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Die Störung Von Z. L. Rösler

Paul hatte mächtig zu tun. And zwar
Kopfarbeit. So fleißig Paul auch sonst
war, und so gern sich seine Lände regten,
wenn aber Paul mit dem Kopf arbeiten
mußte — und das geschah dreimal oder
viermal im Jahr, sei es, daß er seine
Steuererklärung abfassen mußte oder
einen Brief an die Behörde zu schreiben
hatte, von der er Gutes wollte und die
dafür eine ausführliche Begründung ver-
langte, oder auch nur einen Reklametext
für seine Drehbleistifte entwerfen mußte
— an diesem Tag war mit Paul nicht
zu spaßen. Da saß er am Tisch, rauchte
ununterbrochen, nagte am Bleistift, die
Lände lagen wie Blei, und alle Bewegung
war in sein Sitzfleisch übergegangen, das
unruhig wogte und pulste. Wehe, wenn
ihn da einer störte! Schon der kleinste
Luftzug verwehte die hageren Gedanken,

Schritte vorm Laus trieben ihn ans
Fenster und ein Flieger über dem Dach
vor die Tür. And ganz aus dem Konzept
gebracht schlich sich dann Paul wieder
mürrisch zum Tisch zurück und dachte
nach. And begann endlich — nach stunden-
langer, ungestörter Sammlung — seine
Schreibarbeit.

And just einen solchen Tag hatte sich
Pauline herausgesucht, um ins Zimmer
zu treten und ihren Mann mit der freu-
digen Nachricht zu überraschen:

„Du, Paul, ich habe heute einen Lut
gesehen!"

„Einen was?"

„Einen Lut! Einen wunderschönen
Lut! Ein Gedicht!"

„So," sagte Paul nur.

Pauline merkte, daß etwas nicht
stimmte.

„Du bist wohl heute schlecht aufgelegt?" fragte sie spitz.

„Du siehst doch, daß ich arbeite!"

Daraufhin ging Pauline verstimmt aus dem Zimmer. Aber nicht
für lange. Wenige Minuten später erschien sie wieder und brachte
ein leckeres Frühstück.

„Jetzt, Paul, während du frühstückst —"

„Aber ich will ja jetzt nicht frühstücken!"

Paul, der gerade in ein günstiges Fahrwasser der Gedanken
gekommen war, hatte ärgerlich den Kopf gehoben.

„Einmal mußt du doch frühstücken, Paul — und es ist gleich, ob
jetzt oder später — und da dachte ich, ich könnte gleich mit dir
sprechen-"

„Von dem Lut?"

„3a."

„Nein."

Paul schob das Frühstück zur Seite und Pauline aus der Tür.
Er tat es sanft und keineswegs grob, sondern sogar mit einem
Lächeln, denn er war ein netter Ehemann, und außerdem wollte er
sich nicht aufregen, was seine Denkbarkeit unnötig gestört hätte. And
dies war richtig gehandelt, denn es währte nur zwanzig Minuten,
da begannen die Gedanken wieder zu fließen. And Paul schrieb
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nieder, was ihm einfiel. Aber allzulange
kann ein Denker nicht sitze», man muß
Schritte im Zimmer zwischen den Sätzen
machen, und Paul tat dies auch. Kaum
war er drei Schritte vor und zwei zurück-
gegangen, da hatte sich auch schon die
Tür geöffnet, und Pauline erschien heiter
im Zimmer.

„Fertig, Paul?" fragte sie.

„Nein. Warum?"

„Ich dachte, ich könnte jetzt wegen
dem Lut —"

„Aber laß mich doch endlich mit dem
albernen Lut in Frieden!"

„Darf ich später —"

„Später meinetwegen! Aber nicht jetzt!"
Da ging Pauline wieder. And sie
erschien wieder. And sie ging wieder, und
als sie zum zwanzigsten Mal erschien
und schweigend ein Deckchen auf ein an-
deres Deckchen legte, da begann Paul
— da er so in seiner Arbeit kein Weiter-
kommen sah — von selbst:

„Also, was kostet der Lut?"
„Zwanzig Mark!"

Da zog Paul einen Zwanzigmark-
schein aus der Tasche, legte ihn auf den
Tisch und sagte:

„Kauf ihn dir! Damit Ruhe ist!"
And dann war wirklich Ruhe. Pau-
line war sofort aus dem Laus gegangen,
den Lut zu kaufen. And Paul hatte
Zeit, sich wieder zu sammeln und zu
arbeiten. Erst mußte er zwar immer an
die zwanzig Mark denken, dann ärgerte
er sich wieder eine Zeit lang, daß er so
dumm gewesen war, nachzugeben, dann
kämpften in ihm die Gedanken, ob es nun
vielleicht doch richtig war, sich so seine Ar-
beitsruhe zu erkaufen oder vielleicht doch
wieder nicht, aber nach einer Stunde war
er so weit, wieder mit allen Gedanken bei seiner Arbeit zu sein und
wollte gerade den ersten Sah wieder »icderschreiben, da flog mit
einem Satz die Tür auf, und herein trat Pauline.

„Schau den Lut, Paul!"

„Aber —"

„Ist er nicht entzückend?"

„Ja. Schon. Aber —"

„Laß dir danken, Paul!"

And Paul ließ sich danken. Dann lief die Frau wieder
aus dem Zimmer und in das Zimmer und bedankte sich wieder
und freute sich wieder, und Paul kam und kam nicht zu seiner
Arbeit.

„Du, Pauline," sagte er endlich, „was hättest du eigentlich getan,
wenn ich dir den Lut glattweg abgeschlagen hätte? Gleich, wo du
anfingst, mir von ihm zu erzählen?"

Da sagte Pauline:

„Was ich da getan hätte, Paul? In mein Zimmer wäre ich
gegangen, hätte mich eingeschlossen und den ganzen Tag kein Wort
mehr mit dir geredet."

Worauf Paul brummte:

„Das hätte man früher wissen müssen!"

Musikalisch „Diese Oper muß ich schon mal ge-
hört haben; die Dekoration kommt mir so bekannt vor."
Bildbeschreibung

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Titel/Objekt
"Musikalisch"
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Fliegende Blätter
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Grafik

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Aufbewahrungsort/Standort (GND)
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Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Frank, Hugo
Entstehungsdatum
um 1937
Entstehungsdatum (normiert)
1932 - 1942
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

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Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
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In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
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Fliegende Blätter, 187.1937, Nr. 4819, S. 372

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CC0 1.0 Public Domain Dedication
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