Die Frau, die einen Zauberkünstler geheiratet hat
Zeichnung von W.-Wirvu
Die grüne Medizin
und wütend schwirrte der Brummer darin aus und nieder. Der Onkel
dagegen war zu meinem Erstaunen die Ruhe selbst — so etwa stelle
ich mir einen stoischen Philosophen auf der Fliegenjagd vor. „Ach
bitte," sagte er, „greis doch mal hinter dich! Auf dem Rauchtischchen
muß eine Speisekarte liegen."
„Eine Speisekarte?" Verdutzt reichte ich ihm das merkwürdig ab-
gegriffene Kartonblatt, das von der Speisenfolge im „Deutschen
Lause" berichtete. Was in aller Welt konnte er diesen Augenblick
damit Vorhaben? Offenbar war er nicht geheilt, sondern im Gegen-
teil nun vollends übergeschnappt. Die arme Tantel
Der Onkel jedoch schob die Speisekarte behend unter die Oeffnung des
Gläschens, die er »och immer an den Lampenschirm gepreßt gehalten
hatte. Run konnte die Fliege ihm nicht mehr entwischen. Mit einem
irren Lächeln auf den Lippen — so kam mir's wenigstens vor —
trug er das Glas behutsam ins Nebenzimmer und von da in den
Wintergarten. Ich folgte ihm, auf das Schlimmste gefaßt. Es ist
keine Kleinigkeit, einen nahen Verwandten so unheimlich verändert
zu sehen! Tausendmal lieber hätte ich einem seiner altvertrauten
Wutausbrüche beigewohnt, als diesem seltsamen Treiben, das mir
nicht nur sinnlos, sondern ausgesprochen krankhaft erschien. Was
hatte er mit der Fliege vor? War er auf seine alten Tage unter die
Sadisten gegangen? Mir lief ein kalter Schauder den Rücken hinunter.
Ob der alte Quacksalber ihm etwa Tollwurz eingegeben hatte? An-
zeige» müßte man den Kerl!
Im Wintergarten aber ergab sich zum Glück für den Schäfer eine
andere Lösung des Rätsels. Der Onkel hatte — der Simmel sei ge-
priesen I — keinen Vogel, sondern nur einen Laubfrosch! Der saß
in seinem Glase auf der Leiter und blickte sofort munter um sich, als
der Onkel ihm die Fliege mit überraschendem Geschick hineinschüttelte.
And beseligt sah Onkel Kasimir zu, wie der glatte grüne Bursche nach
der Fliege äugte, zusprang, sie mit der klebrigen rosa Zunge erwischte
und unter Zuhilfenahme seiner hervorgequollenen Augen befriedigt
verdrückte. — „Das Tier hat der alte Äinricks aus Baddeckenstedt
mitgebracht. Es ist kolossal gefräßig. And seitdem ich es habe, freue
ich mich über jede Fliege, die ich in der Wohnung sehe."
229
Zeichnung von W.-Wirvu
Die grüne Medizin
und wütend schwirrte der Brummer darin aus und nieder. Der Onkel
dagegen war zu meinem Erstaunen die Ruhe selbst — so etwa stelle
ich mir einen stoischen Philosophen auf der Fliegenjagd vor. „Ach
bitte," sagte er, „greis doch mal hinter dich! Auf dem Rauchtischchen
muß eine Speisekarte liegen."
„Eine Speisekarte?" Verdutzt reichte ich ihm das merkwürdig ab-
gegriffene Kartonblatt, das von der Speisenfolge im „Deutschen
Lause" berichtete. Was in aller Welt konnte er diesen Augenblick
damit Vorhaben? Offenbar war er nicht geheilt, sondern im Gegen-
teil nun vollends übergeschnappt. Die arme Tantel
Der Onkel jedoch schob die Speisekarte behend unter die Oeffnung des
Gläschens, die er »och immer an den Lampenschirm gepreßt gehalten
hatte. Run konnte die Fliege ihm nicht mehr entwischen. Mit einem
irren Lächeln auf den Lippen — so kam mir's wenigstens vor —
trug er das Glas behutsam ins Nebenzimmer und von da in den
Wintergarten. Ich folgte ihm, auf das Schlimmste gefaßt. Es ist
keine Kleinigkeit, einen nahen Verwandten so unheimlich verändert
zu sehen! Tausendmal lieber hätte ich einem seiner altvertrauten
Wutausbrüche beigewohnt, als diesem seltsamen Treiben, das mir
nicht nur sinnlos, sondern ausgesprochen krankhaft erschien. Was
hatte er mit der Fliege vor? War er auf seine alten Tage unter die
Sadisten gegangen? Mir lief ein kalter Schauder den Rücken hinunter.
Ob der alte Quacksalber ihm etwa Tollwurz eingegeben hatte? An-
zeige» müßte man den Kerl!
Im Wintergarten aber ergab sich zum Glück für den Schäfer eine
andere Lösung des Rätsels. Der Onkel hatte — der Simmel sei ge-
priesen I — keinen Vogel, sondern nur einen Laubfrosch! Der saß
in seinem Glase auf der Leiter und blickte sofort munter um sich, als
der Onkel ihm die Fliege mit überraschendem Geschick hineinschüttelte.
And beseligt sah Onkel Kasimir zu, wie der glatte grüne Bursche nach
der Fliege äugte, zusprang, sie mit der klebrigen rosa Zunge erwischte
und unter Zuhilfenahme seiner hervorgequollenen Augen befriedigt
verdrückte. — „Das Tier hat der alte Äinricks aus Baddeckenstedt
mitgebracht. Es ist kolossal gefräßig. And seitdem ich es habe, freue
ich mich über jede Fliege, die ich in der Wohnung sehe."
229
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Die Frau, die einen Zauberkünstler geheiratet hat"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1937
Entstehungsdatum (normiert)
1932 - 1942
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 187.1937, Nr. 4810, S. 229
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg