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Der hilflose Herr Niebeditsch

Auf das Fundbüro der Straßenbahn kam ein
hilfloser Mann. Er trug eine blaue Lüsterjacke.
Vor den Augen hatte er eine rauchgraue Brille
und in einer Land einen Blumenkohl. Der Blu-
menkohl war völlig uneingewickelt, was umso
unbegreiflicher war, als er schon recht ausgegelbt
aussah.

„Mein Name ist Niebeditsch/ sagte der Mann.

„Niebeditsch?" Der Beamte lächelte ein wenig,
als er den Namen wiederholte.

„Gewiß. Und ich bin es gewöhnt, daß ihn
alle Leute komisch finden."

„Der Vorname, bitte?" unterbrach der
Beamte.

„Cäsar. Cäsar Niebeditsch."

Jetzt lachte der Beamte hellauf.

„Sie wünschen?"

„Ich habe einen Schirm stehen lassen."

„Mann?"

„Gestern."

„Mo?"

„Wahrscheinlich in der Linie 21 oder 1 oder 19."

„Das wissen Sie nicht genau?"

„Nein. Ich bin zweimal umgestiegen."

„Um wieviel Ahr?"

„Im Laufe des Tages. Ich besitze keine
Ahr."

„Das sind aber sehr ungenügende Angaben.
In welcher Richtung benutzten Sie die Straßen-
bahn?"

„Wie gewöhnlich."

„Was heißt: wie gewöhnlich?"

„Erst fuhr ich in die Stadt hinein und dann
wieder zurück."

„Allmächtigerl Wann haben Sie denn den
Verlust bemerkt?"

„Aeberhaupt nicht."

„Wie, überhaupt nicht?"

„Rein. Meine Frau hat ihn bemerkt. Als ich
abends nach Lause kam, sagte sie: Cäsar, sagte
sie, wo ist denn der Schirm?"

„Ja, hatten Sie denn den Schirm überhaupt
mitgenommen?"

„Aber gewiß. Ich gehe nie ohne Schirm,
besonders wenn im Wetterbericht ,Beständig'
steht."

„Sie sind ein komischer Kauz, Lerr Niebeditsch!"

„Da du schon dabei bist, Philipp-

zieh' gleich alle vier Flaschen auf!"
„Vielleicht brauchen wir nicht alle."

„Aber ja-offene Flaschen muß

man austrinken."

„Ja leider. Ich wäre ja auch gar nicht her-
gekommen wegen dem Schirm — aber meine
Frau — Sie wissen schon — sind Sie verheiratet?"

„Lm, ja — allerdings. Aber wie sah denn der
Schirm aus?"

„Tja!" Lerr Niebeditsch zuckte hilflos die
Achseln.

„Wie lange benutzen Sie ihn denn schon?"

„Wie lange? Warten Sie mal — also 1911
haben wir geheiratet — 1913 hatte meine Frau
die Gallensteine — ja, ich glaube, es war 1913,
als ich den Schirm kaufte."

„Also vor 24 Jahren. Da müssen Sie doch
wissen, wie der Schirm aussah."

„Ja, was soll ich Ihnen da sagen? Er hatte
oben einen Griff, ich glaube, einen runden — dann
war er schwarz bezogen, und das Gummiband
fehlte — — wenn Sie aber genaueres wissen
wollen, dann muß ich meine Frau — — —"
Lerr Niebeditsch wendete sich mit einer traurigen
Miene zum Gehen.

„Einen Moment!" Der Beamte öffnete die
Schranke und ließ Lerrn Niebeditsch eintreten.
Er griff unter einen Verschlag und holte ein zu-
sammengebundenes Paket Regenschirme hervor.
Er zog zwei heraus.

„Ist er der vielleicht, oder ist es der? Die
sind alle gestern gefunden worden."

„Nein, er ist nicht dabei. Aber man sollte es
nicht glaube», was für schöne Schirme stehen
gelassen werden!" Lerr Niebeditsch ließ ganz bei-
läufig eine Anzahl eleganter Lerren- und koketter
Damenschirme durch die Land gleiten.

Dann ging Lerr Niebeditsch. Der Beamte sah
ihm lächelnd und fast ein wenig wohlwollend nach.

Als Lerr Niebeditsch um die nächste Ecke ge-
bogen war, nahm er die rauchgraue Brille ab
und warf den Blumenkohl auf eine Wiese. Drei
Mädchen kamen auf ihn zu.

„Wie stehts?" fragte eine.

„Ausgezeichnet! Ein dunkelbrauner mit echtem
Elfenbeingriff in Form eines Drachenkopfes —
Brillantsplitter als Augen. Ein blau und grau
gestreifter — gerader Griff aus Schlangenhaut,
durchbohrt, in der Durchbohrung silberne Kette
zum Tragen am Landgelenk. Und ein wunder-
voller Lerrenschirm, reine imprägnierte Seide,
rundes Malakkarohr mit einem Schildchen ,Made
in England'." A. W.

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Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Da du schon dabei bist, Philipp -- zieh' gleich alle vier Flaschen auf!"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Croissant, Eugen
Entstehungsdatum
um 1937
Entstehungsdatum (normiert)
1932 - 1942
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 187.1937, Nr. 4818, S. 354

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CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
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