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„Nun ist mein letztes Paar Socken auch kaputt; das ist eine schöne

Bescherung!"

Von Peter Robinson

Schwierigkeiten mit einem
Weihnachtsgeschenk

Amalie Scherbel, geborene Pllstrich, hat keinen Grund, sich zu
beklagen. O nein, es wäre eine Anverschämtheit gegen das Schicksal,
wenn sie es tun wollte. Sie kann zufrieden sein mit ihrem Mann,
mit ihren gesunden Kindern, mit dem eigenen Befinden, mit ihrem
ansehnlichen Laushaltsgelde, niit der Wohnung, mit ihrer Lausge-
hilfin, mit der Sommerreise, die jedes Jahr unternommen wird —
kurz mit allem, was dazu gehört, die mittleren Jahre einer gut-
bürgerlichen Gattin, Mutter und Lausfrau abzuspinnen.

Aber einen Kummer hat Amalie Scherbel, die geborene Pllstrich,
doch seit Jahren. Das ist ihr Salon, ihr Empfangszimmer, ihre gute
Stube. Nämlich die Einrichtung dieses einmal so, einmal so genannten
Raumes, wobei freilich die Bezeichnung „gute Stube" nur noch selten
angewendct wird — von den ältesten Besuchern, hauptsächlich Tanten.
Als Amalie Pllstrich ihren Max Scherbel heiratete, harte der Vater
Pllstrich eine Aussteuer gekauft, tzs war eine anständige Aussteuer,
aber an die Ausgabe für einen Salon, ein Empfangszimmer, eine
gute Stube hatte er nicht heranwollen. Warum denn auch? Da
war ja die nie so recht benutzte Einrichtung der Püstrichschen guten
Stube; die konnte Matchen als einzige Tochter in ihren Laushalt
inirbekoininen; Vater und Mutter Pllstrich wollten ohnehin nun-

mehr eine kleinere Wohnung nehmen. Malcken
zog zwar einen schiefen Mund, aber sie wollte
bescheiden sein, und deshalb sagte sie mit diesem
schiefen Munde: „Na ja!" Man bedenke jedoch:
Malchen war bei ihrer Lochzeit 23 Jahre alt,
und da sie einen um zwei Jahre älteren Bruder
hat, ist den herkömmlichen Amständen nach anzu-
nehmen, daß damals jenes Salonmobiliar min-
destens schon seit 26 Jahren zu der, wie erwähnt,
seltenen Benutzung bereit gestanden hatte. In-
zwischen war ein neues Menschengeschlecht heran-
geblüht, dem, wie das immer so gewesen ist,
vieles nicht mehr gefiel, was das ältere schön
gefunden hatte, und dazu gehörten besonders
Möbel. Malchen hatte ergeben: „Na ja" gesagt,
aber gedacht hatte sie: „O Gott, der scheußliche
Kram!" und ohne den alten .Herrschaften Pllst-
rich nahetreten zu wollen, darf man ihr wohl
beistimmen. — —

Nun waren' Scherbels seit 14 Jahren verhei-
ratet. Max Scherbel hatte sich stramm gerührt:
er hatte gewirkt, gestrebt und auch etwas gewagt;
er hatte zwar nickt, wie der Dichter sagt, einen
Speicher mit köstlicher Labe gefüllt, aber bereits
in ein Stahlfach einige Pfandbriefe gelegt, denen
noch weitere folgen sollte». Er hatte auck ein
Barkonto bei der Bank, und deshalb beschloß er
nun vor Weihnachten: „Das ewige Jammer»

um den alten Kram soll aufhören-ich schenke

Malchen eine neue SaloneinrichtungI And fein
soll sie sein! Es soll mir nicht auf den Preis an-
kommen; ich werde mal das Geld nicht ansehen."

Wirklich — Max Scherbel sah das Geld nicht
an. Er schrieb nämlich einen Scheck für den Möbel-
Händler Albert Stäblein, und dieser Scheck trug
das Datum des 12. Dezember, woraus ersichtlich
ist, daß Scherbel den Einkauf nicht auf die so
beliebte lange Bank schob und dann hastig und
ohne Aeberlegen vollzog. Nein, er kaufte ohne
Eile; er wählte und prüfte sorgfältig und hatte
auch wirklich am Ende aus Albert Stäbleins Lager
J zwar nicht eine der üppigsten, aber eine der ge-
schmackvolleren Einrichtungen fllr einen „Salong"
herausgesucht. „Salong" sagte nämlich Albert
- „Da wird Malchen sich aber mal freuen!" dachte
Das wird ein herrlicher Weihnachtsabend für sie

Stäblein.

Scherbel.
werden!"

Aber jetzt kam eine Schwierigkeit. Amalie sollte also einen herr-
lichen Weihnachtsabend haben, und darum mußte sie überrascht
werden: erst, wenn die Kerzen am Weihnachtsbaum brannten, was
bei Scherbels nicht vor 8 Ahr eintrat, durste ihr das seit Jahren
ersehnte Geschenk dargebracht werden. Wie war das möglich zu
machen? Leute, die Möbel verkaufen, also meist einen größeren Be-
trag auf einmal einnehmen, sind bereit, für ihre geschätzten Kunden
zu tun, was sie nur irgend können, aber am 24. Dezember sind um
8 Ahr abends keine Männer zu finden, die eine ganze Zimmerein-
richtung ausfahren, eine Treppe hinauftragen und unter einem Weih-
nachtsbaum niederseyen. Das kann man nicht verlangen; sowas muß
früher erledigt werden. Albert Stäblein erklärte das dem Lerrn
Scherbel, der es sich aber schon selbst gedacht hatte, mit großem
Bedauern; er sagte, er würde gern selber die Sache» hinfahren und
auch in den ersten Stock Hinaufschleppen, aber er könnte es nicht,
denn er wäre bruchleidend. Lerr Scherbel möchte doch zusehen, daß
die Möbel schon früher, womöglich an einem der nächste» Tage, zu-
gestellt werden könnten. Das versprach Albert Scherbel; es würde
sich schon machen lasse», meinte er.

N.ben Scherbels im ersten Stock wohnten Susemihls, ein freund-
liches altes Ehepaar. Wozu hat man solche Nachbarn, wenn man

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Titel/Objekt
"Nun ist mein letztes Paar Socken auch kaputt; das ist eine schöne Bescherung!"
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Aufbewahrungsort/Standort (GND)
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G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Bauer, Max
Entstehungsdatum
um 1937
Entstehungsdatum (normiert)
1932 - 1942
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

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Reproduktionstyp
Digitales Bild
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Fliegende Blätter, 187.1937, Nr. 4821, S. 404

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