Preisaufgabe: Preise 200.- Mark
Die „Fliegenden Blätter“ bringen jede zweite Woche für ihre Leser eine lustige Aufgabe, deren beste Lösung mit RJI 60.—, zweite
mit RH 30.— und dritte mit RM 20.— belohnt wird; außerdem kommen noch 30 Trostpreise in Büchern im Werte von je RJI
an weitere 30 Einsender von Lösungen zur Verteilung. Mit der Entscheidung durch die Schriftleitung erklärt sich jeder Teilnehmer
einverstanden. Korrespondenzen können wegen der Preisaufgaben nicht geführt, Einsendungen nicht zurückgeschickt werden.
Bei gleichwertigen Einsendungen entscheidet das Los.
Preisaufgabe Nr. 373: „Ein Redner"
In der freundlichen und betriebsamen Mittelstadt, auf deren
Namen es hier nicht weiter ankommt, ist einer der bekannteste»
Männer der Apotheker Rollwenzel; nicht ohne Stolz pflegt er von
fick) zu sagen, daß er eine Nolle im öffentlichen Leben spiele. Er
steht an der Spitze von sechs Vereinen, den angesehensten der Stadt,
ist Mitglied des Schulkuratoriums, gehört zum Vorstand der Spar-
und Darlehenskasse, des Waisenhauses usw., und alle die vielen
Bekanntschaften und Freundschaften, die ein so ausgedehntes Lerum-
wirke» mit sich bringt, bedingen wiederum eine fast zu häufige Teil-
nahme an geselligen Veranstaltungen, Festen und Feierlichkeiten.
Leute, die solcher Betriebsamkeit abgeneigt sind, sagen, der Apotheker
Rollwenzel müsse seine Nase in alles stecken.
Wer seine Nase in alles steckt, pflegt dabei auch den Mund viel
zu gebrauchen. Wenn bei irgend einer Gelegenheit ein Redner aus-
zutreten hat, ist es in acht von zehn Fällen schon ganz selbstver-
ständlich gewordener Weise der Apotheker Rollwenzel. Aber die
Gabe des Lumors, die nie hoch genug gerühmt werden kann, ist ihm
dabei versagt, und heiterer Scherz und entfesselte Rede liegen ihm
nicht. Er spricht stets mit großer Würde und erhebt seine Reden
in die hohen Bezirke der Weihe, selbst wenn ihr Gegenstand gemüt-
lichen Niederungen angehört, und also ein oft groteskes Mißver-
hältnis offenbar wird.
And doch fehlt dem Apotheker Rollwenzel dazn eigentlich eine
Äauptsache: er hat kein kräftiges Organ. Seine Stimmbänder leisten
nicht viel, obwohl er sie stets vor einer Ansprache mit irgend einem
Mittel aus seiner Apotheke, meist eigener Herstellung, zu vorüber-
gehender Anstrengung zu kräftigen sucht. Die bereits erwähnten
übelwollenden Leute sagen, der Apotheker Rollwenzel piepse.
Da es ihm nun nicht möglich ist, bei seinen Reden einzelne
Wörter durch den Ton hervorzuheben, weil dann seine Stimme sich
gleich zu häßlichem Quäken überschlagen würde, sucht er gleiche
Wirkung durch hervorhebende Wiederholung zu erreichen. Wenn
das am Anfang eines Satzes geschieht, wie etwa: „Freude, Freude,
Freude erfüllt uns!" oder im Gegenteil: „Trauer, Trauer, Trauer
bewegt uns!" so ist das weiter nicht schlimm, und es hat nicht einmal
für alle Lörer einen leicht komischen Anstrich. Aber wenn Rollwenzel
innerhalb eines Satzes ein Wort derart hervorhebt und damit eine
Stockung bewirkt, wo gerade ein rasches Weitergleiten nötig wäre,
dann gibt er manchmal einem Satz für einen Augenblick einen Sinn,
bei dem es schwer ist, ein ernstes Gesicht zu bewahren. Lier einige
Beispiele dieser rednerischen Anfälle.
Als herangewachsene Zöglinge das Waisenhaus verließen, gab
ihnen der Apotheker Rollwenzel väterliche Abschiedsworte mit auf
den Weg. „Nun tretet ihr in das Leben, meine jungen Freunde,"
sprach er. „Wenn die Verführung euch lockt, dann folget, folget,
folget der mahnenden Stimme eures Gewissens-—"
Sanitätsrat Dr. Strubel beging das vierzigjährige Jubiläum
seiner ärztlichen Tätigkeit. Der Apotheker Rollwenzel, der ihn
übrigens als eifrigen Rezeptschreiber schätzen mußte, war der Redner
beim festlichen Bankett. Leider verbrach er gleich zu Anfang diesen
die Stimmung etwas störenden Satz: „Viel hat dieser Arzt bewirkt:
Leiden, Leiden, Leiden hat er gelindert-"
Als die Spar- und Darlehenskasse sich einmal in nicht ganz er-
freulicher Lage befand, erklärte der Apotheker Rollwenzel in ernsten
Ausführungen über die Gründe: „Wir dürfen leichtsinnigen Kredit-
nehmern nicht mehr so weit entgegenkommen. Wir müssen ihnen
sagen: Wenn ihr Geld nötig zu haben glaubt, dann verlaßt euch
nicht gleich auf uns, sondern stählet, stählet, stählet euer Selbst-
vertrauen -"
And schließlich hieß es in einer Lochzeitsrede: „And was wün-
schen wir nun dem jungen Paar? Anglück, Anglück, Anglück möge
ihm immer fern bleiben-".
Diese Beispiele mögen genügen. Der Apotheker Rollwenzel hat
noch viel mehr und auch a» komischer Wirkung kräftigere Beweise
geliefert, was bei solchen unüberlegten Wiederholungen heraus-
kommen kann, aber wir wollen nicht vorgreisen, denn vielleicht ist
auch Ihnen dergleichen von ihm oder einem andern Redner zu Ohren
gekommen, das Sie uns — aber bitte, kurz! — Mitteilen können.
Einsendungen, denen keine anderen Mitteilungen beigefügt sein dürfen, bis 24. Februar 1938 an: Schriftleitung der Fliegenden Blätter
(Preisaufgabe), München 27, Möhlstraße 34. — Briefumschläge müssen die Aufschrift „Preisaufgabe" tragen. — Werden Lösungen
mehrerer Aufgaben zu einer Sendung vereinigt, so ist für jede ein besonderes Blatt mit Angabe des Absenders zu verwenden. —
Entscheidung in Nummer 4834.
kochsalzarm
aMxh. uKjrvn ma^rUcM. qcvrvfy auf diAn 'Pat&n iät:
rj irprunr ni ÄTTCD unl* ^ fl 0 Blätter Verlag von J. F. Schreiber, München 27, Möhlstraße 34. — Anzelgen-Annahme durch die Anzelgen-
rLlt-btNUt dLA I I tn Nr. 4823. 6. Jflnusr 1938 Verwaltung .Fliegende Blätter-, München I, Fheatinerstraße 8 und alle zugeiassenen tVerhungsrnittler.—
Die Fliegenden Blätter erscheinen wöchentlich. — Bestellungen nehmen alle Buch- und Zeitschriftenhandlungen und die Postämter entgegen. — Die Zeitschrift wird auch durch
jeden deutschen Lesezirkel geliefert — Vierteljahrs-Abonnement in Deutschland ohne Zustellung RM 3.90, Postbezug RM 4.10. - Einzelne Nummer in Deutschland 30 Pfennig.
Abgeschlossen am 16. Dezember 1937.
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Die „Fliegenden Blätter“ bringen jede zweite Woche für ihre Leser eine lustige Aufgabe, deren beste Lösung mit RJI 60.—, zweite
mit RH 30.— und dritte mit RM 20.— belohnt wird; außerdem kommen noch 30 Trostpreise in Büchern im Werte von je RJI
an weitere 30 Einsender von Lösungen zur Verteilung. Mit der Entscheidung durch die Schriftleitung erklärt sich jeder Teilnehmer
einverstanden. Korrespondenzen können wegen der Preisaufgaben nicht geführt, Einsendungen nicht zurückgeschickt werden.
Bei gleichwertigen Einsendungen entscheidet das Los.
Preisaufgabe Nr. 373: „Ein Redner"
In der freundlichen und betriebsamen Mittelstadt, auf deren
Namen es hier nicht weiter ankommt, ist einer der bekannteste»
Männer der Apotheker Rollwenzel; nicht ohne Stolz pflegt er von
fick) zu sagen, daß er eine Nolle im öffentlichen Leben spiele. Er
steht an der Spitze von sechs Vereinen, den angesehensten der Stadt,
ist Mitglied des Schulkuratoriums, gehört zum Vorstand der Spar-
und Darlehenskasse, des Waisenhauses usw., und alle die vielen
Bekanntschaften und Freundschaften, die ein so ausgedehntes Lerum-
wirke» mit sich bringt, bedingen wiederum eine fast zu häufige Teil-
nahme an geselligen Veranstaltungen, Festen und Feierlichkeiten.
Leute, die solcher Betriebsamkeit abgeneigt sind, sagen, der Apotheker
Rollwenzel müsse seine Nase in alles stecken.
Wer seine Nase in alles steckt, pflegt dabei auch den Mund viel
zu gebrauchen. Wenn bei irgend einer Gelegenheit ein Redner aus-
zutreten hat, ist es in acht von zehn Fällen schon ganz selbstver-
ständlich gewordener Weise der Apotheker Rollwenzel. Aber die
Gabe des Lumors, die nie hoch genug gerühmt werden kann, ist ihm
dabei versagt, und heiterer Scherz und entfesselte Rede liegen ihm
nicht. Er spricht stets mit großer Würde und erhebt seine Reden
in die hohen Bezirke der Weihe, selbst wenn ihr Gegenstand gemüt-
lichen Niederungen angehört, und also ein oft groteskes Mißver-
hältnis offenbar wird.
And doch fehlt dem Apotheker Rollwenzel dazn eigentlich eine
Äauptsache: er hat kein kräftiges Organ. Seine Stimmbänder leisten
nicht viel, obwohl er sie stets vor einer Ansprache mit irgend einem
Mittel aus seiner Apotheke, meist eigener Herstellung, zu vorüber-
gehender Anstrengung zu kräftigen sucht. Die bereits erwähnten
übelwollenden Leute sagen, der Apotheker Rollwenzel piepse.
Da es ihm nun nicht möglich ist, bei seinen Reden einzelne
Wörter durch den Ton hervorzuheben, weil dann seine Stimme sich
gleich zu häßlichem Quäken überschlagen würde, sucht er gleiche
Wirkung durch hervorhebende Wiederholung zu erreichen. Wenn
das am Anfang eines Satzes geschieht, wie etwa: „Freude, Freude,
Freude erfüllt uns!" oder im Gegenteil: „Trauer, Trauer, Trauer
bewegt uns!" so ist das weiter nicht schlimm, und es hat nicht einmal
für alle Lörer einen leicht komischen Anstrich. Aber wenn Rollwenzel
innerhalb eines Satzes ein Wort derart hervorhebt und damit eine
Stockung bewirkt, wo gerade ein rasches Weitergleiten nötig wäre,
dann gibt er manchmal einem Satz für einen Augenblick einen Sinn,
bei dem es schwer ist, ein ernstes Gesicht zu bewahren. Lier einige
Beispiele dieser rednerischen Anfälle.
Als herangewachsene Zöglinge das Waisenhaus verließen, gab
ihnen der Apotheker Rollwenzel väterliche Abschiedsworte mit auf
den Weg. „Nun tretet ihr in das Leben, meine jungen Freunde,"
sprach er. „Wenn die Verführung euch lockt, dann folget, folget,
folget der mahnenden Stimme eures Gewissens-—"
Sanitätsrat Dr. Strubel beging das vierzigjährige Jubiläum
seiner ärztlichen Tätigkeit. Der Apotheker Rollwenzel, der ihn
übrigens als eifrigen Rezeptschreiber schätzen mußte, war der Redner
beim festlichen Bankett. Leider verbrach er gleich zu Anfang diesen
die Stimmung etwas störenden Satz: „Viel hat dieser Arzt bewirkt:
Leiden, Leiden, Leiden hat er gelindert-"
Als die Spar- und Darlehenskasse sich einmal in nicht ganz er-
freulicher Lage befand, erklärte der Apotheker Rollwenzel in ernsten
Ausführungen über die Gründe: „Wir dürfen leichtsinnigen Kredit-
nehmern nicht mehr so weit entgegenkommen. Wir müssen ihnen
sagen: Wenn ihr Geld nötig zu haben glaubt, dann verlaßt euch
nicht gleich auf uns, sondern stählet, stählet, stählet euer Selbst-
vertrauen -"
And schließlich hieß es in einer Lochzeitsrede: „And was wün-
schen wir nun dem jungen Paar? Anglück, Anglück, Anglück möge
ihm immer fern bleiben-".
Diese Beispiele mögen genügen. Der Apotheker Rollwenzel hat
noch viel mehr und auch a» komischer Wirkung kräftigere Beweise
geliefert, was bei solchen unüberlegten Wiederholungen heraus-
kommen kann, aber wir wollen nicht vorgreisen, denn vielleicht ist
auch Ihnen dergleichen von ihm oder einem andern Redner zu Ohren
gekommen, das Sie uns — aber bitte, kurz! — Mitteilen können.
Einsendungen, denen keine anderen Mitteilungen beigefügt sein dürfen, bis 24. Februar 1938 an: Schriftleitung der Fliegenden Blätter
(Preisaufgabe), München 27, Möhlstraße 34. — Briefumschläge müssen die Aufschrift „Preisaufgabe" tragen. — Werden Lösungen
mehrerer Aufgaben zu einer Sendung vereinigt, so ist für jede ein besonderes Blatt mit Angabe des Absenders zu verwenden. —
Entscheidung in Nummer 4834.
kochsalzarm
aMxh. uKjrvn ma^rUcM. qcvrvfy auf diAn 'Pat&n iät:
rj irprunr ni ÄTTCD unl* ^ fl 0 Blätter Verlag von J. F. Schreiber, München 27, Möhlstraße 34. — Anzelgen-Annahme durch die Anzelgen-
rLlt-btNUt dLA I I tn Nr. 4823. 6. Jflnusr 1938 Verwaltung .Fliegende Blätter-, München I, Fheatinerstraße 8 und alle zugeiassenen tVerhungsrnittler.—
Die Fliegenden Blätter erscheinen wöchentlich. — Bestellungen nehmen alle Buch- und Zeitschriftenhandlungen und die Postämter entgegen. — Die Zeitschrift wird auch durch
jeden deutschen Lesezirkel geliefert — Vierteljahrs-Abonnement in Deutschland ohne Zustellung RM 3.90, Postbezug RM 4.10. - Einzelne Nummer in Deutschland 30 Pfennig.
Abgeschlossen am 16. Dezember 1937.
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