Von Max Friedrich
„Im Sommer haben wir's ja scbön in unserer Kolonie, aber im Winter
ist es gräßlich, wenn wir selber den Schnee wegkehren müssen."
„Nun ja, Frau Meier: es hat eben alles seine Kehrseite!"
Zn Sachen: „Alster"
Zuzeiten wird einem etwas zugeschickt oder sonstwie für-
sorglich vor Augen gespielt, das statt Freude, Wohlsein und
Erbauung nichts als ohnmächtige Wut hervorruft. Ich denke
dabei nicht an die üblicherweise unbezahlten Rechnungen,
sondern vielmehr an ganz barmlos anzusehende Papiere, wie
etwa Einladungen, Prospekte und Reklamezettel es sind. Mir
hat es ein Prospekt angetan, ein ausnehmend schönes und
grqphisch vorzüglich gestaltetes Werbeheft für die Freie und
Lansestadt Lamburg, das irgendein abgefeimter Miffetäter
unlängst in meinen Briefkasten versenkte. Bitte, damit ist nichts
gegen das hübsch bedruckte Papier gesagt, nur — da mir sofort
und wie aus schnöder Absicht das Wort „Alster", gleich da-
hinter überdies die Superlative „Perle Hamburgs", „Silber-
auge einer Weltstadt" usw. usw. entgegenstachen, war es vor-
bei mit meiner sonst so friedlichen Lebensbetrachtung. Wut
glühte, Empörung rauchte! Wieso, fragen Sie? Ich werde Ihnen
das der Reihe nach erzählen.
Natürlich, objektiv ist nichts gegen die Alster vorzubringen.
Aber ich bin nicht objektiv, will es nicht sein, kann es nicht und
darf es auch nicht! Unzählige Sonntage aus holdseligen Kinder-
jahren würden mich sonst, da sie ungerächt geblieben, als bitter-
böses Alpdrücken durch mein ferneres Leben verfolgen . . .
Äören Sie, bitte, zu:
Ich war ein Junge von etwa sieben Jahren, nichtsnutzig
und radaufröhlich, wie alle Jungen in diesem Alter — da be-
gann das Leid. Meine guten Eltern hatten aus Gott weiß
was für Gründen ihre ganze Naturliebe urplötzlich auf die
Alster übertragen. And da an Werktagen alle braven Menschen
einem tüchtigen und müdemachenden Tagewerk nachgehen, so
blieben nur die Sonntage, um gebührend der Alsterliebe zu
(Fortsetzung auf Sette 39»
Grundstock
„Zwanzig Mark zur Gründung einer neuen
Existenz soll ich dir vorstrecken? Was willst du
mit lumpigen zwanzig Mark?"
„Äeiratsannoncen aufgeben!"
Astronomie
Zwei Tiroler Flößer saßen beim Wein.
„Woaßt, Sepp," sagte der eine, „du kommst
mir vor als wia der Mond."
„Warum nacher dös?"
„Ja, schau nur: alkrat a so. Mit oan Viertel
sangst o. Dann kummt noch amal a Viertel und
nacher noch a Viertel und dann — bist voll."
Umschwung
Nafftiz ist krank. Er liegt still im Bett und
will von nichts mehr in der Welt was wissen.
Kaum hört er auf Doktor Strubels Worte; es
ist ihm ganz gleichgültig, was der Arzt meint.
„Ein schlechtes Zeichen!" sagt nachher Doktor
Strubel zu Frau Nafftiz. „Er leistet keinen Wider-
stand mehr; er hat gar nicht den Willen, gesund
zu werden. Wie gesagt: ein schlechtes Zeichen!"-
Einige Tage später. Doktor Strubel stellt sich
ein, und Frau Nafftiz meldet ihm: „Mein Mann
ist heute viel lebhafter, Äerr Doktor. Aber er
will Ihre Anordnungen nicht befolgen. Er hat
sogar-bitte, nehmen Sie es nicht Übel: er
hat sogar furchtbar auf Sie geschimpft."
Doktor Strubel freut sich. „Ein gutes Zeichen!
Er will also doch gesund werden."
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„Im Sommer haben wir's ja scbön in unserer Kolonie, aber im Winter
ist es gräßlich, wenn wir selber den Schnee wegkehren müssen."
„Nun ja, Frau Meier: es hat eben alles seine Kehrseite!"
Zn Sachen: „Alster"
Zuzeiten wird einem etwas zugeschickt oder sonstwie für-
sorglich vor Augen gespielt, das statt Freude, Wohlsein und
Erbauung nichts als ohnmächtige Wut hervorruft. Ich denke
dabei nicht an die üblicherweise unbezahlten Rechnungen,
sondern vielmehr an ganz barmlos anzusehende Papiere, wie
etwa Einladungen, Prospekte und Reklamezettel es sind. Mir
hat es ein Prospekt angetan, ein ausnehmend schönes und
grqphisch vorzüglich gestaltetes Werbeheft für die Freie und
Lansestadt Lamburg, das irgendein abgefeimter Miffetäter
unlängst in meinen Briefkasten versenkte. Bitte, damit ist nichts
gegen das hübsch bedruckte Papier gesagt, nur — da mir sofort
und wie aus schnöder Absicht das Wort „Alster", gleich da-
hinter überdies die Superlative „Perle Hamburgs", „Silber-
auge einer Weltstadt" usw. usw. entgegenstachen, war es vor-
bei mit meiner sonst so friedlichen Lebensbetrachtung. Wut
glühte, Empörung rauchte! Wieso, fragen Sie? Ich werde Ihnen
das der Reihe nach erzählen.
Natürlich, objektiv ist nichts gegen die Alster vorzubringen.
Aber ich bin nicht objektiv, will es nicht sein, kann es nicht und
darf es auch nicht! Unzählige Sonntage aus holdseligen Kinder-
jahren würden mich sonst, da sie ungerächt geblieben, als bitter-
böses Alpdrücken durch mein ferneres Leben verfolgen . . .
Äören Sie, bitte, zu:
Ich war ein Junge von etwa sieben Jahren, nichtsnutzig
und radaufröhlich, wie alle Jungen in diesem Alter — da be-
gann das Leid. Meine guten Eltern hatten aus Gott weiß
was für Gründen ihre ganze Naturliebe urplötzlich auf die
Alster übertragen. And da an Werktagen alle braven Menschen
einem tüchtigen und müdemachenden Tagewerk nachgehen, so
blieben nur die Sonntage, um gebührend der Alsterliebe zu
(Fortsetzung auf Sette 39»
Grundstock
„Zwanzig Mark zur Gründung einer neuen
Existenz soll ich dir vorstrecken? Was willst du
mit lumpigen zwanzig Mark?"
„Äeiratsannoncen aufgeben!"
Astronomie
Zwei Tiroler Flößer saßen beim Wein.
„Woaßt, Sepp," sagte der eine, „du kommst
mir vor als wia der Mond."
„Warum nacher dös?"
„Ja, schau nur: alkrat a so. Mit oan Viertel
sangst o. Dann kummt noch amal a Viertel und
nacher noch a Viertel und dann — bist voll."
Umschwung
Nafftiz ist krank. Er liegt still im Bett und
will von nichts mehr in der Welt was wissen.
Kaum hört er auf Doktor Strubels Worte; es
ist ihm ganz gleichgültig, was der Arzt meint.
„Ein schlechtes Zeichen!" sagt nachher Doktor
Strubel zu Frau Nafftiz. „Er leistet keinen Wider-
stand mehr; er hat gar nicht den Willen, gesund
zu werden. Wie gesagt: ein schlechtes Zeichen!"-
Einige Tage später. Doktor Strubel stellt sich
ein, und Frau Nafftiz meldet ihm: „Mein Mann
ist heute viel lebhafter, Äerr Doktor. Aber er
will Ihre Anordnungen nicht befolgen. Er hat
sogar-bitte, nehmen Sie es nicht Übel: er
hat sogar furchtbar auf Sie geschimpft."
Doktor Strubel freut sich. „Ein gutes Zeichen!
Er will also doch gesund werden."
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Im Sommer haben wir's ja schön in unserer Kolonie..." "Sie sind aber auch nie zufrieden; was wollen Sie eigentlich?"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum (normiert)
1936 - 1936
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 187.1937, Nr. 4820, S. 388
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg