Lehmann
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Entstehungsdatum
um 1937
Entstehungsdatum (normiert)
1932 - 1942
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 186.1937, Nr. 4791, S. 322
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg