Fliegende Blätter (187.1937 (Nr. 4796-4822) = 93. Jahrg.)

o

Die billige Ahr

„Vor fünf Minuten zeigte die neue Uhr erst neun, und jetzt
zeigt sie schon zehn; wie die Zeit vergeht !"

Schmählich verkannt

Das hat man davon, wenn man liebenswürdig sein und jemandem
Mühe ersparen will!

Im vorigen Sommer habe ich
meinen alten Onkel in Danzig be-
sucht, aber nur flüchtig, denn ich
kam von Marienburg und durfte
ja nur 10 Mark mithaben; da
kann man nicht lange in Danzig
bleiben, so sehr diese Stadt auch
dazu einladet. Aber ich kenne sie
schon recht gut.

Diese Kassenbeschränkung be-
dingte es, daß ich meinen Koffer
bei mir behielt, weil ich abends
wieder fortwollte. Ich stieg also
am Langenmarkt aus der Mo-
torpost, ließ mir in der Ostbank
für meine 10 Mark 21 Gulden
geben und nahm mir dann groß-
zügig — aber wegen des Koffers

— eine Autodroschke, um zu
meinem Onkel zu fahren.

Mein Onkel wohnt in einer
Straße, die „Schießstange" heißt

— an der rechten Seite, wo die
Lauser auf den schönen großen
Schützenhausgarten hinausge-
hen. An der linken Seite aber
liegt das Landgerichtsgesängnis.

Die „Schießstange" ist eine
Sackgasse, ganz kurz und sehr
schmal, und um dem Schofför
das Umkehren darin zu erspa-
ren, wollte ich nur bis zur Ecke
fahrenunddann diepaarSchritte
zu Fuß machen. Ich ersuchte
also: „Fahren Sie bis zur Ecke
Schießstangel" — „Aha!" sagte
der Schofför und fuhr los.

An der Ecke der Schießstange
stieg ich dann aus, nahm meinen
Koffer und bezahlte. Und dann
fragte der Schofför, auf meinen
Koffer blickend, mit einiger Neu-
gier, aber auch Teilnahm e: „Wie
lange haben Sie denn?" —on.

130

^unte läßt die Lefzen hängen. Der fröhliche, muntere Lunte.
Unbegreiflich. „Was für eine Laus ist dir denn über die Leber ge-
laufen?" forscht Latte.

„Ach, du weißt doch — Erika!" — „Was ist mit Erika?"

„Aus. Ich habe mich entlobt. Ich werde das Mädel jahrelang
nicht vergessen."

„Armer Kerl! Ich habe nicht gewußt, daß dir die Sache so tief ging."
„Das ja nun gerade nicht. Aber ich habe noch 27 Raten von

einem Pelzmantel und 36 von
einem Brillantring zu zahlen."

Kleiner Aufschub

Bückler sitzt im Operations-
stuhl beim Zahnarzt Storch. Er
ist vollkommen einverstanden mit
dem, was ihm dieser Betreuer
der Kauwerkzeuge vorschlägt.
Ja wirklich — nur immer 'raus
mit den alten Stummeln! Und
dafür her mit dem besten Ersatz,
der sich nur irgend machen läßt!
Auf die Kosten komnit es Bück-
ler nicht an; er kann sich was
leisten. Aber schnell muß die
Sache gehn.

„Ja, gar so schnell läßt sich
das nicht machen," erklärt der
Zahnarzt Storch. „Ich nehme
Ihnen heute die Zähne heraus,
aber dann müssen Sie mindestens
vier Wochen warten, ehe ich an
die Prothese herangehn kann.
Der Kiefer muß völlig ausge-
heilt sein, ehe ich einen Abdruck
nehmen kann."

„Ja, aber was soll ich i» der
Zeit essen?" jammert Bückler.

„O, das ist nicht so schliinm I
Sie können sich kräftige Suppen
machen lassen, Fleisch als Lascher
genießen, Laferbrei essen und
so weiter. Denken Sie sich dabei
doch. Ihnen wäre eine Diät
verordnet!"

Bückler krabbelt wieder aus
dem Operationsstuhl heraus.
„Dann warten wir noch ein paar
Tage, Lerr Doktor. Ich werde
mir vorher noch eine» Magen-
katarrh anfresse»."

Wie kommt es bloß, daß bei diesem schönen Wetter alle Bänke leer sind?"
Ich habe überall Schildcken angebracht: Frisch gestrichen!"