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tttt 3^® Von Stry JU Eulenburg
„Alles stehen bleiben," sagte plötzlich der Lehrer Anton Schimmel-
weiß und verstellte den Jungens den Weg zum Eingang in den
Löwenbau. „Aufstellen I — Bevor wir uns die Löwen anschauen, muß
ich doch einmal Nachsehen, ob wir noch vollzählig sind."
Als der Lehrer die Schar seiner Schüler mit einem argwöhnisch
prüfenden Blick überflog, hatte er sogleich das dunkle Empfinden,
daß etwas nicht in Ordnung war. Seit einer vollen Stunde führte
er seine Klasse durch den Tierpark. In dieser Zeit hatte er nicht
eine einzige Sekunde ruhig aufatmen können, immer wieder mußte
errufen: „Weitergehen I" mußte bald hier, bald dort Land anlegen,
um einen übereifrigen Beschauer mit Gewalt vom Gitter zu trennen.
„Nicht zu nahe an den Käfig gehen!" hatte er fortwährend wieder-
holt, und trotzdem gab es Tränen, als der kleine Legedorn einem
bissigen Esel seinen Rockzipfel vor das Maul hielt und ihn nicht
mehr rechtzeitig zurückziehen konnte. So war ein schönes Stück der
Jacke an des Maulesels gelben Zähnen geblieben.
„Aufstellen!" rief Anton Schimmelweiß noch einmal. Nur ungern
gehorchten die Jungens. Dies würden sie ihrem Lehrer niemals ver-
gessen, daß er sie nur ein
paar Meter vom Löwen-
zwinger entfernt zum War-
ten aufhielt.
„Eins, zwei, drei . . ."
fing der Lehrer zu zählen
an. Als er fertig war, ließ
er erschöpft den Kopf sin-
ken. „Natürlich, zwei zu
wenig — wer fehlt?"
Zn der Schar begann es
zu brodeln,Namen schwirr-
ten hin und her. Endlich
war es geglückt, die beiden
Abtrünnigen festzustellen:
Fritz Overdiek und Maxl
Weber.
„Sooo!" sagte Schimmel-
weiß gedehnt und drohend,
dann sckaute er sich fast
hilflos im Kreise um. Glück-
licherweise kam gerade ein
Wärter den Weg entlang,
den der Lehrer ersuchen
konnte, sich solange vor die
Klasse zu stellen, bis er
selbst wieder zurück sein
würde.
Einigermaßen beruhigt
konnte der Lehrer sich auf
die Suche nach den beiden
Verlorenen begeben. Zehn volle Minuten lief er den schmalen Weg
entlang, von einem Käfig zum anderen, ohne Erfolg; weder im
Aquarienhaus, noch bei dem Bassin der Nilpferde, weder im Pavil-
lon der Papageien und Kanarienvögel, ja, nicht einmal im Lause
der Affen waren die beiden Ausreißer zu finden. Endlich im äußer-
sten Winkel des Gartens an einer Umzäunung erkannte er schon
von weitem die kleinen Gestalten der Gesuchten.
„Sooo!" sagte Schimmelweiß zum zweitenmal gedehnt und drohend,
„werden wir gleich haben!" Er wollte sich lautlos nähern und die
Missetäter überraschen. Aber seine Vorsicht war überflüssig, Fritz
Overdiek und Maxl Weber kehrten ihm den Rücken; sie waren be-
schäftigt. Als er nur noch ein paar Meter von ihnen entfernt war,
blieb er überrascht stehen.
Eng an die Umzäunung gepreßt, mit hochroten Köpfen, aufgeregt,
wütend prusteten die kleinen Neunjährigen und spuckten in das Feld,
spuckten immer wieder, abwechselnd, und manchmal zugleich.
„Zum Donnerwetter, was soll das?" konnte der Lehrer nicht
mehr länger zurückhalten.
Zn keiner Weise erschrocken drehten sich die Zungens um. In
ihren Augen lag das Feuer
eines heißen und schweren
Kampfes. Beide deuteten
zugleich mit ihren Fingern
drohend in das Feld der
Umzäunung:
„Wir können sicher nichts
dafür, Lerr Lehrer . . ."
empört und triumphierend
klärten sie Anton Schim-
melweiß auf:
„das Lama hat ange-
fangen!"
Das Verhältnis
„Donnerwetter,wie häß-
lich die Frau Ihres Freun-
des ist! Die hat gewiß
dementsprechend Geld ge-
habt?"
„Noch nicht die Lälfte!"
Zerstreut
„Schade, daß in diesem
antiken Schrank der Lolz-
wurm ist! Vierhundert
Jahre soll er alt sein!"
„So alt werden Lolz-
würmer?"
„Ich bin gar nicht der Maharadscha, ich Hab nur
einen Karbunkel am Kopf!"
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tttt 3^® Von Stry JU Eulenburg
„Alles stehen bleiben," sagte plötzlich der Lehrer Anton Schimmel-
weiß und verstellte den Jungens den Weg zum Eingang in den
Löwenbau. „Aufstellen I — Bevor wir uns die Löwen anschauen, muß
ich doch einmal Nachsehen, ob wir noch vollzählig sind."
Als der Lehrer die Schar seiner Schüler mit einem argwöhnisch
prüfenden Blick überflog, hatte er sogleich das dunkle Empfinden,
daß etwas nicht in Ordnung war. Seit einer vollen Stunde führte
er seine Klasse durch den Tierpark. In dieser Zeit hatte er nicht
eine einzige Sekunde ruhig aufatmen können, immer wieder mußte
errufen: „Weitergehen I" mußte bald hier, bald dort Land anlegen,
um einen übereifrigen Beschauer mit Gewalt vom Gitter zu trennen.
„Nicht zu nahe an den Käfig gehen!" hatte er fortwährend wieder-
holt, und trotzdem gab es Tränen, als der kleine Legedorn einem
bissigen Esel seinen Rockzipfel vor das Maul hielt und ihn nicht
mehr rechtzeitig zurückziehen konnte. So war ein schönes Stück der
Jacke an des Maulesels gelben Zähnen geblieben.
„Aufstellen!" rief Anton Schimmelweiß noch einmal. Nur ungern
gehorchten die Jungens. Dies würden sie ihrem Lehrer niemals ver-
gessen, daß er sie nur ein
paar Meter vom Löwen-
zwinger entfernt zum War-
ten aufhielt.
„Eins, zwei, drei . . ."
fing der Lehrer zu zählen
an. Als er fertig war, ließ
er erschöpft den Kopf sin-
ken. „Natürlich, zwei zu
wenig — wer fehlt?"
Zn der Schar begann es
zu brodeln,Namen schwirr-
ten hin und her. Endlich
war es geglückt, die beiden
Abtrünnigen festzustellen:
Fritz Overdiek und Maxl
Weber.
„Sooo!" sagte Schimmel-
weiß gedehnt und drohend,
dann sckaute er sich fast
hilflos im Kreise um. Glück-
licherweise kam gerade ein
Wärter den Weg entlang,
den der Lehrer ersuchen
konnte, sich solange vor die
Klasse zu stellen, bis er
selbst wieder zurück sein
würde.
Einigermaßen beruhigt
konnte der Lehrer sich auf
die Suche nach den beiden
Verlorenen begeben. Zehn volle Minuten lief er den schmalen Weg
entlang, von einem Käfig zum anderen, ohne Erfolg; weder im
Aquarienhaus, noch bei dem Bassin der Nilpferde, weder im Pavil-
lon der Papageien und Kanarienvögel, ja, nicht einmal im Lause
der Affen waren die beiden Ausreißer zu finden. Endlich im äußer-
sten Winkel des Gartens an einer Umzäunung erkannte er schon
von weitem die kleinen Gestalten der Gesuchten.
„Sooo!" sagte Schimmelweiß zum zweitenmal gedehnt und drohend,
„werden wir gleich haben!" Er wollte sich lautlos nähern und die
Missetäter überraschen. Aber seine Vorsicht war überflüssig, Fritz
Overdiek und Maxl Weber kehrten ihm den Rücken; sie waren be-
schäftigt. Als er nur noch ein paar Meter von ihnen entfernt war,
blieb er überrascht stehen.
Eng an die Umzäunung gepreßt, mit hochroten Köpfen, aufgeregt,
wütend prusteten die kleinen Neunjährigen und spuckten in das Feld,
spuckten immer wieder, abwechselnd, und manchmal zugleich.
„Zum Donnerwetter, was soll das?" konnte der Lehrer nicht
mehr länger zurückhalten.
Zn keiner Weise erschrocken drehten sich die Zungens um. In
ihren Augen lag das Feuer
eines heißen und schweren
Kampfes. Beide deuteten
zugleich mit ihren Fingern
drohend in das Feld der
Umzäunung:
„Wir können sicher nichts
dafür, Lerr Lehrer . . ."
empört und triumphierend
klärten sie Anton Schim-
melweiß auf:
„das Lama hat ange-
fangen!"
Das Verhältnis
„Donnerwetter,wie häß-
lich die Frau Ihres Freun-
des ist! Die hat gewiß
dementsprechend Geld ge-
habt?"
„Noch nicht die Lälfte!"
Zerstreut
„Schade, daß in diesem
antiken Schrank der Lolz-
wurm ist! Vierhundert
Jahre soll er alt sein!"
„So alt werden Lolz-
würmer?"
„Ich bin gar nicht der Maharadscha, ich Hab nur
einen Karbunkel am Kopf!"
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Ich bin gar nicht der Maharadscha"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1937
Entstehungsdatum (normiert)
1932 - 1942
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 186.1937, Nr. 4792, S. 338
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg